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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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als beim Zitteraale, aber immer noch schmerzhaft genug; sie ist am heftigsten unter
Wasser und um so fühlbarer, je größer die Fläche ist, welche berührt wurde. Das
Thier ertheilt die Schläge ganz willkürlich und läßt sich durch Reizung be-
wegen, viele nacheinander auszutheilen. Der Fisch erreicht bei anderhalb Meter Länge

[Abbildung] Fig. 217.

Elektrisches Organ des Zitterrochen.

eine Breite von beiläufig einem Meter und
ein Gewicht von 25 bis 30 Kilogramm.

Ueber die Wirksamkeit der elektrischen
Organe der drei elektrischen Fische stehen
sich zwei Ansichten schroff gegenüber. Du
Bois-Reymond
hält das elektrische Organ
für einen Apparat ähnlich unseren gal-
vanischen Batterien und glaubt, daß die
darin verlaufenden Nerven nur einen in-
directen Einfluß ausüben; sie sollen eben
blos die Vollstreckung des Willens bewirken,
wenn das Thier einen Schlag ertheilen will.
Die Erregung elektrischer Ströme soll im
Organ selbst stattfinden, gleichwie auch der
Muskelstrom im Muskel entsteht.

Der französische Physiologe Ranvier
hält hingegen das elektrische Organ für einen
secundären Apparat, geradezu für einen solchen
nach Art der Secundärbatterien. Elektrische
Ströme sollen im Gehirne erregt werden
und dann in den elektrischen Apparat über-
strömen, wo sie chemische Veränderungen
hervorrufen. Diese Ladungsoperation werde
ausgeführt, wenn sich das Thier im Ruhe-
zustande befindet. Will dasselbe einen Schlag
austheilen, so schaltet es vermöge der eigen-
thümlichen Nervenverzweigung die während
der Ladezeit in Parallelschaltung befindlichen
Secundärelemente auf Spannung um (d. h. stellt eine Verbindung derselben
hintereinander her) und bewirkt in dieser Art die Entladung. Wir können uns hier
auf die Einwürfe, die gegen die eine oder die andere der beiden Theorien gemacht
wurden, umsoweniger einlassen, als zur Aufklärung dieser sehr interessanten Vor-
gänge noch sehr viel zu prüfen und zu erforschen bleibt.


als beim Zitteraale, aber immer noch ſchmerzhaft genug; ſie iſt am heftigſten unter
Waſſer und um ſo fühlbarer, je größer die Fläche iſt, welche berührt wurde. Das
Thier ertheilt die Schläge ganz willkürlich und läßt ſich durch Reizung be-
wegen, viele nacheinander auszutheilen. Der Fiſch erreicht bei anderhalb Meter Länge

[Abbildung] Fig. 217.

Elektriſches Organ des Zitterrochen.

eine Breite von beiläufig einem Meter und
ein Gewicht von 25 bis 30 Kilogramm.

Ueber die Wirkſamkeit der elektriſchen
Organe der drei elektriſchen Fiſche ſtehen
ſich zwei Anſichten ſchroff gegenüber. Du
Bois-Reymond
hält das elektriſche Organ
für einen Apparat ähnlich unſeren gal-
vaniſchen Batterien und glaubt, daß die
darin verlaufenden Nerven nur einen in-
directen Einfluß ausüben; ſie ſollen eben
blos die Vollſtreckung des Willens bewirken,
wenn das Thier einen Schlag ertheilen will.
Die Erregung elektriſcher Ströme ſoll im
Organ ſelbſt ſtattfinden, gleichwie auch der
Muskelſtrom im Muskel entſteht.

Der franzöſiſche Phyſiologe Ranvier
hält hingegen das elektriſche Organ für einen
ſecundären Apparat, geradezu für einen ſolchen
nach Art der Secundärbatterien. Elektriſche
Ströme ſollen im Gehirne erregt werden
und dann in den elektriſchen Apparat über-
ſtrömen, wo ſie chemiſche Veränderungen
hervorrufen. Dieſe Ladungsoperation werde
ausgeführt, wenn ſich das Thier im Ruhe-
zuſtande befindet. Will dasſelbe einen Schlag
austheilen, ſo ſchaltet es vermöge der eigen-
thümlichen Nervenverzweigung die während
der Ladezeit in Parallelſchaltung befindlichen
Secundärelemente auf Spannung um (d. h. ſtellt eine Verbindung derſelben
hintereinander her) und bewirkt in dieſer Art die Entladung. Wir können uns hier
auf die Einwürfe, die gegen die eine oder die andere der beiden Theorien gemacht
wurden, umſoweniger einlaſſen, als zur Aufklärung dieſer ſehr intereſſanten Vor-
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[336/0350] als beim Zitteraale, aber immer noch ſchmerzhaft genug; ſie iſt am heftigſten unter Waſſer und um ſo fühlbarer, je größer die Fläche iſt, welche berührt wurde. Das Thier ertheilt die Schläge ganz willkürlich und läßt ſich durch Reizung be- wegen, viele nacheinander auszutheilen. Der Fiſch erreicht bei anderhalb Meter Länge [Abbildung Fig. 217. Elektriſches Organ des Zitterrochen.] eine Breite von beiläufig einem Meter und ein Gewicht von 25 bis 30 Kilogramm. Ueber die Wirkſamkeit der elektriſchen Organe der drei elektriſchen Fiſche ſtehen ſich zwei Anſichten ſchroff gegenüber. Du Bois-Reymond hält das elektriſche Organ für einen Apparat ähnlich unſeren gal- vaniſchen Batterien und glaubt, daß die darin verlaufenden Nerven nur einen in- directen Einfluß ausüben; ſie ſollen eben blos die Vollſtreckung des Willens bewirken, wenn das Thier einen Schlag ertheilen will. Die Erregung elektriſcher Ströme ſoll im Organ ſelbſt ſtattfinden, gleichwie auch der Muskelſtrom im Muskel entſteht. Der franzöſiſche Phyſiologe Ranvier hält hingegen das elektriſche Organ für einen ſecundären Apparat, geradezu für einen ſolchen nach Art der Secundärbatterien. Elektriſche Ströme ſollen im Gehirne erregt werden und dann in den elektriſchen Apparat über- ſtrömen, wo ſie chemiſche Veränderungen hervorrufen. Dieſe Ladungsoperation werde ausgeführt, wenn ſich das Thier im Ruhe- zuſtande befindet. Will dasſelbe einen Schlag austheilen, ſo ſchaltet es vermöge der eigen- thümlichen Nervenverzweigung die während der Ladezeit in Parallelſchaltung befindlichen Secundärelemente auf Spannung um (d. h. ſtellt eine Verbindung derſelben hintereinander her) und bewirkt in dieſer Art die Entladung. Wir können uns hier auf die Einwürfe, die gegen die eine oder die andere der beiden Theorien gemacht wurden, umſoweniger einlaſſen, als zur Aufklärung dieſer ſehr intereſſanten Vor- gänge noch ſehr viel zu prüfen und zu erforſchen bleibt.

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/350>, abgerufen am 22.11.2024.