Seit 1824 war Oersted auswärtiges Mitglied der Pariser Akademie und starb als Geheimer Conferenzrath am 9. März 1851. Oersted besaß, was über- haupt bei großen Naturforschern nicht selten der Fall ist, auch eine hervorragende ästhetische Bildung, welche man wohl wahrscheinlich seinem Umgange mit Oehlen- schläger zuzuschreiben hat. So schrieb er z. B. über das Verhältniß der Natur- wissenschaften zur Dichtkunst und Religion, veröffentlichte Schriften über allge- mein menschliche Verhältnisse, Charaktere und Reden, Gedichte u. s. w.
Oersted's Entdeckung zog die Aufmerksamkeit der Physiker im lebhaften Grade auf sich, und überall wurde sein Fundamentalversuch nachgemacht und studirt. Er kam zu sehr gelegener Zeit und brachte endlich Licht in eine Reihe von That-
[Abbildung]
Fig. 9.
Hans Christian Oersted.
sachen, die man bereits be- obachtet hatte und entweder gar nicht erklären konnte oder doch nur durch sehr gewagte Hypothesen. Zu diesen Beobachtungen ge- hören z. B. das mag- netische Verhalten von Eisenstangen, durch welche der Blitz gegangen war, und das Umpolarisiren der Magnetnadel. Die letztere Erscheinung namentlich hat ein nicht zu unterschätzen- des praktisches Interesse. Es waren nämlich wieder- holt Schiffe gescheitert oder doch ganz aus ihren Cours gerathen, einfach dadurch, daß während eines Ge- witters die Polarität ihrer Compaßnadel umgekehrt wurde, ohne daß dies die Schiffsleute während ihres Kampfes mit dem Sturme bemerkten. Das Schiff fuhr dann natürlich nach einer ganz anderen Richtung, als der Steuermann nach den Anzeigen der Magnetnadel glauben mußte.
Die vielfache Beschäftigung der Physiker mit Oersted's Entdeckung brachte nicht nur die Bestätigung derselben, sondern auch mannigfache Erweiterungen des Versuches mit sich. Den hervorragendsten Antheil hieran nahm Ampere. Andre Marie Ampere, geboren am 22. Januar 1775 zu Lyon, zog schon als zwölf- jähriger Knabe durch seine ungewöhnlichen Kenntnisse aus der Mathematik und Geometrie die Aufmerksamkeit seines Lehrers auf sich. Dies setzte ihn bereits in diesem jugendlichen Alter in Stand, bei Daburon zu Lyon das Studium der höheren Mathematik zu pflegen. Leider wurden seine Studien in entsetzlicher Weise gestört, sein Vater erlitt den Tod durch die Guillotine. Dieses Ereigniß wirkte so heftig auf das zarte Gemüth des Jünglings, daß es seine geistige Thätigkeit voll-
Seit 1824 war Oerſted auswärtiges Mitglied der Pariſer Akademie und ſtarb als Geheimer Conferenzrath am 9. März 1851. Oerſted beſaß, was über- haupt bei großen Naturforſchern nicht ſelten der Fall iſt, auch eine hervorragende äſthetiſche Bildung, welche man wohl wahrſcheinlich ſeinem Umgange mit Oehlen- ſchläger zuzuſchreiben hat. So ſchrieb er z. B. über das Verhältniß der Natur- wiſſenſchaften zur Dichtkunſt und Religion, veröffentlichte Schriften über allge- mein menſchliche Verhältniſſe, Charaktere und Reden, Gedichte u. ſ. w.
Oerſted’s Entdeckung zog die Aufmerkſamkeit der Phyſiker im lebhaften Grade auf ſich, und überall wurde ſein Fundamentalverſuch nachgemacht und ſtudirt. Er kam zu ſehr gelegener Zeit und brachte endlich Licht in eine Reihe von That-
[Abbildung]
Fig. 9.
Hans Chriſtian Oerſted.
ſachen, die man bereits be- obachtet hatte und entweder gar nicht erklären konnte oder doch nur durch ſehr gewagte Hypotheſen. Zu dieſen Beobachtungen ge- hören z. B. das mag- netiſche Verhalten von Eiſenſtangen, durch welche der Blitz gegangen war, und das Umpolariſiren der Magnetnadel. Die letztere Erſcheinung namentlich hat ein nicht zu unterſchätzen- des praktiſches Intereſſe. Es waren nämlich wieder- holt Schiffe geſcheitert oder doch ganz aus ihren Cours gerathen, einfach dadurch, daß während eines Ge- witters die Polarität ihrer Compaßnadel umgekehrt wurde, ohne daß dies die Schiffsleute während ihres Kampfes mit dem Sturme bemerkten. Das Schiff fuhr dann natürlich nach einer ganz anderen Richtung, als der Steuermann nach den Anzeigen der Magnetnadel glauben mußte.
Die vielfache Beſchäftigung der Phyſiker mit Oerſted’s Entdeckung brachte nicht nur die Beſtätigung derſelben, ſondern auch mannigfache Erweiterungen des Verſuches mit ſich. Den hervorragendſten Antheil hieran nahm Ampère. André Marie Ampère, geboren am 22. Januar 1775 zu Lyon, zog ſchon als zwölf- jähriger Knabe durch ſeine ungewöhnlichen Kenntniſſe aus der Mathematik und Geometrie die Aufmerkſamkeit ſeines Lehrers auf ſich. Dies ſetzte ihn bereits in dieſem jugendlichen Alter in Stand, bei Daburon zu Lyon das Studium der höheren Mathematik zu pflegen. Leider wurden ſeine Studien in entſetzlicher Weiſe geſtört, ſein Vater erlitt den Tod durch die Guillotine. Dieſes Ereigniß wirkte ſo heftig auf das zarte Gemüth des Jünglings, daß es ſeine geiſtige Thätigkeit voll-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0044"n="30"/><p>Seit 1824 war Oerſted auswärtiges Mitglied der Pariſer Akademie und<lb/>ſtarb als Geheimer Conferenzrath am 9. März 1851. Oerſted beſaß, was über-<lb/>
haupt bei großen Naturforſchern nicht ſelten der Fall iſt, auch eine hervorragende<lb/>
äſthetiſche Bildung, welche man wohl wahrſcheinlich ſeinem Umgange mit Oehlen-<lb/>ſchläger zuzuſchreiben hat. So ſchrieb er z. B. über das Verhältniß der Natur-<lb/>
wiſſenſchaften zur Dichtkunſt und Religion, veröffentlichte Schriften über allge-<lb/>
mein menſchliche Verhältniſſe, Charaktere und Reden, Gedichte u. ſ. w.</p><lb/><p>Oerſted’s Entdeckung zog die Aufmerkſamkeit der Phyſiker im lebhaften<lb/>
Grade auf ſich, und überall wurde ſein Fundamentalverſuch nachgemacht und ſtudirt.<lb/>
Er kam zu ſehr gelegener Zeit und brachte endlich Licht in eine Reihe von That-<lb/><figure><head>Fig. 9.</head><lb/><p>Hans Chriſtian Oerſted.</p></figure><lb/>ſachen, die man bereits be-<lb/>
obachtet hatte und entweder<lb/>
gar nicht erklären konnte<lb/>
oder doch nur durch ſehr<lb/>
gewagte Hypotheſen. Zu<lb/>
dieſen Beobachtungen ge-<lb/>
hören z. B. das mag-<lb/>
netiſche Verhalten von<lb/>
Eiſenſtangen, durch welche<lb/>
der Blitz gegangen war,<lb/>
und das Umpolariſiren der<lb/>
Magnetnadel. Die letztere<lb/>
Erſcheinung namentlich hat<lb/>
ein nicht zu unterſchätzen-<lb/>
des praktiſches Intereſſe.<lb/>
Es waren nämlich wieder-<lb/>
holt Schiffe geſcheitert oder<lb/>
doch ganz aus ihren Cours<lb/>
gerathen, einfach dadurch,<lb/>
daß während eines Ge-<lb/>
witters die Polarität ihrer<lb/>
Compaßnadel umgekehrt<lb/>
wurde, ohne daß dies die<lb/>
Schiffsleute während ihres<lb/>
Kampfes mit dem Sturme<lb/>
bemerkten. Das Schiff fuhr<lb/>
dann natürlich nach einer ganz anderen Richtung, als der Steuermann nach den<lb/>
Anzeigen der Magnetnadel glauben mußte.</p><lb/><p>Die vielfache Beſchäftigung der Phyſiker mit Oerſted’s Entdeckung brachte<lb/>
nicht nur die Beſtätigung derſelben, ſondern auch mannigfache Erweiterungen des<lb/>
Verſuches mit ſich. Den hervorragendſten Antheil hieran nahm <hirendition="#g">Amp<hirendition="#aq">è</hi>re. Andr<hirendition="#aq">é</hi><lb/>
Marie Amp<hirendition="#aq">è</hi>re</hi>, geboren am 22. Januar 1775 zu Lyon, zog ſchon als zwölf-<lb/>
jähriger Knabe durch ſeine ungewöhnlichen Kenntniſſe aus der Mathematik und<lb/>
Geometrie die Aufmerkſamkeit ſeines Lehrers auf ſich. Dies ſetzte ihn bereits in<lb/>
dieſem jugendlichen Alter in Stand, bei <hirendition="#g">Daburon</hi> zu Lyon das Studium der<lb/>
höheren Mathematik zu pflegen. Leider wurden ſeine Studien in entſetzlicher Weiſe<lb/>
geſtört, ſein Vater erlitt den Tod durch die Guillotine. Dieſes Ereigniß wirkte ſo<lb/>
heftig auf das zarte Gemüth des Jünglings, daß es ſeine geiſtige Thätigkeit voll-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[30/0044]
Seit 1824 war Oerſted auswärtiges Mitglied der Pariſer Akademie und
ſtarb als Geheimer Conferenzrath am 9. März 1851. Oerſted beſaß, was über-
haupt bei großen Naturforſchern nicht ſelten der Fall iſt, auch eine hervorragende
äſthetiſche Bildung, welche man wohl wahrſcheinlich ſeinem Umgange mit Oehlen-
ſchläger zuzuſchreiben hat. So ſchrieb er z. B. über das Verhältniß der Natur-
wiſſenſchaften zur Dichtkunſt und Religion, veröffentlichte Schriften über allge-
mein menſchliche Verhältniſſe, Charaktere und Reden, Gedichte u. ſ. w.
Oerſted’s Entdeckung zog die Aufmerkſamkeit der Phyſiker im lebhaften
Grade auf ſich, und überall wurde ſein Fundamentalverſuch nachgemacht und ſtudirt.
Er kam zu ſehr gelegener Zeit und brachte endlich Licht in eine Reihe von That-
[Abbildung Fig. 9.
Hans Chriſtian Oerſted.]
ſachen, die man bereits be-
obachtet hatte und entweder
gar nicht erklären konnte
oder doch nur durch ſehr
gewagte Hypotheſen. Zu
dieſen Beobachtungen ge-
hören z. B. das mag-
netiſche Verhalten von
Eiſenſtangen, durch welche
der Blitz gegangen war,
und das Umpolariſiren der
Magnetnadel. Die letztere
Erſcheinung namentlich hat
ein nicht zu unterſchätzen-
des praktiſches Intereſſe.
Es waren nämlich wieder-
holt Schiffe geſcheitert oder
doch ganz aus ihren Cours
gerathen, einfach dadurch,
daß während eines Ge-
witters die Polarität ihrer
Compaßnadel umgekehrt
wurde, ohne daß dies die
Schiffsleute während ihres
Kampfes mit dem Sturme
bemerkten. Das Schiff fuhr
dann natürlich nach einer ganz anderen Richtung, als der Steuermann nach den
Anzeigen der Magnetnadel glauben mußte.
Die vielfache Beſchäftigung der Phyſiker mit Oerſted’s Entdeckung brachte
nicht nur die Beſtätigung derſelben, ſondern auch mannigfache Erweiterungen des
Verſuches mit ſich. Den hervorragendſten Antheil hieran nahm Ampère. André
Marie Ampère, geboren am 22. Januar 1775 zu Lyon, zog ſchon als zwölf-
jähriger Knabe durch ſeine ungewöhnlichen Kenntniſſe aus der Mathematik und
Geometrie die Aufmerkſamkeit ſeines Lehrers auf ſich. Dies ſetzte ihn bereits in
dieſem jugendlichen Alter in Stand, bei Daburon zu Lyon das Studium der
höheren Mathematik zu pflegen. Leider wurden ſeine Studien in entſetzlicher Weiſe
geſtört, ſein Vater erlitt den Tod durch die Guillotine. Dieſes Ereigniß wirkte ſo
heftig auf das zarte Gemüth des Jünglings, daß es ſeine geiſtige Thätigkeit voll-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/44>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.