Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.der sinnlichen Triebe. abstrahiren und die thierischen Seelenkräfte unwirksam zulassen, um die Süßigkeit der Ruhe zu empfinden, und dar- inn neue Kräfte zu sammlen, wie solches die Absicht des Schöpfers beym Triebe zur Ruhe, §. 265. und der Ge- genstand desselben beym Thiere ist, ohnerachtet es von die- sem seinem weitern Zwecke, nämlich seine Kräfte zu erneu- ren, nichts weiß. §. 266. Alles, was eine solche unan- genehme äußere Empfindung von Trägheit veranlasset, bringt die sinnliche Reizung zur Ruhe, und den Trieb, die Sehnsucht nach Ruhe, selbst hervor. Dergleichen Ver- anlassungen sind Strapazen, jede lange anhaltende Bewe- gung, das Meditiren und alles lange anhaltende Denken, Achtgeben, Reflecktiren und Abstrahiren, §. 77. Nah- rungsmittel und Arzneyen, welche die thierischen Seelen- kräfte im Gehirne hindern, z. E. Wein, Opium, zu star- ke Mahlzeiten, ein Druck im Gehirne, oder auf dasselbe, Vollblütigkeit, manche Gifte, und unzählige andre. Die sinnliche Reizung des Triebes zur Ruhe, nämlich die un- angenehme äußere Empfindung der Trägheit, äußert ihre Seelenwirkung in die Lebensbewegungen, §. 271. die da- von anfänglich fast bis zur Ohnmacht ermatten, im höhern Grade der Reizung aber sieberhaft werden, und diese See- lenwirkungen sind widernatürlich. §. 276. N. 4. H. P. §. 580. Jn so fern die sinnliche Reizung eine Vorhersehung der künftigen süßen Ruhe, als des Gegentheils der unan- genehmen Trägheit ist, äußert sie ihre Seelenwirkungen in den zu den thierischen Seelenkräften bestimmten Theilen dadurch, daß sie den künftigen Zustand ihrer Ruhe unvoll- ständig hervorbringt; §. 271. und eben in der Anstren- gung der thierischen Seelenkräfte, bey der Bemühung der Seele von allen äußern Empfindungen und eigenmächtigen Vorstellungen, so viel sie kann, zu abstrahiren, und da- durch auch alle deren Seelenwirkungen im Körper zu un- terbrechen, um den angenehmen Zustand der Ruhe voll- ständig zu empfinden, bestehen die Seelenwirkungen des Triebes zur Ruhe selbst, §. 272. so daß diejenigen Theile, welche S 3
der ſinnlichen Triebe. abſtrahiren und die thieriſchen Seelenkraͤfte unwirkſam zulaſſen, um die Suͤßigkeit der Ruhe zu empfinden, und dar- inn neue Kraͤfte zu ſammlen, wie ſolches die Abſicht des Schoͤpfers beym Triebe zur Ruhe, §. 265. und der Ge- genſtand deſſelben beym Thiere iſt, ohnerachtet es von die- ſem ſeinem weitern Zwecke, naͤmlich ſeine Kraͤfte zu erneu- ren, nichts weiß. §. 266. Alles, was eine ſolche unan- genehme aͤußere Empfindung von Traͤgheit veranlaſſet, bringt die ſinnliche Reizung zur Ruhe, und den Trieb, die Sehnſucht nach Ruhe, ſelbſt hervor. Dergleichen Ver- anlaſſungen ſind Strapazen, jede lange anhaltende Bewe- gung, das Meditiren und alles lange anhaltende Denken, Achtgeben, Reflecktiren und Abſtrahiren, §. 77. Nah- rungsmittel und Arzneyen, welche die thieriſchen Seelen- kraͤfte im Gehirne hindern, z. E. Wein, Opium, zu ſtar- ke Mahlzeiten, ein Druck im Gehirne, oder auf daſſelbe, Vollbluͤtigkeit, manche Gifte, und unzaͤhlige andre. Die ſinnliche Reizung des Triebes zur Ruhe, naͤmlich die un- angenehme aͤußere Empfindung der Traͤgheit, aͤußert ihre Seelenwirkung in die Lebensbewegungen, §. 271. die da- von anfaͤnglich faſt bis zur Ohnmacht ermatten, im hoͤhern Grade der Reizung aber ſieberhaft werden, und dieſe See- lenwirkungen ſind widernatuͤrlich. §. 276. N. 4. H. P. §. 580. Jn ſo fern die ſinnliche Reizung eine Vorherſehung der kuͤnftigen ſuͤßen Ruhe, als des Gegentheils der unan- genehmen Traͤgheit iſt, aͤußert ſie ihre Seelenwirkungen in den zu den thieriſchen Seelenkraͤften beſtimmten Theilen dadurch, daß ſie den kuͤnftigen Zuſtand ihrer Ruhe unvoll- ſtaͤndig hervorbringt; §. 271. und eben in der Anſtren- gung der thieriſchen Seelenkraͤfte, bey der Bemuͤhung der Seele von allen aͤußern Empfindungen und eigenmaͤchtigen Vorſtellungen, ſo viel ſie kann, zu abſtrahiren, und da- durch auch alle deren Seelenwirkungen im Koͤrper zu un- terbrechen, um den angenehmen Zuſtand der Ruhe voll- ſtaͤndig zu empfinden, beſtehen die Seelenwirkungen des Triebes zur Ruhe ſelbſt, §. 272. ſo daß diejenigen Theile, welche S 3
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der ſinnlichen Triebe.
abſtrahiren und die thieriſchen Seelenkraͤfte unwirkſam zu
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inn neue Kraͤfte zu ſammlen, wie ſolches die Abſicht des
Schoͤpfers beym Triebe zur Ruhe, §. 265. und der Ge-
genſtand deſſelben beym Thiere iſt, ohnerachtet es von die-
ſem ſeinem weitern Zwecke, naͤmlich ſeine Kraͤfte zu erneu-
ren, nichts weiß. §. 266. Alles, was eine ſolche unan-
genehme aͤußere Empfindung von Traͤgheit veranlaſſet,
bringt die ſinnliche Reizung zur Ruhe, und den Trieb, die
Sehnſucht nach Ruhe, ſelbſt hervor. Dergleichen Ver-
anlaſſungen ſind Strapazen, jede lange anhaltende Bewe-
gung, das Meditiren und alles lange anhaltende Denken,
Achtgeben, Reflecktiren und Abſtrahiren, §. 77. Nah-
rungsmittel und Arzneyen, welche die thieriſchen Seelen-
kraͤfte im Gehirne hindern, z. E. Wein, Opium, zu ſtar-
ke Mahlzeiten, ein Druck im Gehirne, oder auf daſſelbe,
Vollbluͤtigkeit, manche Gifte, und unzaͤhlige andre. Die
ſinnliche Reizung des Triebes zur Ruhe, naͤmlich die un-
angenehme aͤußere Empfindung der Traͤgheit, aͤußert ihre
Seelenwirkung in die Lebensbewegungen, §. 271. die da-
von anfaͤnglich faſt bis zur Ohnmacht ermatten, im hoͤhern
Grade der Reizung aber ſieberhaft werden, und dieſe See-
lenwirkungen ſind widernatuͤrlich. §. 276. N. 4. H. P. §.
580. Jn ſo fern die ſinnliche Reizung eine Vorherſehung
der kuͤnftigen ſuͤßen Ruhe, als des Gegentheils der unan-
genehmen Traͤgheit iſt, aͤußert ſie ihre Seelenwirkungen in
den zu den thieriſchen Seelenkraͤften beſtimmten Theilen
dadurch, daß ſie den kuͤnftigen Zuſtand ihrer Ruhe unvoll-
ſtaͤndig hervorbringt; §. 271. und eben in der Anſtren-
gung der thieriſchen Seelenkraͤfte, bey der Bemuͤhung der
Seele von allen aͤußern Empfindungen und eigenmaͤchtigen
Vorſtellungen, ſo viel ſie kann, zu abſtrahiren, und da-
durch auch alle deren Seelenwirkungen im Koͤrper zu un-
terbrechen, um den angenehmen Zuſtand der Ruhe voll-
ſtaͤndig zu empfinden, beſtehen die Seelenwirkungen des
Triebes zur Ruhe ſelbſt, §. 272. ſo daß diejenigen Theile,
welche
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