Unzer, Johann August: Erste Gründe einer Physiologie der eigentlichen thierischen Natur thierischer Körper. Leipzig, 1771.III Th. Natur der Thiere im Ganzen. Eindruck, ob er gleich bis zum Ursprunge des Nerven imGehirne gelanget, eine materielle Empfindung, noch sonst irgend eine Vorstellung der Seele eine materielle Jdee in ihm hervorbringen kann. §. 693. N. 2. Dieß kann ge- schehen durch die völlige Trennung des Gehirns vom Kopfe, oder durch eine völlige Vernichtung desselben in ihm, oder durch Gifte, welche die Theile des Gehirns, die zur Her- vorbringung der materiellen Jdeen wirken müssen, so ver- ändern, daß sie dieses Vermögen gänzlich verlieren, wie man vorgiebt, daß es deren geben soll, die den ganzen Körper eines Thieres in eine unbeseelte thierische Maschine verwandeln, oder überhaupt durch eine solche Verletzung des Gehirns, die seine Strucktur, in so fern sie zur Er- zeugung materieller Jdeen eingerichtet ist, die wir aber in so fern nicht kennen, gänzlich zerstöret wird etc. Aus die- ser unsrer Unwissenheit rühren die unerklärbaren Fälle her, da manche dem Ansehen nach sehr große und wichtige Ver- letzungen des Gehirns das eigentliche thierische Leben, oder die Gemeinschaft des Leibes und der Seele nicht völlig, ja wohl nicht einmal merklich, andre aber, die sehr gering zu seyn scheinen, sie plötzlich und gänzlich aufheben. §. 25. 3. Wenn, ohngeachtet die vorigen Bedingungen N. 1. 2. nicht Statt finden möchten, dennoch keine äußere sinn- liche Eindrücke und keine Vorstellungen der Seele mehr materielle Jdeen im Gehirne erzeugen, oder selbst gänzlich mangeln. §. 693. N. 3. So müßte nothwendig das ei- gentliche thierische Leben aufhören, wenn ein Thier keine einzige äußere Empfindung und keine einzige sinnliche oder freye Vorstellung auch nicht im geringsten Grade mehr wirkete, oder wenn von allen äußern sinnlichen Eindrücken in die Nerven kein einziger eine materielle Empfindung, und von allen sinnlichen und freyen Vorstellungen der See- le keine einzige eine materielle Jdee im Gehirne mehr her- vorbrächte: denn in diesem Falle wäre die Seele, sie möch- te für sich noch leben oder nicht, außer aller Gemeinschaft mit
III Th. Natur der Thiere im Ganzen. Eindruck, ob er gleich bis zum Urſprunge des Nerven imGehirne gelanget, eine materielle Empfindung, noch ſonſt irgend eine Vorſtellung der Seele eine materielle Jdee in ihm hervorbringen kann. §. 693. N. 2. Dieß kann ge- ſchehen durch die voͤllige Trennung des Gehirns vom Kopfe, oder durch eine voͤllige Vernichtung deſſelben in ihm, oder durch Gifte, welche die Theile des Gehirns, die zur Her- vorbringung der materiellen Jdeen wirken muͤſſen, ſo ver- aͤndern, daß ſie dieſes Vermoͤgen gaͤnzlich verlieren, wie man vorgiebt, daß es deren geben ſoll, die den ganzen Koͤrper eines Thieres in eine unbeſeelte thieriſche Maſchine verwandeln, oder uͤberhaupt durch eine ſolche Verletzung des Gehirns, die ſeine Strucktur, in ſo fern ſie zur Er- zeugung materieller Jdeen eingerichtet iſt, die wir aber in ſo fern nicht kennen, gaͤnzlich zerſtoͤret wird ꝛc. Aus die- ſer unſrer Unwiſſenheit ruͤhren die unerklaͤrbaren Faͤlle her, da manche dem Anſehen nach ſehr große und wichtige Ver- letzungen des Gehirns das eigentliche thieriſche Leben, oder die Gemeinſchaft des Leibes und der Seele nicht voͤllig, ja wohl nicht einmal merklich, andre aber, die ſehr gering zu ſeyn ſcheinen, ſie ploͤtzlich und gaͤnzlich aufheben. §. 25. 3. Wenn, ohngeachtet die vorigen Bedingungen N. 1. 2. nicht Statt finden moͤchten, dennoch keine aͤußere ſinn- liche Eindruͤcke und keine Vorſtellungen der Seele mehr materielle Jdeen im Gehirne erzeugen, oder ſelbſt gaͤnzlich mangeln. §. 693. N. 3. So muͤßte nothwendig das ei- gentliche thieriſche Leben aufhoͤren, wenn ein Thier keine einzige aͤußere Empfindung und keine einzige ſinnliche oder freye Vorſtellung auch nicht im geringſten Grade mehr wirkete, oder wenn von allen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken in die Nerven kein einziger eine materielle Empfindung, und von allen ſinnlichen und freyen Vorſtellungen der See- le keine einzige eine materielle Jdee im Gehirne mehr her- vorbraͤchte: denn in dieſem Falle waͤre die Seele, ſie moͤch- te fuͤr ſich noch leben oder nicht, außer aller Gemeinſchaft mit
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III Th. Natur der Thiere im Ganzen.
Eindruck, ob er gleich bis zum Urſprunge des Nerven im
Gehirne gelanget, eine materielle Empfindung, noch ſonſt
irgend eine Vorſtellung der Seele eine materielle Jdee in
ihm hervorbringen kann. §. 693. N. 2. Dieß kann ge-
ſchehen durch die voͤllige Trennung des Gehirns vom Kopfe,
oder durch eine voͤllige Vernichtung deſſelben in ihm, oder
durch Gifte, welche die Theile des Gehirns, die zur Her-
vorbringung der materiellen Jdeen wirken muͤſſen, ſo ver-
aͤndern, daß ſie dieſes Vermoͤgen gaͤnzlich verlieren, wie
man vorgiebt, daß es deren geben ſoll, die den ganzen
Koͤrper eines Thieres in eine unbeſeelte thieriſche Maſchine
verwandeln, oder uͤberhaupt durch eine ſolche Verletzung
des Gehirns, die ſeine Strucktur, in ſo fern ſie zur Er-
zeugung materieller Jdeen eingerichtet iſt, die wir aber in
ſo fern nicht kennen, gaͤnzlich zerſtoͤret wird ꝛc. Aus die-
ſer unſrer Unwiſſenheit ruͤhren die unerklaͤrbaren Faͤlle her,
da manche dem Anſehen nach ſehr große und wichtige Ver-
letzungen des Gehirns das eigentliche thieriſche Leben, oder
die Gemeinſchaft des Leibes und der Seele nicht voͤllig, ja
wohl nicht einmal merklich, andre aber, die ſehr gering zu
ſeyn ſcheinen, ſie ploͤtzlich und gaͤnzlich aufheben. §. 25.
3. Wenn, ohngeachtet die vorigen Bedingungen N. 1.
2. nicht Statt finden moͤchten, dennoch keine aͤußere ſinn-
liche Eindruͤcke und keine Vorſtellungen der Seele mehr
materielle Jdeen im Gehirne erzeugen, oder ſelbſt gaͤnzlich
mangeln. §. 693. N. 3. So muͤßte nothwendig das ei-
gentliche thieriſche Leben aufhoͤren, wenn ein Thier keine
einzige aͤußere Empfindung und keine einzige ſinnliche oder
freye Vorſtellung auch nicht im geringſten Grade mehr
wirkete, oder wenn von allen aͤußern ſinnlichen Eindruͤcken
in die Nerven kein einziger eine materielle Empfindung,
und von allen ſinnlichen und freyen Vorſtellungen der See-
le keine einzige eine materielle Jdee im Gehirne mehr her-
vorbraͤchte: denn in dieſem Falle waͤre die Seele, ſie moͤch-
te fuͤr ſich noch leben oder nicht, außer aller Gemeinſchaft
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