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[N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680.

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Der vollkommene
gen nicht löblich zuseyn/ in Betrachtung/
daß sie eine Wirckung einer guten Natur/
und einer tugendhafften Zuneigung ist. Es
ist gewiß/ daß sie jederman in den Schran-
cken der Schuldigkeit behält/ und daß wir
nicht von Frauen reden/ die ohne Zweiffel
dieser Passion mehr unterworffen sind als die
Männer/ sehen wir alle Tage/ daß die
Schamhafftigkeit den Gehorsam der bür-
gerlichen Gesetze sowohl als die Kriegs-
Zucht befördert.

Last uns doch auß Curiosität gedencken/
daß/ ob die Schamhafftigkeit wohl eine
Arth von Furcht ist/ sie doch nicht unterläst
die Leute roth zufärben/ da doch die Furcht
gemeiniglich eine blasse Farbe mittheilet.
Dieser Unterscheid kömmt daher/ daß in
der Furcht die Geister/ indem sie sich zurück
nach dem Hertzen ziehen/ umb solches zu-
verstärcken/ das Gesicht von den subtilen
Blutrinnungen/ welche sie gewohnet sind
mit sich fortzuschleppen/ entblöst lassen. Jn
der Schamhafftigkeit aber/ als wie wir uns
wolten verstecken vor Personen/ deren Ge-
genwart uns solche Verwirrung erwecket/
so schicket die Natur viel Geister in das Ge-
sicht/ welches der sichtbarste Theil ist/ umb

es

Der vollkommene
gen nicht loͤblich zuſeyn/ in Betrachtung/
daß ſie eine Wirckung einer guten Natur/
und einer tugendhafften Zuneigung iſt. Es
iſt gewiß/ daß ſie jederman in den Schran-
cken der Schuldigkeit behaͤlt/ und daß wir
nicht von Frauen reden/ die ohne Zweiffel
dieſer Paſſion mehr unterworffen ſind als die
Maͤnner/ ſehen wir alle Tage/ daß die
Schamhafftigkeit den Gehorſam der buͤr-
gerlichen Geſetze ſowohl als die Kriegs-
Zucht befoͤrdert.

Laſt uns doch auß Curioſitaͤt gedencken/
daß/ ob die Schamhafftigkeit wohl eine
Arth von Furcht iſt/ ſie doch nicht unterlaͤſt
die Leute roth zufaͤrben/ da doch die Furcht
gemeiniglich eine blaſſe Farbe mittheilet.
Dieſer Unterſcheid koͤmmt daher/ daß in
der Furcht die Geiſter/ indem ſie ſich zuruͤck
nach dem Hertzen ziehen/ umb ſolches zu-
verſtaͤrcken/ das Geſicht von den ſubtilen
Blutrinnungen/ welche ſie gewohnet ſind
mit ſich fortzuſchleppen/ entbloͤſt laſſen. Jn
der Schamhafftigkeit aber/ als wie wir uns
wolten verſtecken vor Perſonen/ deren Ge-
genwart uns ſolche Verwirrung erwecket/
ſo ſchicket die Natur viel Geiſter in das Ge-
ſicht/ welches der ſichtbarſte Theil iſt/ umb

es
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[90/0106] Der vollkommene gen nicht loͤblich zuſeyn/ in Betrachtung/ daß ſie eine Wirckung einer guten Natur/ und einer tugendhafften Zuneigung iſt. Es iſt gewiß/ daß ſie jederman in den Schran- cken der Schuldigkeit behaͤlt/ und daß wir nicht von Frauen reden/ die ohne Zweiffel dieſer Paſſion mehr unterworffen ſind als die Maͤnner/ ſehen wir alle Tage/ daß die Schamhafftigkeit den Gehorſam der buͤr- gerlichen Geſetze ſowohl als die Kriegs- Zucht befoͤrdert. Laſt uns doch auß Curioſitaͤt gedencken/ daß/ ob die Schamhafftigkeit wohl eine Arth von Furcht iſt/ ſie doch nicht unterlaͤſt die Leute roth zufaͤrben/ da doch die Furcht gemeiniglich eine blaſſe Farbe mittheilet. Dieſer Unterſcheid koͤmmt daher/ daß in der Furcht die Geiſter/ indem ſie ſich zuruͤck nach dem Hertzen ziehen/ umb ſolches zu- verſtaͤrcken/ das Geſicht von den ſubtilen Blutrinnungen/ welche ſie gewohnet ſind mit ſich fortzuſchleppen/ entbloͤſt laſſen. Jn der Schamhafftigkeit aber/ als wie wir uns wolten verſtecken vor Perſonen/ deren Ge- genwart uns ſolche Verwirrung erwecket/ ſo ſchicket die Natur viel Geiſter in das Ge- ſicht/ welches der ſichtbarſte Theil iſt/ umb es

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Zitationshilfe: [N. N.]: Der vollkommene rechtschaffene Welt-Mann. Frankfurt (Main), 1680, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unbekannt_weltmann_1680/106>, abgerufen am 24.11.2024.