Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Nonne.

Im stillen Klostergarten
Eine bleiche Jungfrau ging;
Der Mond beschien sie trübe,
An ihrer Wimper hing
Die Thräne zarter Liebe.
"O wohl mir, daß gestorben
Der treue Buhle mein!
Ich darf ihn wieder lieben:
Er wird ein Engel seyn,
Und Engel darf ich lieben."
Sie trat mit zagem Schritte
Wohl zum Mariabild;
Es stand in lichtem Scheine,
Es sah so muttermild
Herunter auf die Reine.
Sie sank zu seinen Füßen,
Sah auf mit Himmelsruh,
Bis ihre Augenlieder
Im Tode fielen zu;
Ihr Schleier wallte nieder.

Die Nonne.

Im ſtillen Kloſtergarten
Eine bleiche Jungfrau ging;
Der Mond beſchien ſie trübe,
An ihrer Wimper hing
Die Thräne zarter Liebe.
„O wohl mir, daß geſtorben
Der treue Buhle mein!
Ich darf ihn wieder lieben:
Er wird ein Engel ſeyn,
Und Engel darf ich lieben.“
Sie trat mit zagem Schritte
Wohl zum Mariabild;
Es ſtand in lichtem Scheine,
Es ſah ſo muttermild
Herunter auf die Reine.
Sie ſank zu ſeinen Füßen,
Sah auf mit Himmelsruh,
Bis ihre Augenlieder
Im Tode fielen zu;
Ihr Schleier wallte nieder.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0163" n="157"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#g">Die Nonne</hi>.</head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Im &#x017F;tillen Klo&#x017F;tergarten</l><lb/>
              <l>Eine bleiche Jungfrau ging;</l><lb/>
              <l>Der Mond be&#x017F;chien &#x017F;ie trübe,</l><lb/>
              <l>An ihrer Wimper hing</l><lb/>
              <l>Die Thräne zarter Liebe.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>&#x201E;O wohl mir, daß ge&#x017F;torben</l><lb/>
              <l>Der treue Buhle mein!</l><lb/>
              <l>Ich darf ihn wieder lieben:</l><lb/>
              <l>Er wird ein Engel &#x017F;eyn,</l><lb/>
              <l>Und Engel darf ich lieben.&#x201C;</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Sie trat mit zagem Schritte</l><lb/>
              <l>Wohl zum Mariabild;</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;tand in lichtem Scheine,</l><lb/>
              <l>Es &#x017F;ah &#x017F;o muttermild</l><lb/>
              <l>Herunter auf die Reine.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Sie &#x017F;ank zu &#x017F;einen Füßen,</l><lb/>
              <l>Sah auf mit Himmelsruh,</l><lb/>
              <l>Bis ihre Augenlieder</l><lb/>
              <l>Im Tode fielen zu;</l><lb/>
              <l>Ihr Schleier wallte nieder.</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0163] Die Nonne. Im ſtillen Kloſtergarten Eine bleiche Jungfrau ging; Der Mond beſchien ſie trübe, An ihrer Wimper hing Die Thräne zarter Liebe. „O wohl mir, daß geſtorben Der treue Buhle mein! Ich darf ihn wieder lieben: Er wird ein Engel ſeyn, Und Engel darf ich lieben.“ Sie trat mit zagem Schritte Wohl zum Mariabild; Es ſtand in lichtem Scheine, Es ſah ſo muttermild Herunter auf die Reine. Sie ſank zu ſeinen Füßen, Sah auf mit Himmelsruh, Bis ihre Augenlieder Im Tode fielen zu; Ihr Schleier wallte nieder.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/163
Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/163>, abgerufen am 22.11.2024.