Zweyter Abschnitt. Thierische Kräfte des Gehirns, als thierische See- lenkräfte an sich betrachtet.
§. 24.
Das Gehirn hat eine doppelte beständige Bewegung, die nur mechanisch ist, und nicht eigentlich zu seiner thie- rischen Natur gehöret. Die eine ist blos die ihm mitge- theilte Bewegung der Schlagadern, welche weiter nichts Merkwürdiges hat. Die andere aber besteht in einer wech- selsweisen Bemühung, sich auszudehnen und wieder zusam- menzufallen, welche der Herr v. Haller von der überein- stimmenden Bewegung herleitet, die die zurückführenden Adern des Gehirns mit dem Athemholen haben, so daß sowohl diese, als das Gehirn selbst, wenn es nicht gehin- dert wird, beym Ausathmen aufschwellen, beym Einath- men aber niedersinken. "Es erhellet an dem Menschen, "dessen Hirnschale weich ist, wie am Kinde zu sehen, wie "auch an solchen Menschen und Thieren, denen ein Theil "von der knochigen Hirnschale abgehoben worden, offen- "bar; daß bey jedem einzelnen Ausathmen das Gehirn in "der That größer werde, sich ausdehne, in die Höhe steige, "und über die verletzte harte Gehirnhaut, oder zerbrochene "Hirnschale hervorraget, den aufliegenden Finger zurück- "stößt, und sich das Blut über das Gehirn ergießt. Das "Gehirn hebt und dehnet sich, wenn man schreyt. Man hat "während des Ausathmens durch die Kranznath eine stin- "kende Materie austreiben gesehen. Es drang bey einem "erstickenden Husten aus einer großen Kopfwunde eine "Menge Blut hervor. Jm Geschrey und Husten erheben "sich die Sinus der harten Gehirnhaut. Wenn man "Mund und Nase zuhält, so schwitzt aus der zerbrochenen "Hirnschale ein Tropfen Bluts hervor, und es ist während "des Ausathmens aus den Löchern der Hirnschale Blut her- "vorgedrungen. (Schlichting hat auch Luftblasen her-
"austreten
C 3
2 Abſchn. Des Gehirns.
Zweyter Abſchnitt. Thieriſche Kraͤfte des Gehirns, als thieriſche See- lenkraͤfte an ſich betrachtet.
§. 24.
Das Gehirn hat eine doppelte beſtaͤndige Bewegung, die nur mechaniſch iſt, und nicht eigentlich zu ſeiner thie- riſchen Natur gehoͤret. Die eine iſt blos die ihm mitge- theilte Bewegung der Schlagadern, welche weiter nichts Merkwuͤrdiges hat. Die andere aber beſteht in einer wech- ſelsweiſen Bemuͤhung, ſich auszudehnen und wieder zuſam- menzufallen, welche der Herr v. Haller von der uͤberein- ſtimmenden Bewegung herleitet, die die zuruͤckfuͤhrenden Adern des Gehirns mit dem Athemholen haben, ſo daß ſowohl dieſe, als das Gehirn ſelbſt, wenn es nicht gehin- dert wird, beym Ausathmen aufſchwellen, beym Einath- men aber niederſinken. „Es erhellet an dem Menſchen, „deſſen Hirnſchale weich iſt, wie am Kinde zu ſehen, wie „auch an ſolchen Menſchen und Thieren, denen ein Theil „von der knochigen Hirnſchale abgehoben worden, offen- „bar; daß bey jedem einzelnen Ausathmen das Gehirn in „der That groͤßer werde, ſich ausdehne, in die Hoͤhe ſteige, „und uͤber die verletzte harte Gehirnhaut, oder zerbrochene „Hirnſchale hervorraget, den aufliegenden Finger zuruͤck- „ſtoͤßt, und ſich das Blut uͤber das Gehirn ergießt. Das „Gehirn hebt und dehnet ſich, wenn man ſchreyt. Man hat „waͤhrend des Ausathmens durch die Kranznath eine ſtin- „kende Materie austreiben geſehen. Es drang bey einem „erſtickenden Huſten aus einer großen Kopfwunde eine „Menge Blut hervor. Jm Geſchrey und Huſten erheben „ſich die Sinus der harten Gehirnhaut. Wenn man „Mund und Naſe zuhaͤlt, ſo ſchwitzt aus der zerbrochenen „Hirnſchale ein Tropfen Bluts hervor, und es iſt waͤhrend „des Ausathmens aus den Loͤchern der Hirnſchale Blut her- „vorgedrungen. (Schlichting hat auch Luftblaſen her-
„austreten
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2 Abſchn. Des Gehirns.
Zweyter Abſchnitt.
Thieriſche Kraͤfte des Gehirns, als thieriſche See-
lenkraͤfte an ſich betrachtet.
§. 24.
Das Gehirn hat eine doppelte beſtaͤndige Bewegung, die
nur mechaniſch iſt, und nicht eigentlich zu ſeiner thie-
riſchen Natur gehoͤret. Die eine iſt blos die ihm mitge-
theilte Bewegung der Schlagadern, welche weiter nichts
Merkwuͤrdiges hat. Die andere aber beſteht in einer wech-
ſelsweiſen Bemuͤhung, ſich auszudehnen und wieder zuſam-
menzufallen, welche der Herr v. Haller von der uͤberein-
ſtimmenden Bewegung herleitet, die die zuruͤckfuͤhrenden
Adern des Gehirns mit dem Athemholen haben, ſo daß
ſowohl dieſe, als das Gehirn ſelbſt, wenn es nicht gehin-
dert wird, beym Ausathmen aufſchwellen, beym Einath-
men aber niederſinken. „Es erhellet an dem Menſchen,
„deſſen Hirnſchale weich iſt, wie am Kinde zu ſehen, wie
„auch an ſolchen Menſchen und Thieren, denen ein Theil
„von der knochigen Hirnſchale abgehoben worden, offen-
„bar; daß bey jedem einzelnen Ausathmen das Gehirn in
„der That groͤßer werde, ſich ausdehne, in die Hoͤhe ſteige,
„und uͤber die verletzte harte Gehirnhaut, oder zerbrochene
„Hirnſchale hervorraget, den aufliegenden Finger zuruͤck-
„ſtoͤßt, und ſich das Blut uͤber das Gehirn ergießt. Das
„Gehirn hebt und dehnet ſich, wenn man ſchreyt. Man hat
„waͤhrend des Ausathmens durch die Kranznath eine ſtin-
„kende Materie austreiben geſehen. Es drang bey einem
„erſtickenden Huſten aus einer großen Kopfwunde eine
„Menge Blut hervor. Jm Geſchrey und Huſten erheben
„ſich die Sinus der harten Gehirnhaut. Wenn man
„Mund und Naſe zuhaͤlt, ſo ſchwitzt aus der zerbrochenen
„Hirnſchale ein Tropfen Bluts hervor, und es iſt waͤhrend
„des Ausathmens aus den Loͤchern der Hirnſchale Blut her-
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Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_erstegruende_1771/61>, abgerufen am 21.11.2024.
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