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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.

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II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
alle Seelenwirkungen der Einbildungen und Vorhersehun-
gen durch die Nervenkräfte allein nachgeahmet werden.
Wenn in den Nervenstamm eines Muskels ein ursprüng-
lich innerer sinnlicher Eindruck an einem enthaupteten Thie-
re gemachet wird, so beweget sich dieser Muskel davon eben
so, als wenn eine äußere Empfindung, oder eine Einbil-
dung, oder eine Vorhersehung, die denselben innern sinn-
lichen Eindruck verursachete, in ihn wirkete, und so ist es
mit allen thierischen Bewegungen aller übrigen mechani-
schen Maschinen. Daß aber auch eben dieselben äußern
sinnlichen Eindrücke, die eine Einbildung oder Vorherse-
hung veranlassen, blos durch ihre Nervenkräfte und ohne
empfunden zu werden, eben dieselben thierischen Bewegun-
gen in den mechanischen Maschinen hervorbringen können,
welche die Seelenwirkungen dieser Einbildungen oder Vor-
hersehungen zu seyn pflegen, sieht man in einigen Erfah-
rungen aufs deutlichste. Ein Podagricus, der itzt gesund
ist, träumet im Bette, daß er einen Anfall vom Podagra
bekomme, und diese Vorhersehung hat die Seelenwirkung,
daß die Muskeln seines Beins dasselbe nach dem Leibe zu-
rückziehen. Die Veranlassung zu dieser Vorhersehung
war eine dunkle äußere Empfindung, von dem äußern sinn-
lichen Eindrucke, daß er seine Zehe an der Bettstelle drü-
ckete. Nun lehren aber die Versuche, daß ein enthaupte-
tes Thier, wenn man seinem Beine einen äußern sinnlichen
Eindruck giebt, der ihm eben so schmerzhaft seyn könnte,
wenn es empfände, dasselbe eben so nach sich zieht, und al-
so könnte der Schlafende diese thierische Bewegung von
eben dem äußern sinnlichen Eindrucke verrichtet haben, ob
er ihn gleich nicht empfunden, und dadurch nicht die Vor-
hersehung des Traums erlanget hätte. Was bey ihm See-
lenwirkung einer sinnlichen Vorhersehung war, konnte ein
andermal bey ihm, oder bey einem andern Thiere, blos
oder zugleich eine Nervenwirkung seyn. Jemand träumet,
er werde mit einem Steine vor die Brust geschlagen, und
diese Einbildung hat die Seelenwirkung, daß dieselbe Stelle

der

II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr.
alle Seelenwirkungen der Einbildungen und Vorherſehun-
gen durch die Nervenkraͤfte allein nachgeahmet werden.
Wenn in den Nervenſtamm eines Muskels ein urſpruͤng-
lich innerer ſinnlicher Eindruck an einem enthaupteten Thie-
re gemachet wird, ſo beweget ſich dieſer Muskel davon eben
ſo, als wenn eine aͤußere Empfindung, oder eine Einbil-
dung, oder eine Vorherſehung, die denſelben innern ſinn-
lichen Eindruck verurſachete, in ihn wirkete, und ſo iſt es
mit allen thieriſchen Bewegungen aller uͤbrigen mechani-
ſchen Maſchinen. Daß aber auch eben dieſelben aͤußern
ſinnlichen Eindruͤcke, die eine Einbildung oder Vorherſe-
hung veranlaſſen, blos durch ihre Nervenkraͤfte und ohne
empfunden zu werden, eben dieſelben thieriſchen Bewegun-
gen in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen koͤnnen,
welche die Seelenwirkungen dieſer Einbildungen oder Vor-
herſehungen zu ſeyn pflegen, ſieht man in einigen Erfah-
rungen aufs deutlichſte. Ein Podagricus, der itzt geſund
iſt, traͤumet im Bette, daß er einen Anfall vom Podagra
bekomme, und dieſe Vorherſehung hat die Seelenwirkung,
daß die Muskeln ſeines Beins daſſelbe nach dem Leibe zu-
ruͤckziehen. Die Veranlaſſung zu dieſer Vorherſehung
war eine dunkle aͤußere Empfindung, von dem aͤußern ſinn-
lichen Eindrucke, daß er ſeine Zehe an der Bettſtelle druͤ-
ckete. Nun lehren aber die Verſuche, daß ein enthaupte-
tes Thier, wenn man ſeinem Beine einen aͤußern ſinnlichen
Eindruck giebt, der ihm eben ſo ſchmerzhaft ſeyn koͤnnte,
wenn es empfaͤnde, daſſelbe eben ſo nach ſich zieht, und al-
ſo koͤnnte der Schlafende dieſe thieriſche Bewegung von
eben dem aͤußern ſinnlichen Eindrucke verrichtet haben, ob
er ihn gleich nicht empfunden, und dadurch nicht die Vor-
herſehung des Traums erlanget haͤtte. Was bey ihm See-
lenwirkung einer ſinnlichen Vorherſehung war, konnte ein
andermal bey ihm, oder bey einem andern Thiere, blos
oder zugleich eine Nervenwirkung ſeyn. Jemand traͤumet,
er werde mit einem Steine vor die Bruſt geſchlagen, und
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der
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[538/0562] II Th. Nervenkr. 4 K. Verh. zu den th. Seelenkr. alle Seelenwirkungen der Einbildungen und Vorherſehun- gen durch die Nervenkraͤfte allein nachgeahmet werden. Wenn in den Nervenſtamm eines Muskels ein urſpruͤng- lich innerer ſinnlicher Eindruck an einem enthaupteten Thie- re gemachet wird, ſo beweget ſich dieſer Muskel davon eben ſo, als wenn eine aͤußere Empfindung, oder eine Einbil- dung, oder eine Vorherſehung, die denſelben innern ſinn- lichen Eindruck verurſachete, in ihn wirkete, und ſo iſt es mit allen thieriſchen Bewegungen aller uͤbrigen mechani- ſchen Maſchinen. Daß aber auch eben dieſelben aͤußern ſinnlichen Eindruͤcke, die eine Einbildung oder Vorherſe- hung veranlaſſen, blos durch ihre Nervenkraͤfte und ohne empfunden zu werden, eben dieſelben thieriſchen Bewegun- gen in den mechaniſchen Maſchinen hervorbringen koͤnnen, welche die Seelenwirkungen dieſer Einbildungen oder Vor- herſehungen zu ſeyn pflegen, ſieht man in einigen Erfah- rungen aufs deutlichſte. Ein Podagricus, der itzt geſund iſt, traͤumet im Bette, daß er einen Anfall vom Podagra bekomme, und dieſe Vorherſehung hat die Seelenwirkung, daß die Muskeln ſeines Beins daſſelbe nach dem Leibe zu- ruͤckziehen. Die Veranlaſſung zu dieſer Vorherſehung war eine dunkle aͤußere Empfindung, von dem aͤußern ſinn- lichen Eindrucke, daß er ſeine Zehe an der Bettſtelle druͤ- ckete. Nun lehren aber die Verſuche, daß ein enthaupte- tes Thier, wenn man ſeinem Beine einen aͤußern ſinnlichen Eindruck giebt, der ihm eben ſo ſchmerzhaft ſeyn koͤnnte, wenn es empfaͤnde, daſſelbe eben ſo nach ſich zieht, und al- ſo koͤnnte der Schlafende dieſe thieriſche Bewegung von eben dem aͤußern ſinnlichen Eindrucke verrichtet haben, ob er ihn gleich nicht empfunden, und dadurch nicht die Vor- herſehung des Traums erlanget haͤtte. Was bey ihm See- lenwirkung einer ſinnlichen Vorherſehung war, konnte ein andermal bey ihm, oder bey einem andern Thiere, blos oder zugleich eine Nervenwirkung ſeyn. Jemand traͤumet, er werde mit einem Steine vor die Bruſt geſchlagen, und dieſe Einbildung hat die Seelenwirkung, daß dieſelbe Stelle der

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 538. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/562>, abgerufen am 24.11.2024.