Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.2 Abschn. insbesondre. sind; §. 163. so bemerket man doch auch, selbst im natür-lichen Zustande der Thiere, unzähligemal, daß sich ihre Muskeln und Glieder durch bloße Nervenkräfte, §. 392. und insbesondre auch durch die, des äußern sinnlichen Ein- drucks, unmittelbar thierisch bewegen. Oft wird ein Glied nicht nur ohne, ja wider unser Belieben und ohne unser Vermuthen, sondern auch sogar ohne alle Empfindung des Reizes, der die Ursache davon ist, in eine thierische Be- wegung gesetzet, und oft bleibt selbst den Aerzten in Krank- heiten die reizende Ursache verborgen, welche den äußern oder innern sinnlichen Eindruck hierzu hergiebt. Sehr oft machet ein äußerer sinnlicher Eindruck in den Gedärmen, der gar nicht empfunden wird, durch eine mittelbare Ner- venwirkung die heftigsten Bewegungen in den Gliedern, wie die Epilepsie von Würmern beweist, die oft selbst Aerz- te und Kranke aus keinem einzigen Zeichen in den Gedär- men hätten vermuthen können. (S. §. 470.) Eben so machet oft ein Gift, durch eine unmittelbare Nervenwir- kung, Krämpfe in den Gedärmen, die man nicht empfin- det, sondern blos aus dem Murren der Winde schließen muß. Auch reizet das Licht die Fäserchen des Augensterns, sich zusammenzuziehen, ohne daß wir gewöhnlicher Weise davon eine Empfindung hätten, blos durch eine unmittel- bare Nervenwirkung etc. Es werden also wohl sehr viele Bewegungen der Muskeln und Glieder für Seelenwirkun- gen von äußern Empfindungen allein gehalten, die doch zu- gleich unmittelbare oder mittelbare Nervenwirkungen des äußern sinnlichen Eindrucks sind, der empfunden wird, und hieraus lassen sich viel Bewegungen im Schlafe, besonders der Nachtwanderer, und die angewöhnten willkührlichen Bewegungen erklären, die von äußern sinnlichen Eindrü- cken veranlasset werden, welche man in solchen Fällen gar nicht empfindet. Hauptsächlich aber beruhet hierauf wohl das Geheimniß der Triebe bey solchen Thieren, die ihre sinnlichen Reizungen dazu wahrscheinlicher Weise nicht em- pfinden, z. E. derer im Mutterleibe, oder in den Eyern, die F f 5
2 Abſchn. insbeſondre. ſind; §. 163. ſo bemerket man doch auch, ſelbſt im natuͤr-lichen Zuſtande der Thiere, unzaͤhligemal, daß ſich ihre Muskeln und Glieder durch bloße Nervenkraͤfte, §. 392. und insbeſondre auch durch die, des aͤußern ſinnlichen Ein- drucks, unmittelbar thieriſch bewegen. Oft wird ein Glied nicht nur ohne, ja wider unſer Belieben und ohne unſer Vermuthen, ſondern auch ſogar ohne alle Empfindung des Reizes, der die Urſache davon iſt, in eine thieriſche Be- wegung geſetzet, und oft bleibt ſelbſt den Aerzten in Krank- heiten die reizende Urſache verborgen, welche den aͤußern oder innern ſinnlichen Eindruck hierzu hergiebt. Sehr oft machet ein aͤußerer ſinnlicher Eindruck in den Gedaͤrmen, der gar nicht empfunden wird, durch eine mittelbare Ner- venwirkung die heftigſten Bewegungen in den Gliedern, wie die Epilepſie von Wuͤrmern beweiſt, die oft ſelbſt Aerz- te und Kranke aus keinem einzigen Zeichen in den Gedaͤr- men haͤtten vermuthen koͤnnen. (S. §. 470.) Eben ſo machet oft ein Gift, durch eine unmittelbare Nervenwir- kung, Kraͤmpfe in den Gedaͤrmen, die man nicht empfin- det, ſondern blos aus dem Murren der Winde ſchließen muß. Auch reizet das Licht die Faͤſerchen des Augenſterns, ſich zuſammenzuziehen, ohne daß wir gewoͤhnlicher Weiſe davon eine Empfindung haͤtten, blos durch eine unmittel- bare Nervenwirkung ꝛc. Es werden alſo wohl ſehr viele Bewegungen der Muskeln und Glieder fuͤr Seelenwirkun- gen von aͤußern Empfindungen allein gehalten, die doch zu- gleich unmittelbare oder mittelbare Nervenwirkungen des aͤußern ſinnlichen Eindrucks ſind, der empfunden wird, und hieraus laſſen ſich viel Bewegungen im Schlafe, beſonders der Nachtwanderer, und die angewoͤhnten willkuͤhrlichen Bewegungen erklaͤren, die von aͤußern ſinnlichen Eindruͤ- cken veranlaſſet werden, welche man in ſolchen Faͤllen gar nicht empfindet. Hauptſaͤchlich aber beruhet hierauf wohl das Geheimniß der Triebe bey ſolchen Thieren, die ihre ſinnlichen Reizungen dazu wahrſcheinlicher Weiſe nicht em- pfinden, z. E. derer im Mutterleibe, oder in den Eyern, die F f 5
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2 Abſchn. insbeſondre.
ſind; §. 163. ſo bemerket man doch auch, ſelbſt im natuͤr-
lichen Zuſtande der Thiere, unzaͤhligemal, daß ſich ihre
Muskeln und Glieder durch bloße Nervenkraͤfte, §. 392.
und insbeſondre auch durch die, des aͤußern ſinnlichen Ein-
drucks, unmittelbar thieriſch bewegen. Oft wird ein Glied
nicht nur ohne, ja wider unſer Belieben und ohne unſer
Vermuthen, ſondern auch ſogar ohne alle Empfindung des
Reizes, der die Urſache davon iſt, in eine thieriſche Be-
wegung geſetzet, und oft bleibt ſelbſt den Aerzten in Krank-
heiten die reizende Urſache verborgen, welche den aͤußern
oder innern ſinnlichen Eindruck hierzu hergiebt. Sehr oft
machet ein aͤußerer ſinnlicher Eindruck in den Gedaͤrmen,
der gar nicht empfunden wird, durch eine mittelbare Ner-
venwirkung die heftigſten Bewegungen in den Gliedern,
wie die Epilepſie von Wuͤrmern beweiſt, die oft ſelbſt Aerz-
te und Kranke aus keinem einzigen Zeichen in den Gedaͤr-
men haͤtten vermuthen koͤnnen. (S. §. 470.) Eben ſo
machet oft ein Gift, durch eine unmittelbare Nervenwir-
kung, Kraͤmpfe in den Gedaͤrmen, die man nicht empfin-
det, ſondern blos aus dem Murren der Winde ſchließen
muß. Auch reizet das Licht die Faͤſerchen des Augenſterns,
ſich zuſammenzuziehen, ohne daß wir gewoͤhnlicher Weiſe
davon eine Empfindung haͤtten, blos durch eine unmittel-
bare Nervenwirkung ꝛc. Es werden alſo wohl ſehr viele
Bewegungen der Muskeln und Glieder fuͤr Seelenwirkun-
gen von aͤußern Empfindungen allein gehalten, die doch zu-
gleich unmittelbare oder mittelbare Nervenwirkungen des
aͤußern ſinnlichen Eindrucks ſind, der empfunden wird, und
hieraus laſſen ſich viel Bewegungen im Schlafe, beſonders
der Nachtwanderer, und die angewoͤhnten willkuͤhrlichen
Bewegungen erklaͤren, die von aͤußern ſinnlichen Eindruͤ-
cken veranlaſſet werden, welche man in ſolchen Faͤllen gar
nicht empfindet. Hauptſaͤchlich aber beruhet hierauf wohl
das Geheimniß der Triebe bey ſolchen Thieren, die ihre
ſinnlichen Reizungen dazu wahrſcheinlicher Weiſe nicht em-
pfinden, z. E. derer im Mutterleibe, oder in den Eyern,
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