Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.Die V. Anmerckung. (n) Brancas, oder eine andere von ihren Hof-Da-mes, darunter auch Madame de Ratzenhaus war, des Sommers in St. Cloud, und des Winters in Paris au Palais Roial, praesen- tiret worden waren, einen gnädigsten Zu- tritt bey ihrer Toilette, und sonsten auch Nachmittags erlaubte: Dahero auch die meisten vornehmen Teutschen, solcher wö- chentlich ein oder zweymahl in St. Cloud aufzuwarten pflegten. Dieser Schuldig- keit acquittirten sich auch drey Teutsche Ca- valiers und Reise-Compagnons, kurtz nach ihrer Ankunfft in Paris, setzten auch solche Reverences etliche Wochen manierlich fort. Es legten sich aber nachmahls diese drey Her- ren, nach Pariser Gebrauch, jeder seine eige- ne Maitresse zu, mit welcher sie sich Tag und Nacht wohl divertirten, und gantzer sechs Wochen lang, die Beobachtung ihrer Schul- digkeit, gedachter Madame unterthänigst aufzuwarten, darüber vergassen. Und weil sie gleich anfänglich ihren Blut- und Geld- Egeln und gottlosen Exercitien-Meisterin- nen besondere verdeckte und an sich selbst gu- te Zunahmen beygeleget hatten: So meyn- ten sie, es würde so leicht niemand dieselben dechifriren können. Nach dem Mittags- Essen giengen sie alsofort aus der Auberge, etwan au Caffe de la veuve St. Laurent, truncken daselbst ihren Caffe, und fragten einander: wie sie den Nachmittag passiren Die V. Anmerckung. (n) Brancas, oder eine andere von ihren Hof-Da-mes, darunter auch Madame de Ratzenhaus war, des Sommers in St. Cloud, und des Winters in Paris au Palais Roïal, præſen- tiret worden waren, einen gnaͤdigſten Zu- tritt bey ihrer Toilette, und ſonſten auch Nachmittags erlaubte: Dahero auch die meiſten vornehmen Teutſchen, ſolcher woͤ- chentlich ein oder zweymahl in St. Cloud aufzuwarten pflegten. Dieſer Schuldig- keit acquittirten ſich auch drey Teutſche Ca- valiers und Reiſe-Compagnons, kurtz nach ihrer Ankunfft in Paris, ſetzten auch ſolche Reverences etliche Wochen manierlich fort. Es legten ſich aber nachmahls dieſe dꝛey Her- ren, nach Pariſer Gebrauch, jeder ſeine eige- ne Maitreſſe zu, mit welcher ſie ſich Tag und Nacht wohl divertirten, und gantzer ſechs Wochen lang, die Beobachtung ihrer Schul- digkeit, gedachter Madame unterthaͤnigſt aufzuwarten, daruͤber vergaſſen. Und weil ſie gleich anfaͤnglich ihren Blut- und Geld- Egeln und gottloſen Exercitien-Meiſterin- nen beſondere verdeckte und an ſich ſelbſt gu- te Zunahmen beygeleget hatten: So meyn- ten ſie, es wuͤrde ſo leicht niemand dieſelben dechifriren koͤnnen. Nach dem Mittags- Eſſen giengen ſie alſofort aus der Auberge, etwan au Caffé de la veuve St. Laurent, truncken daſelbſt ihren Caffé, und fragten einander: wie ſie den Nachmittag paſſiren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <note xml:id="nn" prev="#zn" place="end" n="(n)"><pb facs="#f0117" n="95"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die <hi rendition="#aq">V.</hi> Anmerckung. <hi rendition="#aq">(n)</hi></hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">Brancas,</hi> oder eine andere von ihren Hof-<hi rendition="#aq">Da-<lb/> mes,</hi> darunter auch <hi rendition="#aq">Madame de Ratzenhaus</hi><lb/> war, des Sommers in <hi rendition="#aq">St. Cloud,</hi> und des<lb/> Winters in Paris <hi rendition="#aq">au Palais Roïal, præſen-<lb/> ti</hi>ret worden waren, einen gnaͤdigſten Zu-<lb/> tritt bey ihrer <hi rendition="#aq">Toilette,</hi> und ſonſten auch<lb/> Nachmittags erlaubte: Dahero auch die<lb/> meiſten vornehmen Teutſchen, ſolcher woͤ-<lb/> chentlich ein oder zweymahl in <hi rendition="#aq">St. Cloud</hi><lb/> aufzuwarten pflegten. 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Die V. Anmerckung. (n)
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Brancas, oder eine andere von ihren Hof-Da-
mes, darunter auch Madame de Ratzenhaus
war, des Sommers in St. Cloud, und des
Winters in Paris au Palais Roïal, præſen-
tiret worden waren, einen gnaͤdigſten Zu-
tritt bey ihrer Toilette, und ſonſten auch
Nachmittags erlaubte: Dahero auch die
meiſten vornehmen Teutſchen, ſolcher woͤ-
chentlich ein oder zweymahl in St. Cloud
aufzuwarten pflegten. Dieſer Schuldig-
keit acquittirten ſich auch drey Teutſche Ca-
valiers und Reiſe-Compagnons, kurtz nach
ihrer Ankunfft in Paris, ſetzten auch ſolche
Reverences etliche Wochen manierlich fort.
Es legten ſich aber nachmahls dieſe dꝛey Her-
ren, nach Pariſer Gebrauch, jeder ſeine eige-
ne Maitreſſe zu, mit welcher ſie ſich Tag und
Nacht wohl divertirten, und gantzer ſechs
Wochen lang, die Beobachtung ihrer Schul-
digkeit, gedachter Madame unterthaͤnigſt
aufzuwarten, daruͤber vergaſſen. Und weil
ſie gleich anfaͤnglich ihren Blut- und Geld-
Egeln und gottloſen Exercitien-Meiſterin-
nen beſondere verdeckte und an ſich ſelbſt gu-
te Zunahmen beygeleget hatten: So meyn-
ten ſie, es wuͤrde ſo leicht niemand dieſelben
dechifriren koͤnnen. Nach dem Mittags-
Eſſen giengen ſie alſofort aus der Auberge,
etwan au Caffé de la veuve St. Laurent,
truncken daſelbſt ihren Caffé, und fragten
einander: wie ſie den Nachmittag paſſiren
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