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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885.

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der "Zeitschrift des Wiener elektrotechnischen Vereines", "so wird man schwer glauben
können, daß der eigentliche Schöpfer dieser Bewegung sich einer ähnlichen Absicht
gar nie hingab. Wir sind in der Gegenwart gewohnt, alles Erforschte sofort in's
Praktische umzusetzen und es hierin den Engländern und Amerikanern gleichzu-
thun, was ja durchaus nicht vom Uebel ist, sondern zu den schönsten Folgen
theoretischer Arbeit und Forschung gerechnet werden muß. Allein höher wird
unbestritten jener Mann in unserer Schätzung stehen, der theils mit der Freude
am Untersuchen, theils mit dem selbstgewählten Ziel: den Schatz des Wissens nach
besten Kräften zu mehren, sich Genüge leistet und die materielle Verwerthung ruhig
Anderen überläßt. Solch ein Mann ist Gaston Plante. Wer sein Laboratoire
in der Rue des Tournelles betritt, findet, daß hier die Wissenschaft weder die
"melkende Kuh", noch die "dienstbare Magd", sondern die heitere, sinnige, ja
geistreiche Genossin des Hauses ist, die ihrem Meister hilft: den Blitz auf Flaschen
zu ziehen und die tiefen Geheimnisse der Wandlung einer Form der Kraft in die
andere in leicht faßlicher, ansprechendster Weise zu veranschaulichen. So finden wir
auch Plante selbst heiter und freundlich; kein Zimmerhocker und Finsterling, son-

[Abbildung] Fig. 367.

Plante-Element.

dern ein ansprechender Weltmann von gewinnendsten Umgangsformen und vollendetster
Gastlichkeit empfängt den Besucher in obgenannten Räumen."

Plante wurde im Jahre 1834 (am 22. April) zu Orthez (Departement
Basses-Pyrenees) geboren und eröffnete seine wissenschaftliche Laufbahn als Präparateur
Edm. Becquerel's am Conservatoire des arts et metiers in Paris. Seine in dem
bereits citirten Werke veröffentlichten Arbeiten über Elektricität begann er im
Jahre 1859. Als wohlverdiente Anerkennungen wurde ihm im Jahre 1881 bei
der Pariser Ausstellung für Elektricität die höchste damals verliehene Auszeichnung,
nämlich das Ehrendiplom, zu Theil, von der Akademie der Wissenschaften der
Preis Lacaze und von der Societe d'encouragement pour l'industrie nationale
die Medaille d'Ampere verliehen.

Das Princip, dessen Plante sich zur Construction seines Secundär-Elementes
bediente, besteht in der chemischen Umwandlung der Elektroden durch den Ladungs-
strom.*) Zahlreiche Versuche ergaben als hierzu am besten geeignetes Material

*) Allerdings hatte schon Sinstedten vor Plante (1854) Bleiplatten zur Herstellung
von Secundär-Elementen benützt, aber diese weder in eine praktisch verwendbare Form gebracht
noch auch deren Verhalten eingehend studirt.

der „Zeitſchrift des Wiener elektrotechniſchen Vereines“, „ſo wird man ſchwer glauben
können, daß der eigentliche Schöpfer dieſer Bewegung ſich einer ähnlichen Abſicht
gar nie hingab. Wir ſind in der Gegenwart gewohnt, alles Erforſchte ſofort in’s
Praktiſche umzuſetzen und es hierin den Engländern und Amerikanern gleichzu-
thun, was ja durchaus nicht vom Uebel iſt, ſondern zu den ſchönſten Folgen
theoretiſcher Arbeit und Forſchung gerechnet werden muß. Allein höher wird
unbeſtritten jener Mann in unſerer Schätzung ſtehen, der theils mit der Freude
am Unterſuchen, theils mit dem ſelbſtgewählten Ziel: den Schatz des Wiſſens nach
beſten Kräften zu mehren, ſich Genüge leiſtet und die materielle Verwerthung ruhig
Anderen überläßt. Solch ein Mann iſt Gaſton Planté. Wer ſein Laboratoire
in der Rue des Tournelles betritt, findet, daß hier die Wiſſenſchaft weder die
„melkende Kuh“, noch die „dienſtbare Magd“, ſondern die heitere, ſinnige, ja
geiſtreiche Genoſſin des Hauſes iſt, die ihrem Meiſter hilft: den Blitz auf Flaſchen
zu ziehen und die tiefen Geheimniſſe der Wandlung einer Form der Kraft in die
andere in leicht faßlicher, anſprechendſter Weiſe zu veranſchaulichen. So finden wir
auch Planté ſelbſt heiter und freundlich; kein Zimmerhocker und Finſterling, ſon-

[Abbildung] Fig. 367.

Planté-Element.

dern ein anſprechender Weltmann von gewinnendſten Umgangsformen und vollendetſter
Gaſtlichkeit empfängt den Beſucher in obgenannten Räumen.“

Planté wurde im Jahre 1834 (am 22. April) zu Orthez (Departement
Baſſes-Pyrénées) geboren und eröffnete ſeine wiſſenſchaftliche Laufbahn als Präparateur
Edm. Becquerel’s am Conservatoire des arts et métiers in Paris. Seine in dem
bereits citirten Werke veröffentlichten Arbeiten über Elektricität begann er im
Jahre 1859. Als wohlverdiente Anerkennungen wurde ihm im Jahre 1881 bei
der Pariſer Ausſtellung für Elektricität die höchſte damals verliehene Auszeichnung,
nämlich das Ehrendiplom, zu Theil, von der Akademie der Wiſſenſchaften der
Preis Lacaze und von der Société d’encouragement pour l’industrie nationale
die Medaille d’Ampère verliehen.

Das Princip, deſſen Planté ſich zur Conſtruction ſeines Secundär-Elementes
bediente, beſteht in der chemiſchen Umwandlung der Elektroden durch den Ladungs-
ſtrom.*) Zahlreiche Verſuche ergaben als hierzu am beſten geeignetes Material

*) Allerdings hatte ſchon Sinſtedten vor Planté (1854) Bleiplatten zur Herſtellung
von Secundär-Elementen benützt, aber dieſe weder in eine praktiſch verwendbare Form gebracht
noch auch deren Verhalten eingehend ſtudirt.
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[530/0544] der „Zeitſchrift des Wiener elektrotechniſchen Vereines“, „ſo wird man ſchwer glauben können, daß der eigentliche Schöpfer dieſer Bewegung ſich einer ähnlichen Abſicht gar nie hingab. Wir ſind in der Gegenwart gewohnt, alles Erforſchte ſofort in’s Praktiſche umzuſetzen und es hierin den Engländern und Amerikanern gleichzu- thun, was ja durchaus nicht vom Uebel iſt, ſondern zu den ſchönſten Folgen theoretiſcher Arbeit und Forſchung gerechnet werden muß. Allein höher wird unbeſtritten jener Mann in unſerer Schätzung ſtehen, der theils mit der Freude am Unterſuchen, theils mit dem ſelbſtgewählten Ziel: den Schatz des Wiſſens nach beſten Kräften zu mehren, ſich Genüge leiſtet und die materielle Verwerthung ruhig Anderen überläßt. Solch ein Mann iſt Gaſton Planté. Wer ſein Laboratoire in der Rue des Tournelles betritt, findet, daß hier die Wiſſenſchaft weder die „melkende Kuh“, noch die „dienſtbare Magd“, ſondern die heitere, ſinnige, ja geiſtreiche Genoſſin des Hauſes iſt, die ihrem Meiſter hilft: den Blitz auf Flaſchen zu ziehen und die tiefen Geheimniſſe der Wandlung einer Form der Kraft in die andere in leicht faßlicher, anſprechendſter Weiſe zu veranſchaulichen. So finden wir auch Planté ſelbſt heiter und freundlich; kein Zimmerhocker und Finſterling, ſon- [Abbildung Fig. 367. Planté-Element.] dern ein anſprechender Weltmann von gewinnendſten Umgangsformen und vollendetſter Gaſtlichkeit empfängt den Beſucher in obgenannten Räumen.“ Planté wurde im Jahre 1834 (am 22. April) zu Orthez (Departement Baſſes-Pyrénées) geboren und eröffnete ſeine wiſſenſchaftliche Laufbahn als Präparateur Edm. Becquerel’s am Conservatoire des arts et métiers in Paris. Seine in dem bereits citirten Werke veröffentlichten Arbeiten über Elektricität begann er im Jahre 1859. Als wohlverdiente Anerkennungen wurde ihm im Jahre 1881 bei der Pariſer Ausſtellung für Elektricität die höchſte damals verliehene Auszeichnung, nämlich das Ehrendiplom, zu Theil, von der Akademie der Wiſſenſchaften der Preis Lacaze und von der Société d’encouragement pour l’industrie nationale die Medaille d’Ampère verliehen. Das Princip, deſſen Planté ſich zur Conſtruction ſeines Secundär-Elementes bediente, beſteht in der chemiſchen Umwandlung der Elektroden durch den Ladungs- ſtrom. *) Zahlreiche Verſuche ergaben als hierzu am beſten geeignetes Material *) Allerdings hatte ſchon Sinſtedten vor Planté (1854) Bleiplatten zur Herſtellung von Secundär-Elementen benützt, aber dieſe weder in eine praktiſch verwendbare Form gebracht noch auch deren Verhalten eingehend ſtudirt.

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Zitationshilfe: Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/544>, abgerufen am 22.11.2024.