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Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.

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Milon besah den großen Rumpf:
"Was ist das für 'ne Leiche?
Man sieht noch am zerhau'nen Stumpf,
Wie mächtig war die Eiche.
Das ist der Riese! frag' ich mehr?
Verschlafen hab' ich Sieg und Ehr',
Drum muß ich ewig trauern." --
Zu Aachen vor dem Schlosse stund
Der König Karl gar bange:
"Sind meine Helden wohl gesund?
Sie weilen allzu lange.
Doch seh' ich recht, auf Königswort!
So reitet Herzog Heimon dort,
Des Riesen Haupt am Speere."
Herr Heimon ritt in trübem Muth,
Und mit gesenktem Spieße
Legt' er das Haupt, besprengt mit Blut,
Dem König vor die Füße:
"Ich fand den Kopf im wilden Hag,
Und fünfzig Schritte weiter lag
Des Riesen Rumpf am Boden."
Bald auch der Erzbischof Turpin
Den Riesenhandschuh brachte,
Die ungefüge Hand noch drin,
Er zog sie aus und lachte:
"Das ist ein schön Reliquienstück,
Ich bring' es aus dem Wald zurück,
Fand es schon zugehauen."
Milon beſah den großen Rumpf:
„Was iſt das für ’ne Leiche?
Man ſieht noch am zerhau’nen Stumpf,
Wie mächtig war die Eiche.
Das iſt der Rieſe! frag’ ich mehr?
Verſchlafen hab’ ich Sieg und Ehr’,
Drum muß ich ewig trauern.“ —
Zu Aachen vor dem Schloſſe ſtund
Der König Karl gar bange:
„Sind meine Helden wohl geſund?
Sie weilen allzu lange.
Doch ſeh’ ich recht, auf Königswort!
So reitet Herzog Heimon dort,
Des Rieſen Haupt am Speere.“
Herr Heimon ritt in trübem Muth,
Und mit geſenktem Spieße
Legt’ er das Haupt, beſprengt mit Blut,
Dem König vor die Füße:
„Ich fand den Kopf im wilden Hag,
Und fünfzig Schritte weiter lag
Des Rieſen Rumpf am Boden.“
Bald auch der Erzbiſchof Turpin
Den Rieſenhandſchuh brachte,
Die ungefüge Hand noch drin,
Er zog ſie aus und lachte:
„Das iſt ein ſchön Reliquienſtück,
Ich bring’ es aus dem Wald zurück,
Fand es ſchon zugehauen.“
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[304/0310] Milon beſah den großen Rumpf: „Was iſt das für ’ne Leiche? Man ſieht noch am zerhau’nen Stumpf, Wie mächtig war die Eiche. Das iſt der Rieſe! frag’ ich mehr? Verſchlafen hab’ ich Sieg und Ehr’, Drum muß ich ewig trauern.“ — Zu Aachen vor dem Schloſſe ſtund Der König Karl gar bange: „Sind meine Helden wohl geſund? Sie weilen allzu lange. Doch ſeh’ ich recht, auf Königswort! So reitet Herzog Heimon dort, Des Rieſen Haupt am Speere.“ Herr Heimon ritt in trübem Muth, Und mit geſenktem Spieße Legt’ er das Haupt, beſprengt mit Blut, Dem König vor die Füße: „Ich fand den Kopf im wilden Hag, Und fünfzig Schritte weiter lag Des Rieſen Rumpf am Boden.“ Bald auch der Erzbiſchof Turpin Den Rieſenhandſchuh brachte, Die ungefüge Hand noch drin, Er zog ſie aus und lachte: „Das iſt ein ſchön Reliquienſtück, Ich bring’ es aus dem Wald zurück, Fand es ſchon zugehauen.“

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Zitationshilfe: Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815/310>, abgerufen am 22.11.2024.