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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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3 Abschn. der Nerven. Triebe. Leidenschaften.
eine Sammlung mancher Merkmale von der künftigen
Empfindung, das ist, eine unvollständige Empfindung mit
ihren sinnlichen Reizungen, ist. Hierdurch wird die See-
le bewogen, ihre Vorstellungskraft eigenmächtig, mit star-
kem Nachdrucke, anzuwenden, um diese vorhergesehene Em-
pfindung, (sie werden nun als das Gegentheil einer andern
betrachtet, oder nicht,) vollständig, das ist, nach allen übri-
gen, in der Vorhersehung fehlenden Merkmalen der wah-
ren Empfindung, hervorzubringen, und dadurch den Trieb
oder die Leidenschaft zu befriedigen, (die Vorhersehung der-
selben zu erfüllen) §. 81. welches doch, wenn es wahre äu-
ßerliche Empfindungen betrifft, ohne einen dazu kommen-
den äußern sinnlichen Eindruck in die Nerven, nicht gesche-
hen kann. Wenn wir dieses, nach §. 25. auf die thieri-
schen Verrichtungen anwenden, so entwickelt sich in thieri-
schen Körpern das Materielle eines sinnlichen Triebes oder
einer Leidenschaft also: Zuerst sind materielle äußere Em-
pfindungen, Einbildungen, oder andre sinnliche Vorstellun-
gen im Gehirne. Durch deren Veranlassung entsteht da-
selbst die materielle Jdee einer Vorhersehung und Erwar-
tung einer künftigen Empfindung, das ist, eine unvoll-
ständige materielle Empfindung, welche die Eindrücke der
Lust oder Unlust mit in sich enthält. Zu dieser gesellet sich
nun ein neuer Antrieb der thierischen Seelenkräfte des Ge-
hirns, um eben diese unvollständige materielle Empfin-
dung vollständig zu machen, entweder weil er aus dieser na-
türlich nothwendiger Weise folget, oder weil die Seele eigen-
mächtig den Vorsätz gefasset hat, und ihre Kraft dazu an-
strenget, ihre vorhergesehene unvollständige Empfindung zu
ergänzen. §. 89. Demnach wird, durch dieß Bestreben
der thierischen Seelenkraft des Gehirns, eine Bemühung
zur Hervorbringung der ganzen materiellen Empfindung,
wovon schon ein Theil wirklich da ist, angewendet, theils
um mehrere Theile derselben, zu welchen die Seele die Merk-
male in der Vorhersehung eigenmächtig hinzufügen kann,
hervorzubringen, theils um die schon vorhandenen Theile

dieser
G 2

3 Abſchn. der Nerven. Triebe. Leidenſchaften.
eine Sammlung mancher Merkmale von der kuͤnftigen
Empfindung, das iſt, eine unvollſtaͤndige Empfindung mit
ihren ſinnlichen Reizungen, iſt. Hierdurch wird die See-
le bewogen, ihre Vorſtellungskraft eigenmaͤchtig, mit ſtar-
kem Nachdrucke, anzuwenden, um dieſe vorhergeſehene Em-
pfindung, (ſie werden nun als das Gegentheil einer andern
betrachtet, oder nicht,) vollſtaͤndig, das iſt, nach allen uͤbri-
gen, in der Vorherſehung fehlenden Merkmalen der wah-
ren Empfindung, hervorzubringen, und dadurch den Trieb
oder die Leidenſchaft zu befriedigen, (die Vorherſehung der-
ſelben zu erfuͤllen) §. 81. welches doch, wenn es wahre aͤu-
ßerliche Empfindungen betrifft, ohne einen dazu kommen-
den aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven, nicht geſche-
hen kann. Wenn wir dieſes, nach §. 25. auf die thieri-
ſchen Verrichtungen anwenden, ſo entwickelt ſich in thieri-
ſchen Koͤrpern das Materielle eines ſinnlichen Triebes oder
einer Leidenſchaft alſo: Zuerſt ſind materielle aͤußere Em-
pfindungen, Einbildungen, oder andre ſinnliche Vorſtellun-
gen im Gehirne. Durch deren Veranlaſſung entſteht da-
ſelbſt die materielle Jdee einer Vorherſehung und Erwar-
tung einer kuͤnftigen Empfindung, das iſt, eine unvoll-
ſtaͤndige materielle Empfindung, welche die Eindruͤcke der
Luſt oder Unluſt mit in ſich enthaͤlt. Zu dieſer geſellet ſich
nun ein neuer Antrieb der thieriſchen Seelenkraͤfte des Ge-
hirns, um eben dieſe unvollſtaͤndige materielle Empfin-
dung vollſtaͤndig zu machen, entweder weil er aus dieſer na-
tuͤrlich nothwendiger Weiſe folget, oder weil die Seele eigen-
maͤchtig den Vorſaͤtz gefaſſet hat, und ihre Kraft dazu an-
ſtrenget, ihre vorhergeſehene unvollſtaͤndige Empfindung zu
ergaͤnzen. §. 89. Demnach wird, durch dieß Beſtreben
der thieriſchen Seelenkraft des Gehirns, eine Bemuͤhung
zur Hervorbringung der ganzen materiellen Empfindung,
wovon ſchon ein Theil wirklich da iſt, angewendet, theils
um mehrere Theile derſelben, zu welchen die Seele die Merk-
male in der Vorherſehung eigenmaͤchtig hinzufuͤgen kann,
hervorzubringen, theils um die ſchon vorhandenen Theile

dieſer
G 2
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[99/0123] 3 Abſchn. der Nerven. Triebe. Leidenſchaften. eine Sammlung mancher Merkmale von der kuͤnftigen Empfindung, das iſt, eine unvollſtaͤndige Empfindung mit ihren ſinnlichen Reizungen, iſt. Hierdurch wird die See- le bewogen, ihre Vorſtellungskraft eigenmaͤchtig, mit ſtar- kem Nachdrucke, anzuwenden, um dieſe vorhergeſehene Em- pfindung, (ſie werden nun als das Gegentheil einer andern betrachtet, oder nicht,) vollſtaͤndig, das iſt, nach allen uͤbri- gen, in der Vorherſehung fehlenden Merkmalen der wah- ren Empfindung, hervorzubringen, und dadurch den Trieb oder die Leidenſchaft zu befriedigen, (die Vorherſehung der- ſelben zu erfuͤllen) §. 81. welches doch, wenn es wahre aͤu- ßerliche Empfindungen betrifft, ohne einen dazu kommen- den aͤußern ſinnlichen Eindruck in die Nerven, nicht geſche- hen kann. Wenn wir dieſes, nach §. 25. auf die thieri- ſchen Verrichtungen anwenden, ſo entwickelt ſich in thieri- ſchen Koͤrpern das Materielle eines ſinnlichen Triebes oder einer Leidenſchaft alſo: Zuerſt ſind materielle aͤußere Em- pfindungen, Einbildungen, oder andre ſinnliche Vorſtellun- gen im Gehirne. Durch deren Veranlaſſung entſteht da- ſelbſt die materielle Jdee einer Vorherſehung und Erwar- tung einer kuͤnftigen Empfindung, das iſt, eine unvoll- ſtaͤndige materielle Empfindung, welche die Eindruͤcke der Luſt oder Unluſt mit in ſich enthaͤlt. Zu dieſer geſellet ſich nun ein neuer Antrieb der thieriſchen Seelenkraͤfte des Ge- hirns, um eben dieſe unvollſtaͤndige materielle Empfin- dung vollſtaͤndig zu machen, entweder weil er aus dieſer na- tuͤrlich nothwendiger Weiſe folget, oder weil die Seele eigen- maͤchtig den Vorſaͤtz gefaſſet hat, und ihre Kraft dazu an- ſtrenget, ihre vorhergeſehene unvollſtaͤndige Empfindung zu ergaͤnzen. §. 89. Demnach wird, durch dieß Beſtreben der thieriſchen Seelenkraft des Gehirns, eine Bemuͤhung zur Hervorbringung der ganzen materiellen Empfindung, wovon ſchon ein Theil wirklich da iſt, angewendet, theils um mehrere Theile derſelben, zu welchen die Seele die Merk- male in der Vorherſehung eigenmaͤchtig hinzufuͤgen kann, hervorzubringen, theils um die ſchon vorhandenen Theile dieſer G 2

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/123>, abgerufen am 21.11.2024.