Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719.

Bild:
<< vorherige Seite

Das I. Capitul
gen, wenn man die langen und kurtzen Sylben mit
einander abwechseln lässet. Als gedachtem guten
Freunde nach dem Schmause der Kopff ziemlich we-
he that, schrieb er an seinen gewesenen Wirth folgen-
der Massen:

Mein Freund, erlaube mir, daß ich dir etwas klage,
Jch bin von gestern her anjetzo sterbens kranck;
Jch weiß nicht, ob das Bier den Kopff so eingenommen,
Daß er mir heute fast vom Leibe fallen will.
Der Toback hat vielleicht auch was contribuiret,
Jch weiß nicht, wo ich bin, und wo ich bleiben soll:
Kanst du mir einen Rath vor diese Schmertzen sagen,
So bin ich dir davor unendlich zugethan.
5. Nunmehro möchte ich auch gerne wis-
sen, was bey den Reimen zu mer-
cken ist:

Bald Anfangs muß man bey den Reimen wissen,
daß allemahl die gleichlautenden Sylben einen un-
terschiedenen Buchstaben vorher haben sollen.

Also wären diese Reime falsch:

Wohl dem, der andern gerne giebt,
Und sich dem Geitze nicht ergiebt.

Denn vor beyden Reimen gehet einerley Buchsta-
be, nemlich das G. vorher. Hingegen sind diese
Reime richtig:

Wohl dem, der andern gerne giebt,
Und arme Leute mehr, als seine Gelder liebt.

Denn da haben die Reime unterschiedene Buch-
staben vor sich hergehen, nemlich G. und L.

6. Wer-

Das I. Capitul
gen, wenn man die langen und kurtzen Sylben mit
einander abwechſeln laͤſſet. Als gedachtem guten
Freunde nach dem Schmauſe der Kopff ziemlich we-
he that, ſchrieb er an ſeinen geweſenen Wirth folgen-
der Maſſen:

Mein Freund, erlaube mir, daß ich dir etwas klage,
Jch bin von geſtern her anjetzo ſterbens kranck;
Jch weiß nicht, ob das Bier den Kopff ſo eingenommen,
Daß er mir heute faſt vom Leibe fallen will.
Der Toback hat vielleicht auch was contribuiret,
Jch weiß nicht, wo ich bin, und wo ich bleiben ſoll:
Kanſt du mir einen Rath vor dieſe Schmertzen ſagen,
So bin ich dir davor unendlich zugethan.
5. Nunmehro moͤchte ich auch gerne wiſ-
ſen, was bey den Reimen zu mer-
cken iſt:

Bald Anfangs muß man bey den Reimen wiſſen,
daß allemahl die gleichlautenden Sylben einen un-
terſchiedenen Buchſtaben vorher haben ſollen.

Alſo waͤren dieſe Reime falſch:

Wohl dem, der andern gerne giebt,
Und ſich dem Geitze nicht ergiebt.

Denn vor beyden Reimen gehet einerley Buchſta-
be, nemlich das G. vorher. Hingegen ſind dieſe
Reime richtig:

Wohl dem, der andern gerne giebt,
Und arme Leute mehr, als ſeine Gelder liebt.

Denn da haben die Reime unterſchiedene Buch-
ſtaben vor ſich hergehen, nemlich G. und L.

6. Wer-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0016" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das <hi rendition="#aq">I.</hi> Capitul</hi></fw><lb/>
gen, wenn man die langen und kurtzen Sylben mit<lb/>
einander abwech&#x017F;eln la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et. Als gedachtem guten<lb/>
Freunde nach dem Schmau&#x017F;e der Kopff ziemlich we-<lb/>
he that, &#x017F;chrieb er an &#x017F;einen gewe&#x017F;enen Wirth folgen-<lb/>
der Ma&#x017F;&#x017F;en:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Mein Freund, erlaube mir, daß ich dir etwas klage,</l><lb/>
            <l>Jch bin von ge&#x017F;tern her anjetzo &#x017F;terbens kranck;</l><lb/>
            <l>Jch weiß nicht, ob das Bier den Kopff &#x017F;o eingenommen,</l><lb/>
            <l>Daß er mir heute fa&#x017F;t vom Leibe fallen will.</l><lb/>
            <l>Der Toback hat vielleicht auch was <hi rendition="#aq">contribui</hi>ret,</l><lb/>
            <l>Jch weiß nicht, wo ich bin, und wo ich bleiben &#x017F;oll:</l><lb/>
            <l>Kan&#x017F;t du mir einen Rath vor die&#x017F;e Schmertzen &#x017F;agen,</l><lb/>
            <l>So bin ich dir davor unendlich zugethan.</l>
          </lg>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">5. Nunmehro mo&#x0364;chte ich auch gerne wi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, was bey den Reimen zu mer-<lb/>
cken i&#x017F;t:</hi> </head><lb/>
          <p>Bald Anfangs muß man bey den Reimen wi&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß allemahl die gleichlautenden Sylben einen un-<lb/>
ter&#x017F;chiedenen Buch&#x017F;taben vorher haben &#x017F;ollen.</p><lb/>
          <p>Al&#x017F;o wa&#x0364;ren die&#x017F;e Reime fal&#x017F;ch:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wohl dem, der andern gerne giebt,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;ich dem Geitze nicht ergiebt.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Denn vor beyden Reimen gehet einerley Buch&#x017F;ta-<lb/>
be, nemlich das G. vorher. Hingegen &#x017F;ind die&#x017F;e<lb/>
Reime richtig:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Wohl dem, der andern gerne giebt,</l><lb/>
            <l>Und arme Leute mehr, als &#x017F;eine Gelder liebt.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Denn da haben die Reime unter&#x017F;chiedene Buch-<lb/>
&#x017F;taben vor &#x017F;ich hergehen, nemlich G. und L.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">6. Wer-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[12/0016] Das I. Capitul gen, wenn man die langen und kurtzen Sylben mit einander abwechſeln laͤſſet. Als gedachtem guten Freunde nach dem Schmauſe der Kopff ziemlich we- he that, ſchrieb er an ſeinen geweſenen Wirth folgen- der Maſſen: Mein Freund, erlaube mir, daß ich dir etwas klage, Jch bin von geſtern her anjetzo ſterbens kranck; Jch weiß nicht, ob das Bier den Kopff ſo eingenommen, Daß er mir heute faſt vom Leibe fallen will. Der Toback hat vielleicht auch was contribuiret, Jch weiß nicht, wo ich bin, und wo ich bleiben ſoll: Kanſt du mir einen Rath vor dieſe Schmertzen ſagen, So bin ich dir davor unendlich zugethan. 5. Nunmehro moͤchte ich auch gerne wiſ- ſen, was bey den Reimen zu mer- cken iſt: Bald Anfangs muß man bey den Reimen wiſſen, daß allemahl die gleichlautenden Sylben einen un- terſchiedenen Buchſtaben vorher haben ſollen. Alſo waͤren dieſe Reime falſch: Wohl dem, der andern gerne giebt, Und ſich dem Geitze nicht ergiebt. Denn vor beyden Reimen gehet einerley Buchſta- be, nemlich das G. vorher. Hingegen ſind dieſe Reime richtig: Wohl dem, der andern gerne giebt, Und arme Leute mehr, als ſeine Gelder liebt. Denn da haben die Reime unterſchiedene Buch- ſtaben vor ſich hergehen, nemlich G. und L. 6. Wer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/16
Zitationshilfe: Uhse, Erdmann: Wohl-informirter Poët. 2. Aufl. Leipzig, 1719, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uhse_poet_1719/16>, abgerufen am 21.11.2024.