Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815."Hörst du mich, getreuer Knappe? Wann dies Herz nun ausgeschlagen, Zu der Dame von Fayel Sollt du es hinübertragen!" In geweihter, kühler Erde Wird der edle Leib begraben; Nur das Herz, das müde Herz, Soll noch keine Ruhe haben. Schon in einer goldnen Urne Liegt es, wohl einbalsamiret, Und zu Schiffe steigt der Diener, Der es sorgsam mit sich führet. Stürme brausen, Wogen schlagen, Blitze zucken, Maste splittern, Aengstlich klopfen alle Herzen, Eines nur ist ohne Zittern. Golden stralt die Sonne wieder, Frankreichs Küste glänzet drüben, Freudig schlagen alle Herzen, Eines nur ist still geblieben. Schon im Walde von Fayel Schreitet rasch der Urne Träger, Plötzlich schallt ein lustig Horn Sammt dem Rufe wilder Jäger. Aus den Büschen rauscht ein Hirsch, Dem ein Pfeil im Herzen stecket, Bäumt sich auf und stürzt und liegt Vor dem Knappen hingestrecket. Sieh! der Ritter von Fayel, Der das Wild in's Herz geschossen, Sprengt heran mit Jagdgefolg Und der Knapp' ist rings umschlossen. „Hörſt du mich, getreuer Knappe? Wann dies Herz nun ausgeſchlagen, Zu der Dame von Fayel Sollt du es hinübertragen!“ In geweihter, kühler Erde Wird der edle Leib begraben; Nur das Herz, das müde Herz, Soll noch keine Ruhe haben. Schon in einer goldnen Urne Liegt es, wohl einbalſamiret, Und zu Schiffe ſteigt der Diener, Der es ſorgſam mit ſich führet. Stürme brauſen, Wogen ſchlagen, Blitze zucken, Maſte ſplittern, Aengſtlich klopfen alle Herzen, Eines nur iſt ohne Zittern. Golden ſtralt die Sonne wieder, Frankreichs Küſte glänzet drüben, Freudig ſchlagen alle Herzen, Eines nur iſt ſtill geblieben. Schon im Walde von Fayel Schreitet raſch der Urne Träger, Plötzlich ſchallt ein luſtig Horn Sammt dem Rufe wilder Jäger. Aus den Büſchen rauſcht ein Hirſch, Dem ein Pfeil im Herzen ſtecket, Bäumt ſich auf und ſtürzt und liegt Vor dem Knappen hingeſtrecket. Sieh! der Ritter von Fayel, Der das Wild in’s Herz geſchoſſen, Sprengt heran mit Jagdgefolg Und der Knapp’ iſt rings umſchloſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0251" n="245"/> <l>„Hörſt du mich, getreuer Knappe?</l><lb/> <l>Wann dies Herz nun ausgeſchlagen,</l><lb/> <l>Zu der Dame von Fayel</l><lb/> <l>Sollt du es hinübertragen!“</l><lb/> <l>In geweihter, kühler Erde</l><lb/> <l>Wird der edle Leib begraben;</l><lb/> <l>Nur das Herz, das müde Herz,</l><lb/> <l>Soll noch keine Ruhe haben.</l><lb/> <l>Schon in einer goldnen Urne</l><lb/> <l>Liegt es, wohl einbalſamiret,</l><lb/> <l>Und zu Schiffe ſteigt der Diener,</l><lb/> <l>Der es ſorgſam mit ſich führet.</l><lb/> <l>Stürme brauſen, Wogen ſchlagen,</l><lb/> <l>Blitze zucken, Maſte ſplittern,</l><lb/> <l>Aengſtlich klopfen alle Herzen,</l><lb/> <l>Eines nur iſt ohne Zittern.</l><lb/> <l>Golden ſtralt die Sonne wieder,</l><lb/> <l>Frankreichs Küſte glänzet drüben,</l><lb/> <l>Freudig ſchlagen alle Herzen,</l><lb/> <l>Eines nur iſt ſtill geblieben.</l><lb/> <l>Schon im Walde von Fayel</l><lb/> <l>Schreitet raſch der Urne Träger,</l><lb/> <l>Plötzlich ſchallt ein luſtig Horn</l><lb/> <l>Sammt dem Rufe wilder Jäger.</l><lb/> <l>Aus den Büſchen rauſcht ein Hirſch,</l><lb/> <l>Dem ein Pfeil im Herzen ſtecket,</l><lb/> <l>Bäumt ſich auf und ſtürzt und liegt</l><lb/> <l>Vor dem Knappen hingeſtrecket.</l><lb/> <l>Sieh! der Ritter von Fayel,</l><lb/> <l>Der das Wild in’s Herz geſchoſſen,</l><lb/> <l>Sprengt heran mit Jagdgefolg</l><lb/> <l>Und der Knapp’ iſt rings umſchloſſen.</l><lb/> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [245/0251]
„Hörſt du mich, getreuer Knappe?
Wann dies Herz nun ausgeſchlagen,
Zu der Dame von Fayel
Sollt du es hinübertragen!“
In geweihter, kühler Erde
Wird der edle Leib begraben;
Nur das Herz, das müde Herz,
Soll noch keine Ruhe haben.
Schon in einer goldnen Urne
Liegt es, wohl einbalſamiret,
Und zu Schiffe ſteigt der Diener,
Der es ſorgſam mit ſich führet.
Stürme brauſen, Wogen ſchlagen,
Blitze zucken, Maſte ſplittern,
Aengſtlich klopfen alle Herzen,
Eines nur iſt ohne Zittern.
Golden ſtralt die Sonne wieder,
Frankreichs Küſte glänzet drüben,
Freudig ſchlagen alle Herzen,
Eines nur iſt ſtill geblieben.
Schon im Walde von Fayel
Schreitet raſch der Urne Träger,
Plötzlich ſchallt ein luſtig Horn
Sammt dem Rufe wilder Jäger.
Aus den Büſchen rauſcht ein Hirſch,
Dem ein Pfeil im Herzen ſtecket,
Bäumt ſich auf und ſtürzt und liegt
Vor dem Knappen hingeſtrecket.
Sieh! der Ritter von Fayel,
Der das Wild in’s Herz geſchoſſen,
Sprengt heran mit Jagdgefolg
Und der Knapp’ iſt rings umſchloſſen.
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