Sie wandern rüstig mit dem Frühen, Bald steigt die Sonne drückend heiß; Die Zunge lechzt, die Lippen glühen Und von der Stirne rinnt der Schweiß: Da rieselt so helle Vom Felsen die Quelle.
Wie trinken sie in vollen Zügen! Doch als sie kaum den Durst gestillt, Bezeugen sie ihr Mißvergnügen, Daß hier nicht Wein, nur Wasser, quillt: "O fades Getränke! O ärmliche Schwenke!"
In seine vielverwobnen Gänge Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf, Da stehn sie plötzlich im Gedränge, Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf; Sie irren, sie suchen, Sie zanken und fluchen.
Derweil hat sich in finstre Wetter Die schwüle Sonne tief verhüllt, Schon rauscht der Regen durch die Blätter, Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt, Dann kömmt es geflossen, Unendlich ergossen.
Sie wandern rüſtig mit dem Frühen, Bald ſteigt die Sonne drückend heiß; Die Zunge lechzt, die Lippen glühen Und von der Stirne rinnt der Schweiß: Da rieſelt ſo helle Vom Felſen die Quelle.
Wie trinken ſie in vollen Zügen! Doch als ſie kaum den Durſt geſtillt, Bezeugen ſie ihr Mißvergnügen, Daß hier nicht Wein, nur Waſſer, quillt: „O fades Getränke! O ärmliche Schwenke!“
In ſeine vielverwobnen Gänge Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf, Da ſtehn ſie plötzlich im Gedränge, Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf; Sie irren, ſie ſuchen, Sie zanken und fluchen.
Derweil hat ſich in finſtre Wetter Die ſchwüle Sonne tief verhüllt, Schon rauſcht der Regen durch die Blätter, Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt, Dann kömmt es gefloſſen, Unendlich ergoſſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0284"n="278"/><lgn="5"><l>Sie wandern rüſtig mit dem Frühen,</l><lb/><l>Bald ſteigt die Sonne drückend heiß;</l><lb/><l>Die Zunge lechzt, die Lippen glühen</l><lb/><l>Und von der Stirne rinnt der Schweiß:</l><lb/><l>Da rieſelt ſo helle</l><lb/><l>Vom Felſen die Quelle.</l></lg><lb/><lgn="6"><l>Wie trinken ſie in vollen Zügen!</l><lb/><l>Doch als ſie kaum den Durſt geſtillt,</l><lb/><l>Bezeugen ſie ihr Mißvergnügen,</l><lb/><l>Daß hier nicht Wein, nur Waſſer, quillt:</l><lb/><l>„O fades Getränke!</l><lb/><l>O ärmliche Schwenke!“</l></lg><lb/><lgn="7"><l>In ſeine vielverwobnen Gänge</l><lb/><l>Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf,</l><lb/><l>Da ſtehn ſie plötzlich im Gedränge,</l><lb/><l>Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf;</l><lb/><l>Sie irren, ſie ſuchen,</l><lb/><l>Sie zanken und fluchen.</l></lg><lb/><lgn="8"><l>Derweil hat ſich in finſtre Wetter</l><lb/><l>Die ſchwüle Sonne tief verhüllt,</l><lb/><l>Schon rauſcht der Regen durch die Blätter,</l><lb/><l>Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt,</l><lb/><l>Dann kömmt es gefloſſen,</l><lb/><l>Unendlich ergoſſen.</l></lg><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
[278/0284]
Sie wandern rüſtig mit dem Frühen,
Bald ſteigt die Sonne drückend heiß;
Die Zunge lechzt, die Lippen glühen
Und von der Stirne rinnt der Schweiß:
Da rieſelt ſo helle
Vom Felſen die Quelle.
Wie trinken ſie in vollen Zügen!
Doch als ſie kaum den Durſt geſtillt,
Bezeugen ſie ihr Mißvergnügen,
Daß hier nicht Wein, nur Waſſer, quillt:
„O fades Getränke!
O ärmliche Schwenke!“
In ſeine vielverwobnen Gänge
Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf,
Da ſtehn ſie plötzlich im Gedränge,
Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf;
Sie irren, ſie ſuchen,
Sie zanken und fluchen.
Derweil hat ſich in finſtre Wetter
Die ſchwüle Sonne tief verhüllt,
Schon rauſcht der Regen durch die Blätter,
Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt,
Dann kömmt es gefloſſen,
Unendlich ergoſſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/284>, abgerufen am 16.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.