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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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daran gelassen. Hierauf wird Präparat I so an II gelegt, daß der Nerv von II
den Muskel von I an zwei verschiedenen Stellen, nämlich an dem rothen Muskel-
fleische bei F und am Sehnenspiegel bei S, berührt. Durch diese Lage bildet das
Nervenstück bei N einen Schließungsbogen für den Muskelstrom in F S.

Erregt man jetzt den Nerv N1 in irgend einer Weise, z. B. durch einen
Schnitt, so zuckt nicht nur der Muskel F S, sondern auch der Unterschenkel U,
obwohl dieser mit dem ersterwähnten Muskel oder dessen Nerven in gar keinem
anatomischen Zusammenhange steht. Die Erklärung für diese Erscheinung ist fol-
gende: Das Präparat II fungirt als höchst empfindliches Elektroskop für den
Muskelstrom in F S. Dieser hat aber durch die in Folge der Nervenerregung
bewirkte Zuckung oder Zusammenziehung des Muskels eine plötzliche Abnahme
seiner Intensität erlitten; durch das Nervenstück N2, in welchem diese Strom-
schwankung (Schwankung des Muskelstromes in F S) sich gleichfalls geltend machte,
gelangte dann diese Stromschwankung in Form einer Zuckung von U Pf zur Anzeige.

Legt man den Nerv N1 über die Drahtenden E E1 einer Inductionsspirale
und setzt diese in Thätigkeit, so wird der Nerv N1 nicht wie früher durch einen
Schnitt in denselben nur einmal, sondern in rascher Folge sehr oft erregt. Der
Muskel F S muß hierdurch in den Zustand dauernder Zusammenziehung versetzt,
oder, wie man sich auch ausdrückt, "tetanisirt" werden. Die Inductionsströme
folgen nämlich so rasch aufeinander, daß der Muskel keine Zeit hat, zwischen den
einzelnen Strömen aus dem Zustande der Zusammenziehung in den gewöhnlichen
Zustand zurückzukehren. Da jede Zuckung im Präparate I auch eine solche im
Präparate II bewirkt, so braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß auch der
Tetanus im Präparate I einen Tetanus im Präparate II zur Folge hat.

Wird das Präparat II in entsprechender Weise durch ein Galvanometer
ersetzt, so kann man auch direct nachweisen, daß die secundäre Zuckung im vor-
stehenden Versuche von einer plötzlichen Abnahme des Muskelstromes herrührt,
während durch unser Experiment eigentlich nur eine Stromschwankung (un-
bestimmt welcher Richtung) nachgewiesen wurde. Du Bois-Reymond wies die
Abnahme des Muskelstromes auch bei willkürlicher Contraction der Muskeln im
Arme eines lebenden Menschen nach.

Schließlich sei noch bemerkt, daß an den Nerven frisch getödteter Thiere
sich ganz dieselben Stromerscheinungen nachweisen lassen, wie an den Muskeln.
Zur Nachweisung des Nervenstromes überhaupt wird der frisch präparirte Nerv
auf eines der Löschpapierbäuschchen mit einem künstlichen Querschnitte auf das
andere mit der natürlichen Längsfläche gelegt.

Weit zurück reichen die Nachrichten über Thiere, welchen die merkwürdige
Kraft innewohnt, elektrische Schläge auszutheilen; freilich erkannte man damals
noch nicht die elektrische Natur derselben. Die Thiere, beziehungsweise ihre elek-
trischen Organe, wurden aber bereits zu Heilzwecken benutzt. Der nächst Hippo-
krates berühmteste Arzt des Alterthums, Claudius Galenos, welcher im zweiten
Jahrhunderte nach Christi lebte, verglich bereits die Wirkung des Zitterrochens
mit der eines Magnetes. Jahrhunderte lang benutzen schon die Abyssinier den
Zitteraal als Heilmittel gegen Nervenkrankheiten. Gegenwärtig kennen wir haupt-
sächlich drei elektrische Fische, nämlich den Zitterwels, den Zitteraal und den
Zitterrochen.

Der Zitterwels oder Raasch der Araber erreicht eine Länge von 30 bis 50
Centimeter und wurde von Forskal im Nil und von Adanson im Senegal auf-

daran gelaſſen. Hierauf wird Präparat I ſo an II gelegt, daß der Nerv von II
den Muskel von I an zwei verſchiedenen Stellen, nämlich an dem rothen Muskel-
fleiſche bei F und am Sehnenſpiegel bei S, berührt. Durch dieſe Lage bildet das
Nervenſtück bei N einen Schließungsbogen für den Muskelſtrom in F S.

Erregt man jetzt den Nerv N1 in irgend einer Weiſe, z. B. durch einen
Schnitt, ſo zuckt nicht nur der Muskel F S, ſondern auch der Unterſchenkel U,
obwohl dieſer mit dem erſterwähnten Muskel oder deſſen Nerven in gar keinem
anatomiſchen Zuſammenhange ſteht. Die Erklärung für dieſe Erſcheinung iſt fol-
gende: Das Präparat II fungirt als höchſt empfindliches Elektroſkop für den
Muskelſtrom in F S. Dieſer hat aber durch die in Folge der Nervenerregung
bewirkte Zuckung oder Zuſammenziehung des Muskels eine plötzliche Abnahme
ſeiner Intenſität erlitten; durch das Nervenſtück N2, in welchem dieſe Strom-
ſchwankung (Schwankung des Muskelſtromes in F S) ſich gleichfalls geltend machte,
gelangte dann dieſe Stromſchwankung in Form einer Zuckung von U Pf zur Anzeige.

Legt man den Nerv N1 über die Drahtenden E E1 einer Inductionsſpirale
und ſetzt dieſe in Thätigkeit, ſo wird der Nerv N1 nicht wie früher durch einen
Schnitt in denſelben nur einmal, ſondern in raſcher Folge ſehr oft erregt. Der
Muskel F S muß hierdurch in den Zuſtand dauernder Zuſammenziehung verſetzt,
oder, wie man ſich auch ausdrückt, „tetaniſirt“ werden. Die Inductionsſtröme
folgen nämlich ſo raſch aufeinander, daß der Muskel keine Zeit hat, zwiſchen den
einzelnen Strömen aus dem Zuſtande der Zuſammenziehung in den gewöhnlichen
Zuſtand zurückzukehren. Da jede Zuckung im Präparate I auch eine ſolche im
Präparate II bewirkt, ſo braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß auch der
Tetanus im Präparate I einen Tetanus im Präparate II zur Folge hat.

Wird das Präparat II in entſprechender Weiſe durch ein Galvanometer
erſetzt, ſo kann man auch direct nachweiſen, daß die ſecundäre Zuckung im vor-
ſtehenden Verſuche von einer plötzlichen Abnahme des Muskelſtromes herrührt,
während durch unſer Experiment eigentlich nur eine Stromſchwankung (un-
beſtimmt welcher Richtung) nachgewieſen wurde. Du Bois-Reymond wies die
Abnahme des Muskelſtromes auch bei willkürlicher Contraction der Muskeln im
Arme eines lebenden Menſchen nach.

Schließlich ſei noch bemerkt, daß an den Nerven friſch getödteter Thiere
ſich ganz dieſelben Stromerſcheinungen nachweiſen laſſen, wie an den Muskeln.
Zur Nachweiſung des Nervenſtromes überhaupt wird der friſch präparirte Nerv
auf eines der Löſchpapierbäuſchchen mit einem künſtlichen Querſchnitte auf das
andere mit der natürlichen Längsfläche gelegt.

Weit zurück reichen die Nachrichten über Thiere, welchen die merkwürdige
Kraft innewohnt, elektriſche Schläge auszutheilen; freilich erkannte man damals
noch nicht die elektriſche Natur derſelben. Die Thiere, beziehungsweiſe ihre elek-
triſchen Organe, wurden aber bereits zu Heilzwecken benutzt. Der nächſt Hippo-
krates berühmteſte Arzt des Alterthums, Claudius Galenos, welcher im zweiten
Jahrhunderte nach Chriſti lebte, verglich bereits die Wirkung des Zitterrochens
mit der eines Magnetes. Jahrhunderte lang benutzen ſchon die Abyſſinier den
Zitteraal als Heilmittel gegen Nervenkrankheiten. Gegenwärtig kennen wir haupt-
ſächlich drei elektriſche Fiſche, nämlich den Zitterwels, den Zitteraal und den
Zitterrochen.

Der Zitterwels oder Raaſch der Araber erreicht eine Länge von 30 bis 50
Centimeter und wurde von Forskal im Nil und von Adanſon im Senegal auf-

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[334/0348] daran gelaſſen. Hierauf wird Präparat I ſo an II gelegt, daß der Nerv von II den Muskel von I an zwei verſchiedenen Stellen, nämlich an dem rothen Muskel- fleiſche bei F und am Sehnenſpiegel bei S, berührt. Durch dieſe Lage bildet das Nervenſtück bei N einen Schließungsbogen für den Muskelſtrom in F S. Erregt man jetzt den Nerv N1 in irgend einer Weiſe, z. B. durch einen Schnitt, ſo zuckt nicht nur der Muskel F S, ſondern auch der Unterſchenkel U, obwohl dieſer mit dem erſterwähnten Muskel oder deſſen Nerven in gar keinem anatomiſchen Zuſammenhange ſteht. Die Erklärung für dieſe Erſcheinung iſt fol- gende: Das Präparat II fungirt als höchſt empfindliches Elektroſkop für den Muskelſtrom in F S. Dieſer hat aber durch die in Folge der Nervenerregung bewirkte Zuckung oder Zuſammenziehung des Muskels eine plötzliche Abnahme ſeiner Intenſität erlitten; durch das Nervenſtück N2, in welchem dieſe Strom- ſchwankung (Schwankung des Muskelſtromes in F S) ſich gleichfalls geltend machte, gelangte dann dieſe Stromſchwankung in Form einer Zuckung von U Pf zur Anzeige. Legt man den Nerv N1 über die Drahtenden E E1 einer Inductionsſpirale und ſetzt dieſe in Thätigkeit, ſo wird der Nerv N1 nicht wie früher durch einen Schnitt in denſelben nur einmal, ſondern in raſcher Folge ſehr oft erregt. Der Muskel F S muß hierdurch in den Zuſtand dauernder Zuſammenziehung verſetzt, oder, wie man ſich auch ausdrückt, „tetaniſirt“ werden. Die Inductionsſtröme folgen nämlich ſo raſch aufeinander, daß der Muskel keine Zeit hat, zwiſchen den einzelnen Strömen aus dem Zuſtande der Zuſammenziehung in den gewöhnlichen Zuſtand zurückzukehren. Da jede Zuckung im Präparate I auch eine ſolche im Präparate II bewirkt, ſo braucht wohl kaum bemerkt zu werden, daß auch der Tetanus im Präparate I einen Tetanus im Präparate II zur Folge hat. Wird das Präparat II in entſprechender Weiſe durch ein Galvanometer erſetzt, ſo kann man auch direct nachweiſen, daß die ſecundäre Zuckung im vor- ſtehenden Verſuche von einer plötzlichen Abnahme des Muskelſtromes herrührt, während durch unſer Experiment eigentlich nur eine Stromſchwankung (un- beſtimmt welcher Richtung) nachgewieſen wurde. Du Bois-Reymond wies die Abnahme des Muskelſtromes auch bei willkürlicher Contraction der Muskeln im Arme eines lebenden Menſchen nach. Schließlich ſei noch bemerkt, daß an den Nerven friſch getödteter Thiere ſich ganz dieſelben Stromerſcheinungen nachweiſen laſſen, wie an den Muskeln. Zur Nachweiſung des Nervenſtromes überhaupt wird der friſch präparirte Nerv auf eines der Löſchpapierbäuſchchen mit einem künſtlichen Querſchnitte auf das andere mit der natürlichen Längsfläche gelegt. Weit zurück reichen die Nachrichten über Thiere, welchen die merkwürdige Kraft innewohnt, elektriſche Schläge auszutheilen; freilich erkannte man damals noch nicht die elektriſche Natur derſelben. Die Thiere, beziehungsweiſe ihre elek- triſchen Organe, wurden aber bereits zu Heilzwecken benutzt. Der nächſt Hippo- krates berühmteſte Arzt des Alterthums, Claudius Galenos, welcher im zweiten Jahrhunderte nach Chriſti lebte, verglich bereits die Wirkung des Zitterrochens mit der eines Magnetes. Jahrhunderte lang benutzen ſchon die Abyſſinier den Zitteraal als Heilmittel gegen Nervenkrankheiten. Gegenwärtig kennen wir haupt- ſächlich drei elektriſche Fiſche, nämlich den Zitterwels, den Zitteraal und den Zitterrochen. Der Zitterwels oder Raaſch der Araber erreicht eine Länge von 30 bis 50 Centimeter und wurde von Forskal im Nil und von Adanſon im Senegal auf-

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/348>, abgerufen am 22.11.2024.