Mit den unmittelbaren Seelenwirkungen der Einbil- dungen, §. 99. wovon bisher die Rede allein gewesen, ge- sellen sich oft, außer denen von zugleich vorhandenen wah- ren äußern Empfindungen und andern Einbildungen, die gar nicht zu ihnen gehören, §. 219. auch zufällige, §. 99. z. E. Vorhersehungen, die in ihnen einigen Grund haben, §. 73. Begierden, Triebe, Leidenschaften, § 99. ja auf noch entferntere Weise, §. 65. Ueberlegungen des Ver- standes und verständige Begierden und Verabscheuungen des Willens. Alle diese Seelenwirkungen, die mit denen von den Einbildungen entweder nur zugleich da sind, oder blos zufällig zusammenhängen, §. 97. muß man von den unmittelbaren der Einbildungen wohl unterscheiden. Ein Mensch ist gestern gelaufen. Jn der Nacht träumet ihn, daß er laufe, und er fängt an schnell Athem zu holen. Dieß ist die Seelenwirkung seiner Einbildung. Dabey denkt er ans Fallen, und schreyt: Dieß ist die Seelenwirkung sei- ner Vorhersehung. Er suchet sich aufzurichten, und strengt seine Muskeln dazu an. Dieß ist die Seelenwirkung ei- ner Begierde. Eben so lassen sich in den Beyspielen §. 223. 224. die Seelenwirkungen des Verstandes und des Willens von denen, der Einbildungen, die sie veranlassen, unterscheiden, wenn man annimmt, daß sie, statt der dor- tigen äußern Empfindungen, durch Einbildungen veran- lasset worden wären.
§. 236.
Weil zuweilen in Träumen, besonders bey Nachtwan- derern, und in der Verrückung, die Einbildungen von so großer Lebhaftigkeit sind, daß sie den äußern Empfindun- gen gleich kommen, zumal da sie bey solchen Personen ge- meiniglich zu unächten äußern Empfindungen §. 232. wer- den, und sie die meisten Erscheinungen, Gesichter und Blendwerke haben; §. 148. so bringen auch in solchen Fällen die Einbildungen eben solche Seelenwirkungen in
den
I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
§. 235.
Mit den unmittelbaren Seelenwirkungen der Einbil- dungen, §. 99. wovon bisher die Rede allein geweſen, ge- ſellen ſich oft, außer denen von zugleich vorhandenen wah- ren aͤußern Empfindungen und andern Einbildungen, die gar nicht zu ihnen gehoͤren, §. 219. auch zufaͤllige, §. 99. z. E. Vorherſehungen, die in ihnen einigen Grund haben, §. 73. Begierden, Triebe, Leidenſchaften, § 99. ja auf noch entferntere Weiſe, §. 65. Ueberlegungen des Ver- ſtandes und verſtaͤndige Begierden und Verabſcheuungen des Willens. Alle dieſe Seelenwirkungen, die mit denen von den Einbildungen entweder nur zugleich da ſind, oder blos zufaͤllig zuſammenhaͤngen, §. 97. muß man von den unmittelbaren der Einbildungen wohl unterſcheiden. Ein Menſch iſt geſtern gelaufen. Jn der Nacht traͤumet ihn, daß er laufe, und er faͤngt an ſchnell Athem zu holen. Dieß iſt die Seelenwirkung ſeiner Einbildung. Dabey denkt er ans Fallen, und ſchreyt: Dieß iſt die Seelenwirkung ſei- ner Vorherſehung. Er ſuchet ſich aufzurichten, und ſtrengt ſeine Muskeln dazu an. Dieß iſt die Seelenwirkung ei- ner Begierde. Eben ſo laſſen ſich in den Beyſpielen §. 223. 224. die Seelenwirkungen des Verſtandes und des Willens von denen, der Einbildungen, die ſie veranlaſſen, unterſcheiden, wenn man annimmt, daß ſie, ſtatt der dor- tigen aͤußern Empfindungen, durch Einbildungen veran- laſſet worden waͤren.
§. 236.
Weil zuweilen in Traͤumen, beſonders bey Nachtwan- derern, und in der Verruͤckung, die Einbildungen von ſo großer Lebhaftigkeit ſind, daß ſie den aͤußern Empfindun- gen gleich kommen, zumal da ſie bey ſolchen Perſonen ge- meiniglich zu unaͤchten aͤußern Empfindungen §. 232. wer- den, und ſie die meiſten Erſcheinungen, Geſichter und Blendwerke haben; §. 148. ſo bringen auch in ſolchen Faͤllen die Einbildungen eben ſolche Seelenwirkungen in
den
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I Th. Th. Seel. 3 Kap. Jhr Einfl. in den Mechan.
§. 235.
Mit den unmittelbaren Seelenwirkungen der Einbil-
dungen, §. 99. wovon bisher die Rede allein geweſen, ge-
ſellen ſich oft, außer denen von zugleich vorhandenen wah-
ren aͤußern Empfindungen und andern Einbildungen, die
gar nicht zu ihnen gehoͤren, §. 219. auch zufaͤllige, §. 99.
z. E. Vorherſehungen, die in ihnen einigen Grund haben,
§. 73. Begierden, Triebe, Leidenſchaften, § 99. ja auf
noch entferntere Weiſe, §. 65. Ueberlegungen des Ver-
ſtandes und verſtaͤndige Begierden und Verabſcheuungen
des Willens. Alle dieſe Seelenwirkungen, die mit denen
von den Einbildungen entweder nur zugleich da ſind, oder
blos zufaͤllig zuſammenhaͤngen, §. 97. muß man von den
unmittelbaren der Einbildungen wohl unterſcheiden. Ein
Menſch iſt geſtern gelaufen. Jn der Nacht traͤumet ihn,
daß er laufe, und er faͤngt an ſchnell Athem zu holen. Dieß
iſt die Seelenwirkung ſeiner Einbildung. Dabey denkt er
ans Fallen, und ſchreyt: Dieß iſt die Seelenwirkung ſei-
ner Vorherſehung. Er ſuchet ſich aufzurichten, und ſtrengt
ſeine Muskeln dazu an. Dieß iſt die Seelenwirkung ei-
ner Begierde. Eben ſo laſſen ſich in den Beyſpielen §.
223. 224. die Seelenwirkungen des Verſtandes und des
Willens von denen, der Einbildungen, die ſie veranlaſſen,
unterſcheiden, wenn man annimmt, daß ſie, ſtatt der dor-
tigen aͤußern Empfindungen, durch Einbildungen veran-
laſſet worden waͤren.
§. 236.
Weil zuweilen in Traͤumen, beſonders bey Nachtwan-
derern, und in der Verruͤckung, die Einbildungen von ſo
großer Lebhaftigkeit ſind, daß ſie den aͤußern Empfindun-
gen gleich kommen, zumal da ſie bey ſolchen Perſonen ge-
meiniglich zu unaͤchten aͤußern Empfindungen §. 232. wer-
den, und ſie die meiſten Erſcheinungen, Geſichter und
Blendwerke haben; §. 148. ſo bringen auch in ſolchen
Faͤllen die Einbildungen eben ſolche Seelenwirkungen in
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/240>, abgerufen am 22.11.2024.
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