Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Romanze vom Recensenten. Recensent, der tapfre Ritter, Steigt zu Rosse, kühn und stolz; Ist's kein Hengst aus Andalusien, Ist es doch ein Bock von Holz. Statt des Schwerdts, die scharfe Feder Zieht er kampfbereit vom Ohr, Schiebt, statt des Visiers, die Brille Den entbrannten Augen vor. Publikum, die edle Dame, Schwebt in tausendfacher Noth, Seit ihr bald, barbarisch schnaubend, Ein Siegfried'scher Lindwurm droht, Bald ein süßer Sonettiste Sie mit Lautenklimpern lockt, Bald ein Mönch ihr mystisch predigt, Daß ihr die Besinnung stockt. Recensent, der tapfre Ritter, Hält sich gut im Drachenmord, Schlägt in Splitter alle Lauten, Stürzt den Mönch vom Kanzelbord. Dennoch will er, groß bescheiden, Daß ihn Niemand nennen soll, Und den Schild des Helden zeichnet Kaum ein Schriftzug, räthselvoll. Recensent, du Hort der Schwachen, Sey uns immer treu und hold! Nimm zum Lohn des Himmels Segen, Des Verlegers Ehrensold! Romanze vom Recenſenten. Recenſent, der tapfre Ritter, Steigt zu Roſſe, kühn und ſtolz; Iſt’s kein Hengſt aus Andaluſien, Iſt es doch ein Bock von Holz. Statt des Schwerdts, die ſcharfe Feder Zieht er kampfbereit vom Ohr, Schiebt, ſtatt des Viſiers, die Brille Den entbrannten Augen vor. Publikum, die edle Dame, Schwebt in tauſendfacher Noth, Seit ihr bald, barbariſch ſchnaubend, Ein Siegfried’ſcher Lindwurm droht, Bald ein ſüßer Sonettiſte Sie mit Lautenklimpern lockt, Bald ein Mönch ihr myſtiſch predigt, Daß ihr die Beſinnung ſtockt. Recenſent, der tapfre Ritter, Hält ſich gut im Drachenmord, Schlägt in Splitter alle Lauten, Stürzt den Mönch vom Kanzelbord. Dennoch will er, groß beſcheiden, Daß ihn Niemand nennen ſoll, Und den Schild des Helden zeichnet Kaum ein Schriftzug, räthſelvoll. Recenſent, du Hort der Schwachen, Sey uns immer treu und hold! Nimm zum Lohn des Himmels Segen, Des Verlegers Ehrenſold! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0242" n="236"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Romanze vom Recenſenten</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <l>Recenſent, der tapfre Ritter,</l><lb/> <l>Steigt zu Roſſe, kühn und ſtolz;</l><lb/> <l>Iſt’s kein Hengſt aus Andaluſien,</l><lb/> <l>Iſt es doch ein Bock von Holz.</l><lb/> <l>Statt des Schwerdts, die ſcharfe Feder</l><lb/> <l>Zieht er kampfbereit vom Ohr,</l><lb/> <l>Schiebt, ſtatt des Viſiers, die Brille</l><lb/> <l>Den entbrannten Augen vor.</l><lb/> <l>Publikum, die edle Dame,</l><lb/> <l>Schwebt in tauſendfacher Noth,</l><lb/> <l>Seit ihr bald, barbariſch ſchnaubend,</l><lb/> <l>Ein Siegfried’ſcher Lindwurm droht,</l><lb/> <l>Bald ein ſüßer Sonettiſte</l><lb/> <l>Sie mit Lautenklimpern lockt,</l><lb/> <l>Bald ein Mönch ihr myſtiſch predigt,</l><lb/> <l>Daß ihr die Beſinnung ſtockt.</l><lb/> <l>Recenſent, der tapfre Ritter,</l><lb/> <l>Hält ſich gut im Drachenmord,</l><lb/> <l>Schlägt in Splitter alle Lauten,</l><lb/> <l>Stürzt den Mönch vom Kanzelbord.</l><lb/> <l>Dennoch will er, groß beſcheiden,</l><lb/> <l>Daß ihn Niemand nennen ſoll,</l><lb/> <l>Und den Schild des Helden zeichnet</l><lb/> <l>Kaum ein Schriftzug, räthſelvoll.</l><lb/> <l>Recenſent, du Hort der Schwachen,</l><lb/> <l>Sey uns immer treu und hold!</l><lb/> <l>Nimm zum Lohn des Himmels Segen,</l><lb/> <l>Des Verlegers Ehrenſold!</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [236/0242]
Romanze vom Recenſenten.
Recenſent, der tapfre Ritter,
Steigt zu Roſſe, kühn und ſtolz;
Iſt’s kein Hengſt aus Andaluſien,
Iſt es doch ein Bock von Holz.
Statt des Schwerdts, die ſcharfe Feder
Zieht er kampfbereit vom Ohr,
Schiebt, ſtatt des Viſiers, die Brille
Den entbrannten Augen vor.
Publikum, die edle Dame,
Schwebt in tauſendfacher Noth,
Seit ihr bald, barbariſch ſchnaubend,
Ein Siegfried’ſcher Lindwurm droht,
Bald ein ſüßer Sonettiſte
Sie mit Lautenklimpern lockt,
Bald ein Mönch ihr myſtiſch predigt,
Daß ihr die Beſinnung ſtockt.
Recenſent, der tapfre Ritter,
Hält ſich gut im Drachenmord,
Schlägt in Splitter alle Lauten,
Stürzt den Mönch vom Kanzelbord.
Dennoch will er, groß beſcheiden,
Daß ihn Niemand nennen ſoll,
Und den Schild des Helden zeichnet
Kaum ein Schriftzug, räthſelvoll.
Recenſent, du Hort der Schwachen,
Sey uns immer treu und hold!
Nimm zum Lohn des Himmels Segen,
Des Verlegers Ehrenſold!
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Zitationshilfe: | Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/242>, abgerufen am 17.07.2024. |