Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Der Vorsichtige. Zwölf Uhr! ist der Ruf erschollen Und mir sinkt das Glas vom Munde. Soll ich jetzt nach Haus mich trollen In der schlimmen Geisterstunde, In der Stunde der Patrollen? Und daheim zum Zeitvertreibe Noch den Zank von meinem Weibe! Dann die Nachbarn, häm'sche Tadler! -- Nein! ich bleib' im goldnen Adler, Sehe Jeder, wo er bleibe! Der Schwankende. Ei! was kann man nicht erleben! Heute war doch Sommerhitze, Und nun hat's Glatteis gegeben; Daß ich noch auf's Pflaster sitze, Muß ich jeden Schritt erbeben; Und die Häuser taumeln alle, Wenn ich kaum an eines pralle. Hüte sich in diesen Zeiten Wer da wandelt, auszugleiten, Und wer steht, daß er nicht falle! Der Vorſichtige. Zwölf Uhr! iſt der Ruf erſchollen Und mir ſinkt das Glas vom Munde. Soll ich jetzt nach Haus mich trollen In der ſchlimmen Geiſterſtunde, In der Stunde der Patrollen? Und daheim zum Zeitvertreibe Noch den Zank von meinem Weibe! Dann die Nachbarn, häm’ſche Tadler! — Nein! ich bleib’ im goldnen Adler, Sehe Jeder, wo er bleibe! Der Schwankende. Ei! was kann man nicht erleben! Heute war doch Sommerhitze, Und nun hat’s Glatteis gegeben; Daß ich noch auf’s Pflaſter ſitze, Muß ich jeden Schritt erbeben; Und die Häuſer taumeln alle, Wenn ich kaum an eines pralle. Hüte ſich in dieſen Zeiten Wer da wandelt, auszugleiten, Und wer ſteht, daß er nicht falle! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0134" n="128"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Vorſichtige</hi>.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Zwölf Uhr! iſt der Ruf erſchollen</l><lb/> <l>Und mir ſinkt das Glas vom Munde.</l><lb/> <l>Soll ich jetzt nach Haus mich trollen</l><lb/> <l>In der ſchlimmen Geiſterſtunde,</l><lb/> <l>In der Stunde der Patrollen?</l><lb/> <l>Und daheim zum Zeitvertreibe</l><lb/> <l>Noch den Zank von meinem Weibe!</l><lb/> <l>Dann die Nachbarn, häm’ſche Tadler! —</l><lb/> <l>Nein! ich bleib’ im goldnen Adler,</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Sehe Jeder, wo er bleibe</hi>!</l> </lg> </lg><lb/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Der Schwankende</hi>.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ei! was kann man nicht erleben!</l><lb/> <l>Heute war doch Sommerhitze,</l><lb/> <l>Und nun hat’s Glatteis gegeben;</l><lb/> <l>Daß ich noch auf’s Pflaſter ſitze,</l><lb/> <l>Muß ich jeden Schritt erbeben;</l><lb/> <l>Und die Häuſer taumeln alle,</l><lb/> <l>Wenn ich kaum an eines pralle.</l><lb/> <l>Hüte ſich in dieſen Zeiten</l><lb/> <l>Wer da wandelt, auszugleiten,</l><lb/> <l><hi rendition="#g">Und wer ſteht, daß er nicht falle</hi>!</l> </lg> </lg> </div> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [128/0134]
Der Vorſichtige.
Zwölf Uhr! iſt der Ruf erſchollen
Und mir ſinkt das Glas vom Munde.
Soll ich jetzt nach Haus mich trollen
In der ſchlimmen Geiſterſtunde,
In der Stunde der Patrollen?
Und daheim zum Zeitvertreibe
Noch den Zank von meinem Weibe!
Dann die Nachbarn, häm’ſche Tadler! —
Nein! ich bleib’ im goldnen Adler,
Sehe Jeder, wo er bleibe!
Der Schwankende.
Ei! was kann man nicht erleben!
Heute war doch Sommerhitze,
Und nun hat’s Glatteis gegeben;
Daß ich noch auf’s Pflaſter ſitze,
Muß ich jeden Schritt erbeben;
Und die Häuſer taumeln alle,
Wenn ich kaum an eines pralle.
Hüte ſich in dieſen Zeiten
Wer da wandelt, auszugleiten,
Und wer ſteht, daß er nicht falle!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/134 |
Zitationshilfe: | Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/134>, abgerufen am 16.07.2024. |