Uhland, Ludwig: Gedichte. Stuttgart u. a., 1815.Entschluß. Sie kommt in diese stillen Gründe, Ich wag' es heut mit kühnem Muth. Was soll ich beben vor dem Kinde, Das Niemand was zu leide thut? Es grüssen Alle sie so gerne, Ich geh' vorbei und wag' es nicht; Und zu dem allerschönsten Sterne Erheb' ich nie mein Angesicht. Die Blumen, die nach ihr sich beugen, Die Vögel mit dem Lustgesang, Sie dürfen Liebe ihr bezeugen: Warum ist mir allein so bang? Dem Himmel hab' ich oft geklaget In langen Nächten bitterlich: Und habe nie vor ihr gewaget Das Eine Wort: ich liebe dich! Ich will mich lagern unter'm Baume, Da wandelt täglich sie vorbei; Dann will ich reden als im Traume, Wie sie mein süßes Leben sey. Ich will -- o wehe! welches Schrecken! Sie kommt heran, sie wird mich sehn; Ich will mich in den Busch verstecken, Da seh' ich sie vorübergehn. Entſchluß. Sie kommt in dieſe ſtillen Gründe, Ich wag’ es heut mit kühnem Muth. Was ſoll ich beben vor dem Kinde, Das Niemand was zu leide thut? Es grüſſen Alle ſie ſo gerne, Ich geh’ vorbei und wag’ es nicht; Und zu dem allerſchönſten Sterne Erheb’ ich nie mein Angeſicht. Die Blumen, die nach ihr ſich beugen, Die Vögel mit dem Luſtgeſang, Sie dürfen Liebe ihr bezeugen: Warum iſt mir allein ſo bang? Dem Himmel hab’ ich oft geklaget In langen Nächten bitterlich: Und habe nie vor ihr gewaget Das Eine Wort: ich liebe dich! Ich will mich lagern unter’m Baume, Da wandelt täglich ſie vorbei; Dann will ich reden als im Traume, Wie ſie mein ſüßes Leben ſey. Ich will — o wehe! welches Schrecken! Sie kommt heran, ſie wird mich ſehn; Ich will mich in den Buſch verſtecken, Da ſeh’ ich ſie vorübergehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0042" n="36"/> <div n="2"> <head><hi rendition="#g">Entſchluß</hi>.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Sie kommt in dieſe ſtillen Gründe,</l><lb/> <l>Ich wag’ es heut mit kühnem Muth.</l><lb/> <l>Was ſoll ich beben vor dem Kinde,</l><lb/> <l>Das Niemand was zu leide thut?</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Es grüſſen Alle ſie ſo gerne,</l><lb/> <l>Ich geh’ vorbei und wag’ es nicht;</l><lb/> <l>Und zu dem allerſchönſten Sterne</l><lb/> <l>Erheb’ ich nie mein Angeſicht.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Die Blumen, die nach ihr ſich beugen,</l><lb/> <l>Die Vögel mit dem Luſtgeſang,</l><lb/> <l>Sie dürfen Liebe ihr bezeugen:</l><lb/> <l>Warum iſt mir allein ſo bang?</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Dem Himmel hab’ ich oft geklaget</l><lb/> <l>In langen Nächten bitterlich:</l><lb/> <l>Und habe nie vor ihr gewaget</l><lb/> <l>Das Eine Wort: ich liebe dich!</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Ich will mich lagern unter’m Baume,</l><lb/> <l>Da wandelt täglich ſie vorbei;</l><lb/> <l>Dann will ich reden als im Traume,</l><lb/> <l>Wie ſie mein ſüßes Leben ſey.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Ich will — o wehe! welches Schrecken!</l><lb/> <l>Sie kommt heran, ſie wird mich ſehn;</l><lb/> <l>Ich will mich in den Buſch verſtecken,</l><lb/> <l>Da ſeh’ ich ſie vorübergehn.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [36/0042]
Entſchluß.
Sie kommt in dieſe ſtillen Gründe,
Ich wag’ es heut mit kühnem Muth.
Was ſoll ich beben vor dem Kinde,
Das Niemand was zu leide thut?
Es grüſſen Alle ſie ſo gerne,
Ich geh’ vorbei und wag’ es nicht;
Und zu dem allerſchönſten Sterne
Erheb’ ich nie mein Angeſicht.
Die Blumen, die nach ihr ſich beugen,
Die Vögel mit dem Luſtgeſang,
Sie dürfen Liebe ihr bezeugen:
Warum iſt mir allein ſo bang?
Dem Himmel hab’ ich oft geklaget
In langen Nächten bitterlich:
Und habe nie vor ihr gewaget
Das Eine Wort: ich liebe dich!
Ich will mich lagern unter’m Baume,
Da wandelt täglich ſie vorbei;
Dann will ich reden als im Traume,
Wie ſie mein ſüßes Leben ſey.
Ich will — o wehe! welches Schrecken!
Sie kommt heran, ſie wird mich ſehn;
Ich will mich in den Buſch verſtecken,
Da ſeh’ ich ſie vorübergehn.
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