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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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1 Kap. Die Nervenkräfte überhaupt.
sie sich in mechanische Maschinen vertheilen, diese Maschi-
nen in jedem Falle, der Eindruck mag zum Gehirn gelan-
gen und empfunden werden, oder nicht, auf einerley Weise
thierisch bewegen. §. 364. N. 3. Solchemnach ist dieß
Gefühl, ob es gleich die äußern Empfindungen hervor-
bringt, nicht in der Seele, es ist keine Vorstellung, keine
Empfindung; sondern außerhalb der Seele in den Nerven,
§. 98. N. 1. und zwar von dem Punkte der Berührung
des Nerven an, zwischen ihm und dem Ursprunge desselben
im Gehirne, welchen Weg es, wenn es nicht gehindert
wird, aufwärts durchgeht, §. 31. 32. und den Muskeln,
die von diesem Nerven, oder seinen Zweigen, oder auch
von andern Nerven, die dieß Gefühl dieses Nerven sinn-
lich mit rühret, durchdrungen werden, wofern es nicht ent-
weder natürliche oder fremde Hindernisse wehren, thierische
Bewegungen giebt. §. 201. 364. N. 3. Es ist also auch
keine Seelenwirkung, §. 97. sondern eine den Nerven an-
erschaffene und ihnen eigne, von der Vorstellungskraft un-
abhängliche, Eigenschaft, von einer Rührung ihres Marks
in diese wundervolle Regung zu gerathen, die keinem an-
dern Körper, keiner blos mechanischen Maschine zukömmt,
und ganz von den physischen und mechanischen Gesetzen der
Bewegung abweicht, §. 32. die ins Gehirn dringt, die
Seele zu Empfindungen erwecket, und im gleichen Augen-
blicke die Maschinen des Körpers auf eine Art in Bewe-
gung setzet, wie es keine andre Kraft in der Natur zu thun
vermag.

Anmerkung. Mit wie vielem Rechte verdienet
nicht eine so wichtige thierische Kraft ihren besondern
Namen, um sie von der Empfindlichkeit, die blos zur
Seele gehöret, und von den physischen und mechanischen
Kräften der todten Maschinen zu unterscheiden. Jch
hatte sie, aus den §. 402. angeführten Gründen, das
Gefühl der Nerven genennet, welches sie besitzen
könnten, und das auch seine Wirkungen in die mechani-
schen Maschinen völlig äußerte, sie möchten nun zugleich

Empfind-
C c

1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt.
ſie ſich in mechaniſche Maſchinen vertheilen, dieſe Maſchi-
nen in jedem Falle, der Eindruck mag zum Gehirn gelan-
gen und empfunden werden, oder nicht, auf einerley Weiſe
thieriſch bewegen. §. 364. N. 3. Solchemnach iſt dieß
Gefuͤhl, ob es gleich die aͤußern Empfindungen hervor-
bringt, nicht in der Seele, es iſt keine Vorſtellung, keine
Empfindung; ſondern außerhalb der Seele in den Nerven,
§. 98. N. 1. und zwar von dem Punkte der Beruͤhrung
des Nerven an, zwiſchen ihm und dem Urſprunge deſſelben
im Gehirne, welchen Weg es, wenn es nicht gehindert
wird, aufwaͤrts durchgeht, §. 31. 32. und den Muskeln,
die von dieſem Nerven, oder ſeinen Zweigen, oder auch
von andern Nerven, die dieß Gefuͤhl dieſes Nerven ſinn-
lich mit ruͤhret, durchdrungen werden, wofern es nicht ent-
weder natuͤrliche oder fremde Hinderniſſe wehren, thieriſche
Bewegungen giebt. §. 201. 364. N. 3. Es iſt alſo auch
keine Seelenwirkung, §. 97. ſondern eine den Nerven an-
erſchaffene und ihnen eigne, von der Vorſtellungskraft un-
abhaͤngliche, Eigenſchaft, von einer Ruͤhrung ihres Marks
in dieſe wundervolle Regung zu gerathen, die keinem an-
dern Koͤrper, keiner blos mechaniſchen Maſchine zukoͤmmt,
und ganz von den phyſiſchen und mechaniſchen Geſetzen der
Bewegung abweicht, §. 32. die ins Gehirn dringt, die
Seele zu Empfindungen erwecket, und im gleichen Augen-
blicke die Maſchinen des Koͤrpers auf eine Art in Bewe-
gung ſetzet, wie es keine andre Kraft in der Natur zu thun
vermag.

Anmerkung. Mit wie vielem Rechte verdienet
nicht eine ſo wichtige thieriſche Kraft ihren beſondern
Namen, um ſie von der Empfindlichkeit, die blos zur
Seele gehoͤret, und von den phyſiſchen und mechaniſchen
Kraͤften der todten Maſchinen zu unterſcheiden. Jch
hatte ſie, aus den §. 402. angefuͤhrten Gruͤnden, das
Gefuͤhl der Nerven genennet, welches ſie beſitzen
koͤnnten, und das auch ſeine Wirkungen in die mechani-
ſchen Maſchinen voͤllig aͤußerte, ſie moͤchten nun zugleich

Empfind-
C c
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[401/0425] 1 Kap. Die Nervenkraͤfte uͤberhaupt. ſie ſich in mechaniſche Maſchinen vertheilen, dieſe Maſchi- nen in jedem Falle, der Eindruck mag zum Gehirn gelan- gen und empfunden werden, oder nicht, auf einerley Weiſe thieriſch bewegen. §. 364. N. 3. Solchemnach iſt dieß Gefuͤhl, ob es gleich die aͤußern Empfindungen hervor- bringt, nicht in der Seele, es iſt keine Vorſtellung, keine Empfindung; ſondern außerhalb der Seele in den Nerven, §. 98. N. 1. und zwar von dem Punkte der Beruͤhrung des Nerven an, zwiſchen ihm und dem Urſprunge deſſelben im Gehirne, welchen Weg es, wenn es nicht gehindert wird, aufwaͤrts durchgeht, §. 31. 32. und den Muskeln, die von dieſem Nerven, oder ſeinen Zweigen, oder auch von andern Nerven, die dieß Gefuͤhl dieſes Nerven ſinn- lich mit ruͤhret, durchdrungen werden, wofern es nicht ent- weder natuͤrliche oder fremde Hinderniſſe wehren, thieriſche Bewegungen giebt. §. 201. 364. N. 3. Es iſt alſo auch keine Seelenwirkung, §. 97. ſondern eine den Nerven an- erſchaffene und ihnen eigne, von der Vorſtellungskraft un- abhaͤngliche, Eigenſchaft, von einer Ruͤhrung ihres Marks in dieſe wundervolle Regung zu gerathen, die keinem an- dern Koͤrper, keiner blos mechaniſchen Maſchine zukoͤmmt, und ganz von den phyſiſchen und mechaniſchen Geſetzen der Bewegung abweicht, §. 32. die ins Gehirn dringt, die Seele zu Empfindungen erwecket, und im gleichen Augen- blicke die Maſchinen des Koͤrpers auf eine Art in Bewe- gung ſetzet, wie es keine andre Kraft in der Natur zu thun vermag. Anmerkung. Mit wie vielem Rechte verdienet nicht eine ſo wichtige thieriſche Kraft ihren beſondern Namen, um ſie von der Empfindlichkeit, die blos zur Seele gehoͤret, und von den phyſiſchen und mechaniſchen Kraͤften der todten Maſchinen zu unterſcheiden. Jch hatte ſie, aus den §. 402. angefuͤhrten Gruͤnden, das Gefuͤhl der Nerven genennet, welches ſie beſitzen koͤnnten, und das auch ſeine Wirkungen in die mechani- ſchen Maſchinen voͤllig aͤußerte, ſie moͤchten nun zugleich Empfind- C c

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/425>, abgerufen am 20.05.2024.