Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.So schlief sie in der Halle, Die Fürstin, reich geschmückt. Bald hatte die Andern alle Der gleiche Schlaf berückt. Die Sänger, schon in Träumen, Rührten die Saiten bang, Bis in des Schlosses Räumen Der letzte Laut verklang. Die Alte spann noch immer Im stillen Kämmerlein, Es woben in jedem Zimmer Die Spinnen, groß und klein, Die Hecken und Ranken woben Sich um den Fürstenbau, Und um den Himmel oben, Da spann sich Nebelgrau. -- Wohl nach vierhundert Jahren, Da ritt des Königs Sohn Mit seinen Jägerschaaren In's Waldgebirg davon: "Was ragen doch da innen, Ob all dem hohen Wald, Für graue Thürm' und Zinnen Von seltsamer Gestalt?" So ſchlief ſie in der Halle, Die Fürſtin, reich geſchmückt. Bald hatte die Andern alle Der gleiche Schlaf berückt. Die Sänger, ſchon in Träumen, Rührten die Saiten bang, Bis in des Schloſſes Räumen Der letzte Laut verklang. Die Alte ſpann noch immer Im ſtillen Kämmerlein, Es woben in jedem Zimmer Die Spinnen, groß und klein, Die Hecken und Ranken woben Sich um den Fürſtenbau, Und um den Himmel oben, Da ſpann ſich Nebelgrau. — Wohl nach vierhundert Jahren, Da ritt des Königs Sohn Mit ſeinen Jägerſchaaren In’s Waldgebirg davon: „Was ragen doch da innen, Ob all dem hohen Wald, Für graue Thürm’ und Zinnen Von ſeltſamer Geſtalt?“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0352" n="346"/> <lg n="16"> <l>So ſchlief ſie in der Halle,</l><lb/> <l>Die Fürſtin, reich geſchmückt.</l><lb/> <l>Bald hatte die Andern alle</l><lb/> <l>Der gleiche Schlaf berückt.</l><lb/> <l>Die Sänger, ſchon in Träumen,</l><lb/> <l>Rührten die Saiten bang,</l><lb/> <l>Bis in des Schloſſes Räumen</l><lb/> <l>Der letzte Laut verklang.</l> </lg><lb/> <lg n="17"> <l>Die Alte ſpann noch immer</l><lb/> <l>Im ſtillen Kämmerlein,</l><lb/> <l>Es woben in jedem Zimmer</l><lb/> <l>Die Spinnen, groß und klein,</l><lb/> <l>Die Hecken und Ranken woben</l><lb/> <l>Sich um den Fürſtenbau,</l><lb/> <l>Und um den Himmel oben,</l><lb/> <l>Da ſpann ſich Nebelgrau. —</l> </lg><lb/> <lg n="18"> <l>Wohl nach vierhundert Jahren,</l><lb/> <l>Da ritt des Königs Sohn</l><lb/> <l>Mit ſeinen Jägerſchaaren</l><lb/> <l>In’s Waldgebirg davon:</l><lb/> <l>„Was ragen doch da innen,</l><lb/> <l>Ob all dem hohen Wald,</l><lb/> <l>Für graue Thürm’ und Zinnen</l><lb/> <l>Von ſeltſamer Geſtalt?“</l> </lg><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [346/0352]
So ſchlief ſie in der Halle,
Die Fürſtin, reich geſchmückt.
Bald hatte die Andern alle
Der gleiche Schlaf berückt.
Die Sänger, ſchon in Träumen,
Rührten die Saiten bang,
Bis in des Schloſſes Räumen
Der letzte Laut verklang.
Die Alte ſpann noch immer
Im ſtillen Kämmerlein,
Es woben in jedem Zimmer
Die Spinnen, groß und klein,
Die Hecken und Ranken woben
Sich um den Fürſtenbau,
Und um den Himmel oben,
Da ſpann ſich Nebelgrau. —
Wohl nach vierhundert Jahren,
Da ritt des Königs Sohn
Mit ſeinen Jägerſchaaren
In’s Waldgebirg davon:
„Was ragen doch da innen,
Ob all dem hohen Wald,
Für graue Thürm’ und Zinnen
Von ſeltſamer Geſtalt?“
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