Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An sich betr. hirn führen, so wird dieser äußere sinnliche Eindruck kei-ne materielle äußere Empfindung, also auch keine äußere Empfindung in der Seele hervorbringen: allein es wird eine eigenmächtige Vorstellung der Seele, die in diesem Ursprunge des Nerven im Gehirne ihren sinnlichen Ein- druck (ihre materielle Jdee) machet, die ihn herableitenden Nervenfaden, die unversehrt sind, gehörig reizen, und durch sie eine Seelenwirkung im Körper, (z. E. eine will- kührliche Bewegung,) hervorbringen können, das heißt: derselbe Nerve wird unempfindlich und doch nicht gelähmet seyn, sondern dem Willen zu Gebote stehen. Wie wäre es wohl möglich, diese beyden wahren Erscheinungen in der Natur auf irgend eine andre Weise zu erklären, wenn man nicht diese Verschiedenheit in den Faden eines und eben des- selben Nerven annimmt? Daß im Ursprunge der Nerven ihre verschiedenen Faden getheilet und von einander abge- sondert sind, das kann man bey manchen so gar deutlich sehen. "Die Nerven sind markigte Bündel, die bey ihrem "Ursprunge äußerst weich sind, und aus geradelienigten "gleichlaufenden Fasern bestehen, die aus dem Gehirne ent- "stehen, und vereiniget, gleichsam Schnuren ausmachen. "Diese Fasern sind zuweilen schon im Gehirne von einan- "der abgesondert." H. P. §. 356. Daß von diesen Ner- venfaden in ihrem Ursprunge die eine Art einen Fehler lei- den könne, den die andre Art nicht, oder den jede von bey- den Arten nur zum Theile leidet, ist aus der großen Men- ge unendlich kleiner Blutgefäße, die das ganze Gehirn durchdringen, und die kleinsten Nerven begleiten, wahr- scheinlich, indem in einigen derselben eine Aufschwellung, oder Stockung Statt finden kann, die in andern benach- barten nicht ist, und die also nur die ursprünglichen Punkte einiger Nervenfaden im Orte des Ursprungs eines Nerven zu ihren Verrichtungen untüchtig machen kann, indem sie sie z. E. zusammendrückt, entzündet, u. s. w. Hieraus und aus mehr andern Folgen, die mit den Beobachtungen übereinstimmen, und sich im folgenden beyläufig werden anzeigen
I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr. hirn fuͤhren, ſo wird dieſer aͤußere ſinnliche Eindruck kei-ne materielle aͤußere Empfindung, alſo auch keine aͤußere Empfindung in der Seele hervorbringen: allein es wird eine eigenmaͤchtige Vorſtellung der Seele, die in dieſem Urſprunge des Nerven im Gehirne ihren ſinnlichen Ein- druck (ihre materielle Jdee) machet, die ihn herableitenden Nervenfaden, die unverſehrt ſind, gehoͤrig reizen, und durch ſie eine Seelenwirkung im Koͤrper, (z. E. eine will- kuͤhrliche Bewegung,) hervorbringen koͤnnen, das heißt: derſelbe Nerve wird unempfindlich und doch nicht gelaͤhmet ſeyn, ſondern dem Willen zu Gebote ſtehen. Wie waͤre es wohl moͤglich, dieſe beyden wahren Erſcheinungen in der Natur auf irgend eine andre Weiſe zu erklaͤren, wenn man nicht dieſe Verſchiedenheit in den Faden eines und eben deſ- ſelben Nerven annimmt? Daß im Urſprunge der Nerven ihre verſchiedenen Faden getheilet und von einander abge- ſondert ſind, das kann man bey manchen ſo gar deutlich ſehen. „Die Nerven ſind markigte Buͤndel, die bey ihrem „Urſprunge aͤußerſt weich ſind, und aus geradelienigten „gleichlaufenden Faſern beſtehen, die aus dem Gehirne ent- „ſtehen, und vereiniget, gleichſam Schnuren ausmachen. „Dieſe Faſern ſind zuweilen ſchon im Gehirne von einan- „der abgeſondert.“ H. P. §. 356. Daß von dieſen Ner- venfaden in ihrem Urſprunge die eine Art einen Fehler lei- den koͤnne, den die andre Art nicht, oder den jede von bey- den Arten nur zum Theile leidet, iſt aus der großen Men- ge unendlich kleiner Blutgefaͤße, die das ganze Gehirn durchdringen, und die kleinſten Nerven begleiten, wahr- ſcheinlich, indem in einigen derſelben eine Aufſchwellung, oder Stockung Statt finden kann, die in andern benach- barten nicht iſt, und die alſo nur die urſpruͤnglichen Punkte einiger Nervenfaden im Orte des Urſprungs eines Nerven zu ihren Verrichtungen untuͤchtig machen kann, indem ſie ſie z. E. zuſammendruͤckt, entzuͤndet, u. ſ. w. Hieraus und aus mehr andern Folgen, die mit den Beobachtungen uͤbereinſtimmen, und ſich im folgenden beylaͤufig werden anzeigen
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I Th. Thier. Seelenkr. 2 Kap. An ſich betr.
hirn fuͤhren, ſo wird dieſer aͤußere ſinnliche Eindruck kei-
ne materielle aͤußere Empfindung, alſo auch keine aͤußere
Empfindung in der Seele hervorbringen: allein es wird
eine eigenmaͤchtige Vorſtellung der Seele, die in dieſem
Urſprunge des Nerven im Gehirne ihren ſinnlichen Ein-
druck (ihre materielle Jdee) machet, die ihn herableitenden
Nervenfaden, die unverſehrt ſind, gehoͤrig reizen, und
durch ſie eine Seelenwirkung im Koͤrper, (z. E. eine will-
kuͤhrliche Bewegung,) hervorbringen koͤnnen, das heißt:
derſelbe Nerve wird unempfindlich und doch nicht gelaͤhmet
ſeyn, ſondern dem Willen zu Gebote ſtehen. Wie waͤre
es wohl moͤglich, dieſe beyden wahren Erſcheinungen in der
Natur auf irgend eine andre Weiſe zu erklaͤren, wenn man
nicht dieſe Verſchiedenheit in den Faden eines und eben deſ-
ſelben Nerven annimmt? Daß im Urſprunge der Nerven
ihre verſchiedenen Faden getheilet und von einander abge-
ſondert ſind, das kann man bey manchen ſo gar deutlich
ſehen. „Die Nerven ſind markigte Buͤndel, die bey ihrem
„Urſprunge aͤußerſt weich ſind, und aus geradelienigten
„gleichlaufenden Faſern beſtehen, die aus dem Gehirne ent-
„ſtehen, und vereiniget, gleichſam Schnuren ausmachen.
„Dieſe Faſern ſind zuweilen ſchon im Gehirne von einan-
„der abgeſondert.“ H. P. §. 356. Daß von dieſen Ner-
venfaden in ihrem Urſprunge die eine Art einen Fehler lei-
den koͤnne, den die andre Art nicht, oder den jede von bey-
den Arten nur zum Theile leidet, iſt aus der großen Men-
ge unendlich kleiner Blutgefaͤße, die das ganze Gehirn
durchdringen, und die kleinſten Nerven begleiten, wahr-
ſcheinlich, indem in einigen derſelben eine Aufſchwellung,
oder Stockung Statt finden kann, die in andern benach-
barten nicht iſt, und die alſo nur die urſpruͤnglichen Punkte
einiger Nervenfaden im Orte des Urſprungs eines Nerven
zu ihren Verrichtungen untuͤchtig machen kann, indem ſie
ſie z. E. zuſammendruͤckt, entzuͤndet, u. ſ. w. Hieraus
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