Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Todesgefühl. Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es sagen? Doch wunderbar ergriff mich's diese Nacht; Die Glieder schienen schon in Todes Macht, Im Herzen fühlt' ich letztes Leben schlagen. Den Geist befiel ein ungewohntes Zagen, Den Geist, der stets so sicher sich gedacht; Erlöschend jetzt, dann wieder angefacht, Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen. Wie? hielten schwere Träume mich befangen? Die Lerche singt, der rothe Morgen glüht, In's rege Leben treibt mich neu Verlangen. Wie? oder gieng vorbei der Todesengel? Die Blumen, die am Abend frisch geblüht, Sie hängen hingewelket dort vom Stengel. Todesgefühl. Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es ſagen? Doch wunderbar ergriff mich’s dieſe Nacht; Die Glieder ſchienen ſchon in Todes Macht, Im Herzen fühlt’ ich letztes Leben ſchlagen. Den Geiſt befiel ein ungewohntes Zagen, Den Geiſt, der ſtets ſo ſicher ſich gedacht; Erlöſchend jetzt, dann wieder angefacht, Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen. Wie? hielten ſchwere Träume mich befangen? Die Lerche ſingt, der rothe Morgen glüht, In’s rege Leben treibt mich neu Verlangen. Wie? oder gieng vorbei der Todesengel? Die Blumen, die am Abend friſch geblüht, Sie hängen hingewelket dort vom Stengel. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0111" n="105"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Todesgefühl</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es ſagen?</l><lb/> <l>Doch wunderbar ergriff mich’s dieſe Nacht;</l><lb/> <l>Die Glieder ſchienen ſchon in Todes Macht,</l><lb/> <l>Im Herzen fühlt’ ich letztes Leben ſchlagen.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Den Geiſt befiel ein ungewohntes Zagen,</l><lb/> <l>Den Geiſt, der ſtets ſo ſicher ſich gedacht;</l><lb/> <l>Erlöſchend jetzt, dann wieder angefacht,</l><lb/> <l>Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Wie? hielten ſchwere Träume mich befangen?</l><lb/> <l>Die Lerche ſingt, der rothe Morgen glüht,</l><lb/> <l>In’s rege Leben treibt mich neu Verlangen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Wie? oder gieng vorbei der Todesengel?</l><lb/> <l>Die Blumen, die am Abend friſch geblüht,</l><lb/> <l>Sie hängen hingewelket dort vom Stengel.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [105/0111]
Todesgefühl.
Wie Sterbenden zu Muth, wer mag es ſagen?
Doch wunderbar ergriff mich’s dieſe Nacht;
Die Glieder ſchienen ſchon in Todes Macht,
Im Herzen fühlt’ ich letztes Leben ſchlagen.
Den Geiſt befiel ein ungewohntes Zagen,
Den Geiſt, der ſtets ſo ſicher ſich gedacht;
Erlöſchend jetzt, dann wieder angefacht,
Ein mattes Flämmchen, das die Winde jagen.
Wie? hielten ſchwere Träume mich befangen?
Die Lerche ſingt, der rothe Morgen glüht,
In’s rege Leben treibt mich neu Verlangen.
Wie? oder gieng vorbei der Todesengel?
Die Blumen, die am Abend friſch geblüht,
Sie hängen hingewelket dort vom Stengel.
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