Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von: Getreuer Hofmeister auf Academien und Reisen. Hrsg. v. Wolfgang Bernhard von Tschirnhaus. Hannover, 1727.Die I. Anmerckung. bey öffterer Anhörung derer Pre-digten, wohl angewiesen werden muß: Was kaltsinnige Predigerkaltsinniger Prediger sind, denen dasjenige, was sie vor- bringen, kein rechter Ernst ist, viel- mehr nach der Gewohnheit, bloß aus dem Gedächtniß, aber aus kei- ner lebendigen Erfahrung, predigen. Wie denn Predigten, so viel nach menschlicher Erudition schmecken, zwar wohl die Ohren sehr afficiren, aber denen Hertzen wenig dienen. Doch kan nichts nützlichers hier- bey seyn, als, weil dergleichen Pre- diger leider! nur allzuviel (wie in allen Ständen, die Anzahl derer untüchtigen Menschen grösser) an- zutreffen, sie auch offt dergleichen rechtschaffene (d) Theologos, da dieund recht- schaffener Gotts-Ge- lahrten Lehre aus eigener Erfahrung, und einem exemplarischen Wandel flüs- set, anhören. Da denn Hofmei- ster Acht haben müssen, daß sie als- denn wohl attent seyn, damit siebeobachten soll. selbst empfinden, wie bey derglei- chen Männern, denen es ein rech- ter Ernst ist, einfältige Worte vol- ler Krafft und Geist sind, auch die Her- A 2
Die I. Anmerckung. bey oͤffterer Anhoͤrung derer Pre-digten, wohl angewieſen werden muß: Was kaltſinnige Predigerkaltſiñiger Prediger ſind, denen dasjenige, was ſie vor- bringen, kein rechter Ernſt iſt, viel- mehr nach der Gewohnheit, bloß aus dem Gedaͤchtniß, aber aus kei- ner lebendigen Erfahrung, predigen. Wie denn Predigten, ſo viel nach menſchlicher Erudition ſchmecken, zwar wohl die Ohren ſehr afficiren, aber denen Hertzen wenig dienen. Doch kan nichts nuͤtzlichers hier- bey ſeyn, als, weil dergleichen Pre- diger leider! nur allzuviel (wie in allen Staͤnden, die Anzahl derer untuͤchtigen Menſchen groͤſſer) an- zutreffen, ſie auch offt dergleichen rechtſchaffene (d) Theologos, da dieund recht- ſchaffener Gotts-Ge- lahrten Lehre aus eigener Erfahrung, und einem exemplariſchen Wandel fluͤſ- ſet, anhoͤren. Da denn Hofmei- ſter Acht haben muͤſſen, daß ſie als- denn wohl attent ſeyn, damit ſiebeobachten ſoll. ſelbſt empfinden, wie bey derglei- chen Maͤnnern, denen es ein rech- ter Ernſt iſt, einfaͤltige Worte vol- ler Krafft und Geiſt ſind, auch die Her- A 2
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Die I. Anmerckung.
bey oͤffterer Anhoͤrung derer Pre-
digten, wohl angewieſen werden
muß: Was kaltſinnige Prediger
ſind, denen dasjenige, was ſie vor-
bringen, kein rechter Ernſt iſt, viel-
mehr nach der Gewohnheit, bloß
aus dem Gedaͤchtniß, aber aus kei-
ner lebendigen Erfahrung, predigen.
Wie denn Predigten, ſo viel nach
menſchlicher Erudition ſchmecken,
zwar wohl die Ohren ſehr afficiren,
aber denen Hertzen wenig dienen.
Doch kan nichts nuͤtzlichers hier-
bey ſeyn, als, weil dergleichen Pre-
diger leider! nur allzuviel (wie in
allen Staͤnden, die Anzahl derer
untuͤchtigen Menſchen groͤſſer) an-
zutreffen, ſie auch offt dergleichen
rechtſchaffene
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Theologos, da die
Lehre aus eigener Erfahrung, und
einem exemplariſchen Wandel fluͤſ-
ſet, anhoͤren. Da denn Hofmei-
ſter Acht haben muͤſſen, daß ſie als-
denn wohl attent ſeyn, damit ſie
ſelbſt empfinden, wie bey derglei-
chen Maͤnnern, denen es ein rech-
ter Ernſt iſt, einfaͤltige Worte vol-
ler Krafft und Geiſt ſind, auch die
Her-
kaltſiñiger
Prediger
und recht-
ſchaffener
Gotts-Ge-
lahrten
beobachten
ſoll.
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