Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Naht sich hülfreich dem Geworfnen, Nimmt ihm ab des Helms Gewicht: Sieh! da wallen reiche Locken Um ein zartes Angesicht. Wie er Schien' und Panzer löset, Welch ein Busen! welch ein Leib! Hingegossen ohne Leben, Liegt vor ihm das schönste Weib. Würden erst die bleichen Wangen Röthen sich von neuer Glut, Hüben erst sich diese Wimpern: Wie dann, Paris, junges Blut? Ja! schon holt sie tiefen Athem, Schlägt die Augen zärtlich auf; Die als wilder Feind gestorben, Lebt als milde Freundin auf. Dort, in Stücken, liegt die Hülle, Die ein starrer Ritter war, Hier, in Paris Arm, die Fülle, Süßer Kern, der Schaale baar. Paris spricht, der schöne Ritter: "Welcher Sieg nun? welcher Ruhm? Soll mir nie ein Strauß gelingen In dem ernsten Ritterthum? Wandelt stets, was ich berühre, Sich in Scherz und Liebe mir? Minneglück, das mich verfolget, Zürn' ich oder dank' ich dir?" Naht ſich hülfreich dem Geworfnen, Nimmt ihm ab des Helms Gewicht: Sieh! da wallen reiche Locken Um ein zartes Angeſicht. Wie er Schien’ und Panzer löſet, Welch ein Buſen! welch ein Leib! Hingegoſſen ohne Leben, Liegt vor ihm das ſchönſte Weib. Würden erſt die bleichen Wangen Röthen ſich von neuer Glut, Hüben erſt ſich dieſe Wimpern: Wie dann, Paris, junges Blut? Ja! ſchon holt ſie tiefen Athem, Schlägt die Augen zärtlich auf; Die als wilder Feind geſtorben, Lebt als milde Freundin auf. Dort, in Stücken, liegt die Hülle, Die ein ſtarrer Ritter war, Hier, in Paris Arm, die Fülle, Süßer Kern, der Schaale baar. Paris ſpricht, der ſchöne Ritter: „Welcher Sieg nun? welcher Ruhm? Soll mir nie ein Strauß gelingen In dem ernſten Ritterthum? Wandelt ſtets, was ich berühre, Sich in Scherz und Liebe mir? Minneglück, das mich verfolget, Zürn’ ich oder dank’ ich dir?“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0244" n="238"/> <l>Naht ſich hülfreich dem Geworfnen,</l><lb/> <l>Nimmt ihm ab des Helms Gewicht:</l><lb/> <l>Sieh! da wallen reiche Locken</l><lb/> <l>Um ein zartes Angeſicht.</l><lb/> <l>Wie er Schien’ und Panzer löſet,</l><lb/> <l>Welch ein Buſen! welch ein Leib!</l><lb/> <l>Hingegoſſen ohne Leben,</l><lb/> <l>Liegt vor ihm das ſchönſte Weib.</l><lb/> <l>Würden erſt die bleichen Wangen</l><lb/> <l>Röthen ſich von neuer Glut,</l><lb/> <l>Hüben erſt ſich dieſe Wimpern:</l><lb/> <l>Wie dann, Paris, junges Blut?</l><lb/> <l>Ja! ſchon holt ſie tiefen Athem,</l><lb/> <l>Schlägt die Augen zärtlich auf;</l><lb/> <l>Die als wilder Feind geſtorben,</l><lb/> <l>Lebt als milde Freundin auf.</l><lb/> <l>Dort, in Stücken, liegt die Hülle,</l><lb/> <l>Die ein ſtarrer Ritter war,</l><lb/> <l>Hier, in Paris Arm, die Fülle,</l><lb/> <l>Süßer Kern, der Schaale baar.</l><lb/> <l>Paris ſpricht, der ſchöne Ritter:</l><lb/> <l>„Welcher Sieg nun? welcher Ruhm?</l><lb/> <l>Soll mir nie ein Strauß gelingen</l><lb/> <l>In dem ernſten Ritterthum?</l><lb/> <l>Wandelt ſtets, was ich berühre,</l><lb/> <l>Sich in Scherz und Liebe mir?</l><lb/> <l>Minneglück, das mich verfolget,</l><lb/> <l>Zürn’ ich oder dank’ ich dir?“</l> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [238/0244]
Naht ſich hülfreich dem Geworfnen,
Nimmt ihm ab des Helms Gewicht:
Sieh! da wallen reiche Locken
Um ein zartes Angeſicht.
Wie er Schien’ und Panzer löſet,
Welch ein Buſen! welch ein Leib!
Hingegoſſen ohne Leben,
Liegt vor ihm das ſchönſte Weib.
Würden erſt die bleichen Wangen
Röthen ſich von neuer Glut,
Hüben erſt ſich dieſe Wimpern:
Wie dann, Paris, junges Blut?
Ja! ſchon holt ſie tiefen Athem,
Schlägt die Augen zärtlich auf;
Die als wilder Feind geſtorben,
Lebt als milde Freundin auf.
Dort, in Stücken, liegt die Hülle,
Die ein ſtarrer Ritter war,
Hier, in Paris Arm, die Fülle,
Süßer Kern, der Schaale baar.
Paris ſpricht, der ſchöne Ritter:
„Welcher Sieg nun? welcher Ruhm?
Soll mir nie ein Strauß gelingen
In dem ernſten Ritterthum?
Wandelt ſtets, was ich berühre,
Sich in Scherz und Liebe mir?
Minneglück, das mich verfolget,
Zürn’ ich oder dank’ ich dir?“
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