Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Sie wandern rüstig mit dem Frühen, Bald steigt die Sonne drückend heiß; Die Zunge lechzt, die Lippen glühen Und von der Stirne rinnt der Schweiß: Da rieselt so helle Vom Felsen die Quelle. Wie trinken sie in vollen Zügen! Doch als sie kaum den Durst gestillt, Bezeugen sie ihr Mißvergnügen, Daß hier nicht Wein, nur Wasser, quillt: "O fades Getränke! O ärmliche Schwenke!" In seine vielverwobnen Gänge Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf, Da stehn sie plötzlich im Gedränge, Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf; Sie irren, sie suchen, Sie zanken und fluchen. Derweil hat sich in finstre Wetter Die schwüle Sonne tief verhüllt, Schon rauscht der Regen durch die Blätter, Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt, Dann kömmt es geflossen, Unendlich ergossen. Sie wandern rüſtig mit dem Frühen, Bald ſteigt die Sonne drückend heiß; Die Zunge lechzt, die Lippen glühen Und von der Stirne rinnt der Schweiß: Da rieſelt ſo helle Vom Felſen die Quelle. Wie trinken ſie in vollen Zügen! Doch als ſie kaum den Durſt geſtillt, Bezeugen ſie ihr Mißvergnügen, Daß hier nicht Wein, nur Waſſer, quillt: „O fades Getränke! O ärmliche Schwenke!“ In ſeine vielverwobnen Gänge Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf, Da ſtehn ſie plötzlich im Gedränge, Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf; Sie irren, ſie ſuchen, Sie zanken und fluchen. Derweil hat ſich in finſtre Wetter Die ſchwüle Sonne tief verhüllt, Schon rauſcht der Regen durch die Blätter, Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt, Dann kömmt es gefloſſen, Unendlich ergoſſen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0284" n="278"/> <lg n="5"> <l>Sie wandern rüſtig mit dem Frühen,</l><lb/> <l>Bald ſteigt die Sonne drückend heiß;</l><lb/> <l>Die Zunge lechzt, die Lippen glühen</l><lb/> <l>Und von der Stirne rinnt der Schweiß:</l><lb/> <l>Da rieſelt ſo helle</l><lb/> <l>Vom Felſen die Quelle.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Wie trinken ſie in vollen Zügen!</l><lb/> <l>Doch als ſie kaum den Durſt geſtillt,</l><lb/> <l>Bezeugen ſie ihr Mißvergnügen,</l><lb/> <l>Daß hier nicht Wein, nur Waſſer, quillt:</l><lb/> <l>„O fades Getränke!</l><lb/> <l>O ärmliche Schwenke!“</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>In ſeine vielverwobnen Gänge</l><lb/> <l>Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf,</l><lb/> <l>Da ſtehn ſie plötzlich im Gedränge,</l><lb/> <l>Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf;</l><lb/> <l>Sie irren, ſie ſuchen,</l><lb/> <l>Sie zanken und fluchen.</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Derweil hat ſich in finſtre Wetter</l><lb/> <l>Die ſchwüle Sonne tief verhüllt,</l><lb/> <l>Schon rauſcht der Regen durch die Blätter,</l><lb/> <l>Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt,</l><lb/> <l>Dann kömmt es gefloſſen,</l><lb/> <l>Unendlich ergoſſen.</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [278/0284]
Sie wandern rüſtig mit dem Frühen,
Bald ſteigt die Sonne drückend heiß;
Die Zunge lechzt, die Lippen glühen
Und von der Stirne rinnt der Schweiß:
Da rieſelt ſo helle
Vom Felſen die Quelle.
Wie trinken ſie in vollen Zügen!
Doch als ſie kaum den Durſt geſtillt,
Bezeugen ſie ihr Mißvergnügen,
Daß hier nicht Wein, nur Waſſer, quillt:
„O fades Getränke!
O ärmliche Schwenke!“
In ſeine vielverwobnen Gänge
Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf,
Da ſtehn ſie plötzlich im Gedränge,
Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf;
Sie irren, ſie ſuchen,
Sie zanken und fluchen.
Derweil hat ſich in finſtre Wetter
Die ſchwüle Sonne tief verhüllt,
Schon rauſcht der Regen durch die Blätter,
Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt,
Dann kömmt es gefloſſen,
Unendlich ergoſſen.
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