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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Kap. Die thierischen Maschinen überhaupt.
"gen? Dieses ist sehr wahrscheinlich: denn es scheint nicht,
"daß der Ursprung der Bewegungen weiter unten, als der
"Ursprung der nervigten Faser seyn könne; weil man sonst
"ohne Grund diesen oder jenen unbeweglichen und unem-
"pfindlichen Theil des Nerven annehmen müßte, der dem
"übrigen Theile der Nerven völlig ähnlich ist. Der Ur-
"sprung der Bewegung kann auch nicht oberwärts des An-
"fanges der nervigten Faser in die Schlagader gesetzt wer-
"den, da die Schlagadern weder empfinden, noch sich
"durch den freyen Willen bewegen lassen. Es folgt also,
"daß die Seele an dem Orte ihren Sitz habe, wo die ner-
"vigte Faser ihren ersten Anfang nimmt." H. P. §. 372.
Einem Arzte kann es hinlänglich seyn, zu wissen, daß die
Vorstellungskraft nirgend anderswo, als im Gehirn-
marke wohne.

§. 11.

Das Gehirn ist die Werkstatt der Lebensgeister,
(wovon unten §. 15. N. 1.) "Es scheint gewiß zu seyn,
"daß sich aus den Gefäßen des grauen Theils des Ge-
"hirns
ein solches flüssiges Wesen in die hohlen Röhren des
"Marks absondre, das in den nervigten Röhren bis in die
"äußersten Enden der Nerven getrieben wird, und den
"Grund enthält, wie die Nerven Werkzeuge der Sinnen
"und Bewegungen seyn können." H. P. §. 383. Es ist
also der graue Theil des Gehirns, oder die Markrinde,
die eigentliche Absonderungsmaschine der Lebensgeister, da-
hingegen das eigentliche Gehirnmark der besondre Sitz
der thierischen Seelenkräfte seyn muß. "Was den Bau
"der Markrinde betrifft, so kann man schon mit dem blos-
"sen Auge darinn viele Gesäße entdecken, welche sich aus
"der dünnen Hirnhaut in sie hineinwerfen. -- Doch man
"sieht deren viel mehrere und deutlicher, durch das Aus-
"spritzen der Gefäße des Gehirns, und in diesem Falle
"scheint es, daß sehr zarte und zahlreiche Gefäßchen, die
"wie ein zartes Flockwerk, aussehen, fast die ganze Rinde

"ausma-

1 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt.
„gen? Dieſes iſt ſehr wahrſcheinlich: denn es ſcheint nicht,
„daß der Urſprung der Bewegungen weiter unten, als der
„Urſprung der nervigten Faſer ſeyn koͤnne; weil man ſonſt
„ohne Grund dieſen oder jenen unbeweglichen und unem-
„pfindlichen Theil des Nerven annehmen muͤßte, der dem
„uͤbrigen Theile der Nerven voͤllig aͤhnlich iſt. Der Ur-
„ſprung der Bewegung kann auch nicht oberwaͤrts des An-
„fanges der nervigten Faſer in die Schlagader geſetzt wer-
„den, da die Schlagadern weder empfinden, noch ſich
„durch den freyen Willen bewegen laſſen. Es folgt alſo,
„daß die Seele an dem Orte ihren Sitz habe, wo die ner-
„vigte Faſer ihren erſten Anfang nimmt.“ H. P. §. 372.
Einem Arzte kann es hinlaͤnglich ſeyn, zu wiſſen, daß die
Vorſtellungskraft nirgend anderswo, als im Gehirn-
marke wohne.

§. 11.

Das Gehirn iſt die Werkſtatt der Lebensgeiſter,
(wovon unten §. 15. N. 1.) „Es ſcheint gewiß zu ſeyn,
„daß ſich aus den Gefaͤßen des grauen Theils des Ge-
„hirns
ein ſolches fluͤſſiges Weſen in die hohlen Roͤhren des
Marks abſondre, das in den nervigten Roͤhren bis in die
„aͤußerſten Enden der Nerven getrieben wird, und den
„Grund enthaͤlt, wie die Nerven Werkzeuge der Sinnen
„und Bewegungen ſeyn koͤnnen.“ H. P. §. 383. Es iſt
alſo der graue Theil des Gehirns, oder die Markrinde,
die eigentliche Abſonderungsmaſchine der Lebensgeiſter, da-
hingegen das eigentliche Gehirnmark der beſondre Sitz
der thieriſchen Seelenkraͤfte ſeyn muß. „Was den Bau
„der Markrinde betrifft, ſo kann man ſchon mit dem bloſ-
„ſen Auge darinn viele Geſaͤße entdecken, welche ſich aus
„der duͤnnen Hirnhaut in ſie hineinwerfen. — Doch man
„ſieht deren viel mehrere und deutlicher, durch das Aus-
„ſpritzen der Gefaͤße des Gehirns, und in dieſem Falle
„ſcheint es, daß ſehr zarte und zahlreiche Gefaͤßchen, die
„wie ein zartes Flockwerk, ausſehen, faſt die ganze Rinde

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[13/0037] 1 Kap. Die thieriſchen Maſchinen uͤberhaupt. „gen? Dieſes iſt ſehr wahrſcheinlich: denn es ſcheint nicht, „daß der Urſprung der Bewegungen weiter unten, als der „Urſprung der nervigten Faſer ſeyn koͤnne; weil man ſonſt „ohne Grund dieſen oder jenen unbeweglichen und unem- „pfindlichen Theil des Nerven annehmen muͤßte, der dem „uͤbrigen Theile der Nerven voͤllig aͤhnlich iſt. Der Ur- „ſprung der Bewegung kann auch nicht oberwaͤrts des An- „fanges der nervigten Faſer in die Schlagader geſetzt wer- „den, da die Schlagadern weder empfinden, noch ſich „durch den freyen Willen bewegen laſſen. Es folgt alſo, „daß die Seele an dem Orte ihren Sitz habe, wo die ner- „vigte Faſer ihren erſten Anfang nimmt.“ H. P. §. 372. Einem Arzte kann es hinlaͤnglich ſeyn, zu wiſſen, daß die Vorſtellungskraft nirgend anderswo, als im Gehirn- marke wohne. §. 11. Das Gehirn iſt die Werkſtatt der Lebensgeiſter, (wovon unten §. 15. N. 1.) „Es ſcheint gewiß zu ſeyn, „daß ſich aus den Gefaͤßen des grauen Theils des Ge- „hirns ein ſolches fluͤſſiges Weſen in die hohlen Roͤhren des „Marks abſondre, das in den nervigten Roͤhren bis in die „aͤußerſten Enden der Nerven getrieben wird, und den „Grund enthaͤlt, wie die Nerven Werkzeuge der Sinnen „und Bewegungen ſeyn koͤnnen.“ H. P. §. 383. Es iſt alſo der graue Theil des Gehirns, oder die Markrinde, die eigentliche Abſonderungsmaſchine der Lebensgeiſter, da- hingegen das eigentliche Gehirnmark der beſondre Sitz der thieriſchen Seelenkraͤfte ſeyn muß. „Was den Bau „der Markrinde betrifft, ſo kann man ſchon mit dem bloſ- „ſen Auge darinn viele Geſaͤße entdecken, welche ſich aus „der duͤnnen Hirnhaut in ſie hineinwerfen. — Doch man „ſieht deren viel mehrere und deutlicher, durch das Aus- „ſpritzen der Gefaͤße des Gehirns, und in dieſem Falle „ſcheint es, daß ſehr zarte und zahlreiche Gefaͤßchen, die „wie ein zartes Flockwerk, ausſehen, faſt die ganze Rinde „ausma-

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/37>, abgerufen am 28.04.2024.