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Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746.

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sach, warum ein Ziegeldecker ein Dach bedeckt?
Darum nicht: Weil zwar niemals ein Dach
gedeckt wird, wenn die Sonne nicht zugegen
ist, weil man aber auch nicht nothwendig ein
Dach besteigen muß, wenn die Sonne nicht
da ist. Kan ich aber alles dieses gewiß sa-
gen? Keinesweges. Denn weil in zwey be-
nachbarten Städten immer zu einer Zeit Nacht
ist, wenn in der andern Nacht ist, und umge-
kehrt, und weil ich hieraus doch nicht schliessen
kan, daß die Nacht in einer Stadt die in der
andern Stadt würcke; so kan ich auch nicht
einmal mit Gewißheit behaupten, daß zwi-
schen Sonne und Licht Ursach und Würckung
statt habe. Also ist es nothwendig, daß wir
uns um neue Regeln bekümmern, wodurch wir
mit Gewißheit behaupten können, daß Ursach
und Würckung zwischen einem A und B statt
habe, oder daß dieses nicht sey. Lasset uns se-
hen, worin diese Regel bestehe.

§. 21.

Wenn ich mich davon gewiß überzeugen will,
daß die Sonne das Licht auf dem Erdboden
würcke, wie fange ich dieses an? Vorher ist
nöthig, daß ich es durch obigen Schluß §. 20.
so weit bringe, daß ich den höchsten Grad der
Wahrscheinlichkeit davon erhalte. Wir wol-
len denen Naturkündigern zusehen, die sich ei-
gentlich hiermit beschäftigen, wie sie dieses
Werck ohngefehr angreifen. Sie muthmassen
daß Sonne und Licht in einander würcken

müssen,

ſach, warum ein Ziegeldecker ein Dach bedeckt?
Darum nicht: Weil zwar niemals ein Dach
gedeckt wird, wenn die Sonne nicht zugegen
iſt, weil man aber auch nicht nothwendig ein
Dach beſteigen muß, wenn die Sonne nicht
da iſt. Kan ich aber alles dieſes gewiß ſa-
gen? Keinesweges. Denn weil in zwey be-
nachbarten Staͤdten immer zu einer Zeit Nacht
iſt, wenn in der andern Nacht iſt, und umge-
kehrt, und weil ich hieraus doch nicht ſchlieſſen
kan, daß die Nacht in einer Stadt die in der
andern Stadt wuͤrcke; ſo kan ich auch nicht
einmal mit Gewißheit behaupten, daß zwi-
ſchen Sonne und Licht Urſach und Wuͤrckung
ſtatt habe. Alſo iſt es nothwendig, daß wir
uns um neue Regeln bekuͤmmern, wodurch wir
mit Gewißheit behaupten koͤnnen, daß Urſach
und Wuͤrckung zwiſchen einem A und B ſtatt
habe, oder daß dieſes nicht ſey. Laſſet uns ſe-
hen, worin dieſe Regel beſtehe.

§. 21.

Wenn ich mich davon gewiß uͤberzeugen will,
daß die Sonne das Licht auf dem Erdboden
wuͤrcke, wie fange ich dieſes an? Vorher iſt
noͤthig, daß ich es durch obigen Schluß §. 20.
ſo weit bringe, daß ich den hoͤchſten Grad der
Wahrſcheinlichkeit davon erhalte. Wir wol-
len denen Naturkuͤndigern zuſehen, die ſich ei-
gentlich hiermit beſchaͤftigen, wie ſie dieſes
Werck ohngefehr angreifen. Sie muthmaſſen
daß Sonne und Licht in einander wuͤrcken

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[51/0081] ſach, warum ein Ziegeldecker ein Dach bedeckt? Darum nicht: Weil zwar niemals ein Dach gedeckt wird, wenn die Sonne nicht zugegen iſt, weil man aber auch nicht nothwendig ein Dach beſteigen muß, wenn die Sonne nicht da iſt. Kan ich aber alles dieſes gewiß ſa- gen? Keinesweges. Denn weil in zwey be- nachbarten Staͤdten immer zu einer Zeit Nacht iſt, wenn in der andern Nacht iſt, und umge- kehrt, und weil ich hieraus doch nicht ſchlieſſen kan, daß die Nacht in einer Stadt die in der andern Stadt wuͤrcke; ſo kan ich auch nicht einmal mit Gewißheit behaupten, daß zwi- ſchen Sonne und Licht Urſach und Wuͤrckung ſtatt habe. Alſo iſt es nothwendig, daß wir uns um neue Regeln bekuͤmmern, wodurch wir mit Gewißheit behaupten koͤnnen, daß Urſach und Wuͤrckung zwiſchen einem A und B ſtatt habe, oder daß dieſes nicht ſey. Laſſet uns ſe- hen, worin dieſe Regel beſtehe. §. 21. Wenn ich mich davon gewiß uͤberzeugen will, daß die Sonne das Licht auf dem Erdboden wuͤrcke, wie fange ich dieſes an? Vorher iſt noͤthig, daß ich es durch obigen Schluß §. 20. ſo weit bringe, daß ich den hoͤchſten Grad der Wahrſcheinlichkeit davon erhalte. Wir wol- len denen Naturkuͤndigern zuſehen, die ſich ei- gentlich hiermit beſchaͤftigen, wie ſie dieſes Werck ohngefehr angreifen. Sie muthmaſſen daß Sonne und Licht in einander wuͤrcken muͤſſen,

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Zitationshilfe: Unzer, Johann August: Gedanken vom Einfluß der Seele in ihren Körper. Halle (Saale), 1746, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/unzer_gedanken_1746/81>, abgerufen am 21.11.2024.