zug der Muskelfaser den Einfluß des Nerven in sie, bey ihren thierischen Bewegungen nicht aus, und beweist nichts für die ursprüngliche thierische Kraft der Muskelfaser. Bey allen äußern Empfindungen und bey allen willkührlichen Vorstellungen, wo es gewiß und unläugbar der Nerve ist, welcher eine thierische Bewegung des Muskels hervorbringt, H. P. §. 403. mangelt dem Nerven immer das reizbare Wesen der Muskelfaser, das heißt, die Fähigkeit von einer Berührung sich selbst sichtbar zu bewegen, und gleichwohl hat es der Muskel in solchem Falle gewiß blos durch ihn. Die Triebfeder einer Uhr wirket durch eine unsichtbare Be- wegung die sichtbare der Räder. Kann man um deswillen wohl den Rädern die ursprüngliche Kraft beylegen, die sie in Bewegung setzet?
§. 384.
2. "Es läßt sich nicht beweisen, daß aus so wenigen "Nerven, als sich in einem Muskel verlieren, so viele Fa- "sern entspringen sollten, als die Muskeln haben. H. P. §. "407. Also kann man die Muskelfasern nicht für Fortse- "tzungen des Nerven halten, die um deswillen sinnlicher "Eindrücke fähig wären; sondern die Fähigkeit sich von ei- "nem Reize thierisch zu bewegen, muß der Muskelfaser an "sich eigen seyn."
Man hat aber gar nicht nöthig anzunehmen, daß die Muskelfasern aus Nervenfasern bestünden, ja die ersten würden, wenn dem so wäre, eben so wenig zu sichtbaren thierischen Bewegungen von einem Reize vermögend seyn, als die letzten. Es ist genug, daß sich die Substanz des Nerven in der ganzen Substanz des Muskels ausbreitet, da jede Muskelfaser in jedem Punkte, den nur eine Nadel- spitze berühret, empfindlich ist. §. 34. 35. Es mag auch seyn, wie Herr v. Haller meynet, H. P. §. 408. daß der Nervensaft, der sich in den Muskel ergießt, den Mus- kelfasern diese Reizbarkeit, dieses Vermögen, sich thierisch zu bewegen, mittheile; so kömmt es ihnen doch nicht ur-
sprüng-
II Th. Nervenkraͤfte.
zug der Muskelfaſer den Einfluß des Nerven in ſie, bey ihren thieriſchen Bewegungen nicht aus, und beweiſt nichts fuͤr die urſpruͤngliche thieriſche Kraft der Muskelfaſer. Bey allen aͤußern Empfindungen und bey allen willkuͤhrlichen Vorſtellungen, wo es gewiß und unlaͤugbar der Nerve iſt, welcher eine thieriſche Bewegung des Muskels hervorbringt, H. P. §. 403. mangelt dem Nerven immer das reizbare Weſen der Muskelfaſer, das heißt, die Faͤhigkeit von einer Beruͤhrung ſich ſelbſt ſichtbar zu bewegen, und gleichwohl hat es der Muskel in ſolchem Falle gewiß blos durch ihn. Die Triebfeder einer Uhr wirket durch eine unſichtbare Be- wegung die ſichtbare der Raͤder. Kann man um deswillen wohl den Raͤdern die urſpruͤngliche Kraft beylegen, die ſie in Bewegung ſetzet?
§. 384.
2. „Es laͤßt ſich nicht beweiſen, daß aus ſo wenigen „Nerven, als ſich in einem Muskel verlieren, ſo viele Fa- „ſern entſpringen ſollten, als die Muskeln haben. H. P. §. „407. Alſo kann man die Muskelfaſern nicht fuͤr Fortſe- „tzungen des Nerven halten, die um deswillen ſinnlicher „Eindruͤcke faͤhig waͤren; ſondern die Faͤhigkeit ſich von ei- „nem Reize thieriſch zu bewegen, muß der Muskelfaſer an „ſich eigen ſeyn.“
Man hat aber gar nicht noͤthig anzunehmen, daß die Muskelfaſern aus Nervenfaſern beſtuͤnden, ja die erſten wuͤrden, wenn dem ſo waͤre, eben ſo wenig zu ſichtbaren thieriſchen Bewegungen von einem Reize vermoͤgend ſeyn, als die letzten. Es iſt genug, daß ſich die Subſtanz des Nerven in der ganzen Subſtanz des Muskels ausbreitet, da jede Muskelfaſer in jedem Punkte, den nur eine Nadel- ſpitze beruͤhret, empfindlich iſt. §. 34. 35. Es mag auch ſeyn, wie Herr v. Haller meynet, H. P. §. 408. daß der Nervenſaft, der ſich in den Muskel ergießt, den Mus- kelfaſern dieſe Reizbarkeit, dieſes Vermoͤgen, ſich thieriſch zu bewegen, mittheile; ſo koͤmmt es ihnen doch nicht ur-
ſpruͤng-
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II Th. Nervenkraͤfte.
zug der Muskelfaſer den Einfluß des Nerven in ſie, bey
ihren thieriſchen Bewegungen nicht aus, und beweiſt nichts
fuͤr die urſpruͤngliche thieriſche Kraft der Muskelfaſer. Bey
allen aͤußern Empfindungen und bey allen willkuͤhrlichen
Vorſtellungen, wo es gewiß und unlaͤugbar der Nerve iſt,
welcher eine thieriſche Bewegung des Muskels hervorbringt,
H. P. §. 403. mangelt dem Nerven immer das reizbare
Weſen der Muskelfaſer, das heißt, die Faͤhigkeit von einer
Beruͤhrung ſich ſelbſt ſichtbar zu bewegen, und gleichwohl
hat es der Muskel in ſolchem Falle gewiß blos durch ihn.
Die Triebfeder einer Uhr wirket durch eine unſichtbare Be-
wegung die ſichtbare der Raͤder. Kann man um deswillen
wohl den Raͤdern die urſpruͤngliche Kraft beylegen, die ſie
in Bewegung ſetzet?
§. 384.
2. „Es laͤßt ſich nicht beweiſen, daß aus ſo wenigen
„Nerven, als ſich in einem Muskel verlieren, ſo viele Fa-
„ſern entſpringen ſollten, als die Muskeln haben. H. P. §.
„407. Alſo kann man die Muskelfaſern nicht fuͤr Fortſe-
„tzungen des Nerven halten, die um deswillen ſinnlicher
„Eindruͤcke faͤhig waͤren; ſondern die Faͤhigkeit ſich von ei-
„nem Reize thieriſch zu bewegen, muß der Muskelfaſer an
„ſich eigen ſeyn.“
Man hat aber gar nicht noͤthig anzunehmen, daß die
Muskelfaſern aus Nervenfaſern beſtuͤnden, ja die erſten
wuͤrden, wenn dem ſo waͤre, eben ſo wenig zu ſichtbaren
thieriſchen Bewegungen von einem Reize vermoͤgend ſeyn,
als die letzten. Es iſt genug, daß ſich die Subſtanz des
Nerven in der ganzen Subſtanz des Muskels ausbreitet,
da jede Muskelfaſer in jedem Punkte, den nur eine Nadel-
ſpitze beruͤhret, empfindlich iſt. §. 34. 35. Es mag auch
ſeyn, wie Herr v. Haller meynet, H. P. §. 408. daß
der Nervenſaft, der ſich in den Muskel ergießt, den Mus-
kelfaſern dieſe Reizbarkeit, dieſes Vermoͤgen, ſich thieriſch
zu bewegen, mittheile; ſo koͤmmt es ihnen doch nicht ur-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/406>, abgerufen am 22.11.2024.
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