stellungen hervorbringen, auch durch die sinnlichen Ein- drücke, in so fern sie nicht von Vorstellungen herrühren, hervorgebracht werden können? Wir werden zuerst aus der Erfahrung überhaupt zeigen, daß dieses in der Natur häufig geschehe, und alsdann die Natur und Beschaffen- heit, Bedingungen und Gesetze dieser besondern thierischen Kräfte, und wie sie mit den thierischen Seelenkräften in Gemeinschaft wirken, untersuchen.
§. 357.
Wenn ein Nerve, der von gewissen äußern sinnlichen Eindrücken, die empfunden werden, zur Hervorbringung gewisser thierischer Bewegungen im Körper gereizet zu wer- den pfleget, mit dem Sitze der Vorstellungskraft, dem Ge- hirne, außer allen Zusammenhang gesetzet, z. E. abge- bunden, abgeschnitten, oder gar der Kopf des Thieres gänz- lich vom Körper getrennet wird; so verursachen doch, wie unstreitige Erfahrungen lehren, so lange als nur noch eini- ge Spuren des thierischen Lebens in dem getrennten Theile übrig sind, eben dieselben äußern sinnlichen Eindrücke, vom Punkte des Eindrucks an bis zum Punkte der Trennung, eben den Reiz zu denselbigen thierischen Bewegungen und bringen dieselben auch wirklich hervor, obgleich in solchem Falle der äußere sinnliche Eindruck nicht bis zum Gehirn aufsteigen, sondern nur bis zum Punkt der Trennung ge- langen, §. 31. mithin auch keine materiellen äußern Em- pfindungen im Gehirne erregen, noch von der Seele em- pfunden werden kann. §. 46. N. 2. Dieß ist der erste von den allgemeinen Erfahrungssätzen, auf welchen alles beru- het, was in diesem Theile der Physiologie der thierischen Natur gelehret werden wird. Der Versuch gelingt unzäh- ligemal mit den mannichfaltigsten äußern sinnlichen Ein- drücken in den verschiedensten Nerven, wo es nur die Na- tur der Sache an sich selbst gestattet, daß er gelingen kann, und er würde noch seltner außen bleiben, wenn nicht in man- chen Fällen durch die Trennung des Haupts oder Gehirns
das
II Th. Nervenkraͤfte.
ſtellungen hervorbringen, auch durch die ſinnlichen Ein- druͤcke, in ſo fern ſie nicht von Vorſtellungen herruͤhren, hervorgebracht werden koͤnnen? Wir werden zuerſt aus der Erfahrung uͤberhaupt zeigen, daß dieſes in der Natur haͤufig geſchehe, und alsdann die Natur und Beſchaffen- heit, Bedingungen und Geſetze dieſer beſondern thieriſchen Kraͤfte, und wie ſie mit den thieriſchen Seelenkraͤften in Gemeinſchaft wirken, unterſuchen.
§. 357.
Wenn ein Nerve, der von gewiſſen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken, die empfunden werden, zur Hervorbringung gewiſſer thieriſcher Bewegungen im Koͤrper gereizet zu wer- den pfleget, mit dem Sitze der Vorſtellungskraft, dem Ge- hirne, außer allen Zuſammenhang geſetzet, z. E. abge- bunden, abgeſchnitten, oder gar der Kopf des Thieres gaͤnz- lich vom Koͤrper getrennet wird; ſo verurſachen doch, wie unſtreitige Erfahrungen lehren, ſo lange als nur noch eini- ge Spuren des thieriſchen Lebens in dem getrennten Theile uͤbrig ſind, eben dieſelben aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, vom Punkte des Eindrucks an bis zum Punkte der Trennung, eben den Reiz zu denſelbigen thieriſchen Bewegungen und bringen dieſelben auch wirklich hervor, obgleich in ſolchem Falle der aͤußere ſinnliche Eindruck nicht bis zum Gehirn aufſteigen, ſondern nur bis zum Punkt der Trennung ge- langen, §. 31. mithin auch keine materiellen aͤußern Em- pfindungen im Gehirne erregen, noch von der Seele em- pfunden werden kann. §. 46. N. 2. Dieß iſt der erſte von den allgemeinen Erfahrungsſaͤtzen, auf welchen alles beru- het, was in dieſem Theile der Phyſiologie der thieriſchen Natur gelehret werden wird. Der Verſuch gelingt unzaͤh- ligemal mit den mannichfaltigſten aͤußern ſinnlichen Ein- druͤcken in den verſchiedenſten Nerven, wo es nur die Na- tur der Sache an ſich ſelbſt geſtattet, daß er gelingen kann, und er wuͤrde noch ſeltner außen bleiben, wenn nicht in man- chen Faͤllen durch die Trennung des Haupts oder Gehirns
das
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II Th. Nervenkraͤfte.
ſtellungen hervorbringen, auch durch die ſinnlichen Ein-
druͤcke, in ſo fern ſie nicht von Vorſtellungen herruͤhren,
hervorgebracht werden koͤnnen? Wir werden zuerſt aus
der Erfahrung uͤberhaupt zeigen, daß dieſes in der Natur
haͤufig geſchehe, und alsdann die Natur und Beſchaffen-
heit, Bedingungen und Geſetze dieſer beſondern thieriſchen
Kraͤfte, und wie ſie mit den thieriſchen Seelenkraͤften in
Gemeinſchaft wirken, unterſuchen.
§. 357.
Wenn ein Nerve, der von gewiſſen aͤußern ſinnlichen
Eindruͤcken, die empfunden werden, zur Hervorbringung
gewiſſer thieriſcher Bewegungen im Koͤrper gereizet zu wer-
den pfleget, mit dem Sitze der Vorſtellungskraft, dem Ge-
hirne, außer allen Zuſammenhang geſetzet, z. E. abge-
bunden, abgeſchnitten, oder gar der Kopf des Thieres gaͤnz-
lich vom Koͤrper getrennet wird; ſo verurſachen doch, wie
unſtreitige Erfahrungen lehren, ſo lange als nur noch eini-
ge Spuren des thieriſchen Lebens in dem getrennten Theile
uͤbrig ſind, eben dieſelben aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, vom
Punkte des Eindrucks an bis zum Punkte der Trennung,
eben den Reiz zu denſelbigen thieriſchen Bewegungen und
bringen dieſelben auch wirklich hervor, obgleich in ſolchem
Falle der aͤußere ſinnliche Eindruck nicht bis zum Gehirn
aufſteigen, ſondern nur bis zum Punkt der Trennung ge-
langen, §. 31. mithin auch keine materiellen aͤußern Em-
pfindungen im Gehirne erregen, noch von der Seele em-
pfunden werden kann. §. 46. N. 2. Dieß iſt der erſte von
den allgemeinen Erfahrungsſaͤtzen, auf welchen alles beru-
het, was in dieſem Theile der Phyſiologie der thieriſchen
Natur gelehret werden wird. Der Verſuch gelingt unzaͤh-
ligemal mit den mannichfaltigſten aͤußern ſinnlichen Ein-
druͤcken in den verſchiedenſten Nerven, wo es nur die Na-
tur der Sache an ſich ſelbſt geſtattet, daß er gelingen kann,
und er wuͤrde noch ſeltner außen bleiben, wenn nicht in man-
chen Faͤllen durch die Trennung des Haupts oder Gehirns
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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