unsre Sinnen fliehen, erkennen. Diese natürliche Schwie- rigkeit machet, daß man sich hier, wo übrigens alles für die Wahrheit der Sache spricht, mit solchen Spuren be- gnügen muß, die ohne die übrigen Gründe zusammenzu- nehmen, zum Beweise des Daseyns solcher Seelenwirkun- gen in den Nerven nur schwach und dunkel seyn würden.
§. 146.
Der sinnliche Eindruck der Vorstellungen ins Gehirn machet im Ursprunge eines jeden Nerven, in den er sinnlich wirket, eine Bewegung (der Lebensgeister) von oben herab, nach den Nervenspitzen hin, die empfinden. §. 122. Hier in diesen äußersten Spitzen der Nerven ist es, wo die Rich- tung dieser Bewegung entweder gänzlich umgewendet wird, oder aufhöret: (§. 126.) denn von da an machen die äußern sinnlichen Eindrücke eine umgekehrte Bewegung nach den Gehirn hin. Sollte also bey genauer Beobachtung der Nervenspitzen, zu der Zeit, wenn ein starker sinnlicher Ein- druck im Gehirne (eine starke sinnliche Vorstellung) diese Bewegung mit besondrer Heftigkeit gegen sie antreibt, dar- inn nicht einige Veränderung wahrgenommen werden kön- nen, die eine hinlängliche Spur einer Wirkung des gesche- henen innern sinnlichen Eindrucks wäre? Hiervon muß uns die Erfahrung unterrichten.
§. 147.
Wenn man bey starken sinnlichen Vorhersehungen, be- sonders in Trieben oder Leidenschaften, die Spitzen des Nerven, der empfinden soll, und in den also der innere sinnliche Eindruck der Vorhersehung wirket, §. 144. auf- merksam beobachtet, so wird man gewahr, daß sie sich et- was aufrichten und mehr hervorragen. So heben sich, wenn man die Zunge genau betrachtet, die Warzen oder Spitzen der Geschmacksnerven sichtbarlich in die Höhe, wenn man sich in die Crwartung und Begierde setzet, ein Stück Zucker oder Salz zu schmecken, das man der Zunge
nähert.
3 A. d. Nerv. Wirk. d. mat. Jd. insbeſondre.
unſre Sinnen fliehen, erkennen. Dieſe natuͤrliche Schwie- rigkeit machet, daß man ſich hier, wo uͤbrigens alles fuͤr die Wahrheit der Sache ſpricht, mit ſolchen Spuren be- gnuͤgen muß, die ohne die uͤbrigen Gruͤnde zuſammenzu- nehmen, zum Beweiſe des Daſeyns ſolcher Seelenwirkun- gen in den Nerven nur ſchwach und dunkel ſeyn wuͤrden.
§. 146.
Der ſinnliche Eindruck der Vorſtellungen ins Gehirn machet im Urſprunge eines jeden Nerven, in den er ſinnlich wirket, eine Bewegung (der Lebensgeiſter) von oben herab, nach den Nervenſpitzen hin, die empfinden. §. 122. Hier in dieſen aͤußerſten Spitzen der Nerven iſt es, wo die Rich- tung dieſer Bewegung entweder gaͤnzlich umgewendet wird, oder aufhoͤret: (§. 126.) denn von da an machen die aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke eine umgekehrte Bewegung nach den Gehirn hin. Sollte alſo bey genauer Beobachtung der Nervenſpitzen, zu der Zeit, wenn ein ſtarker ſinnlicher Ein- druck im Gehirne (eine ſtarke ſinnliche Vorſtellung) dieſe Bewegung mit beſondrer Heftigkeit gegen ſie antreibt, dar- inn nicht einige Veraͤnderung wahrgenommen werden koͤn- nen, die eine hinlaͤngliche Spur einer Wirkung des geſche- henen innern ſinnlichen Eindrucks waͤre? Hiervon muß uns die Erfahrung unterrichten.
§. 147.
Wenn man bey ſtarken ſinnlichen Vorherſehungen, be- ſonders in Trieben oder Leidenſchaften, die Spitzen des Nerven, der empfinden ſoll, und in den alſo der innere ſinnliche Eindruck der Vorherſehung wirket, §. 144. auf- merkſam beobachtet, ſo wird man gewahr, daß ſie ſich et- was aufrichten und mehr hervorragen. So heben ſich, wenn man die Zunge genau betrachtet, die Warzen oder Spitzen der Geſchmacksnerven ſichtbarlich in die Hoͤhe, wenn man ſich in die Crwartung und Begierde ſetzet, ein Stuͤck Zucker oder Salz zu ſchmecken, das man der Zunge
naͤhert.
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3 A. d. Nerv. Wirk. d. mat. Jd. insbeſondre.
unſre Sinnen fliehen, erkennen. Dieſe natuͤrliche Schwie-
rigkeit machet, daß man ſich hier, wo uͤbrigens alles fuͤr
die Wahrheit der Sache ſpricht, mit ſolchen Spuren be-
gnuͤgen muß, die ohne die uͤbrigen Gruͤnde zuſammenzu-
nehmen, zum Beweiſe des Daſeyns ſolcher Seelenwirkun-
gen in den Nerven nur ſchwach und dunkel ſeyn wuͤrden.
§. 146.
Der ſinnliche Eindruck der Vorſtellungen ins Gehirn
machet im Urſprunge eines jeden Nerven, in den er ſinnlich
wirket, eine Bewegung (der Lebensgeiſter) von oben herab,
nach den Nervenſpitzen hin, die empfinden. §. 122. Hier
in dieſen aͤußerſten Spitzen der Nerven iſt es, wo die Rich-
tung dieſer Bewegung entweder gaͤnzlich umgewendet wird,
oder aufhoͤret: (§. 126.) denn von da an machen die aͤußern
ſinnlichen Eindruͤcke eine umgekehrte Bewegung nach den
Gehirn hin. Sollte alſo bey genauer Beobachtung der
Nervenſpitzen, zu der Zeit, wenn ein ſtarker ſinnlicher Ein-
druck im Gehirne (eine ſtarke ſinnliche Vorſtellung) dieſe
Bewegung mit beſondrer Heftigkeit gegen ſie antreibt, dar-
inn nicht einige Veraͤnderung wahrgenommen werden koͤn-
nen, die eine hinlaͤngliche Spur einer Wirkung des geſche-
henen innern ſinnlichen Eindrucks waͤre? Hiervon muß
uns die Erfahrung unterrichten.
§. 147.
Wenn man bey ſtarken ſinnlichen Vorherſehungen, be-
ſonders in Trieben oder Leidenſchaften, die Spitzen des
Nerven, der empfinden ſoll, und in den alſo der innere
ſinnliche Eindruck der Vorherſehung wirket, §. 144. auf-
merkſam beobachtet, ſo wird man gewahr, daß ſie ſich et-
was aufrichten und mehr hervorragen. So heben ſich,
wenn man die Zunge genau betrachtet, die Warzen oder
Spitzen der Geſchmacksnerven ſichtbarlich in die Hoͤhe,
wenn man ſich in die Crwartung und Begierde ſetzet, ein
Stuͤck Zucker oder Salz zu ſchmecken, das man der Zunge
naͤhert.
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/165>, abgerufen am 26.11.2024.
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