kennen lernen, die uns einen Fingerzeig giebt, wie wir über die Constitution der Magnete zu denken haben.
Bricht man nämlich einen dünnen, langen Magnetstab (etwa von der Form einer Stricknadel), der an einem Ende einen Südpol, an dem entgegengesetzten Ende einen Nordpol besitzt, in der Mitte, also in der Indifferenzzone, entzwei, so ent- hält nicht, wie man nach der Annahme zweier magnetischer Fluida erwarten müßte, die eine Hälfte des Stabes ausschließlich Nordmagnetismus und die andere Hälfte Südmagnetismus, sondern man bekommt zwei Magnete, deren jeder beiderlei Pole besitzt. Die Vertheilung der letzteren in jedem Bruchstücke ist derart, daß die ursprünglichen Enden des Stabes ihre anfängliche Polarität behalten, an der Bruch- stelle, der ursprünglichen Indifferenzzone, hingegen neue Pole in der Weise ent- stehen, daß die Bruchflächen zu einander entgegengesetzten Polen werden. Man kann nun jedes dieser Bruchstücke wieder entzweibrechen und erhält dann vier einzelne Magnete, überhaupt den Magnet in noch so viele und daher kleine Stücke zer- theilen, so wird doch jedes Stück immer wieder einen vollständigen Magnet bilden. Die Anordnung der Pole in diesen kleinen Elementarmagneten ist immer derart.
[Abbildung]
Fig. 21.
Constitution der Magnete.
daß sämmtliche Nordpole gegen den Nordpol des ursprünglichen ungetheilten Magnetes, sämmtliche Südpole nach dem Südpole des ungetheilten Magnetes gerichtet sind. Fig. 21 veranschaulicht dies. Wir ersehen daraus, daß ein Magnet thatsächlich aus lauter kleinen Theilchen oder Molekülen besteht, deren jedes einen Nord- und einen Südpol besitzt, und daß im Magnete alle seine magnetischen Moleküle derart gerichtet sind, daß sie ihre Nordpole nach der einen, ihre Südpole nach der entgegengesetzten Richtung kehren.
Auf Grund dieser Constitution der Magnete fällt es nicht schwer, die ver- schiedenen magnetischen Erscheinungen zu erklären. Betrachten wir z. B. die An- ziehung. Nähert man etwa dem Südpole eines Magnetes ein Stück Eisen, so kehren sämmtliche magnetischen Moleküle des Magnetes ihre Südpole dem Eisen- stücke zu; folglich sind deren Südpole dem Eisenstücke näher, als ihre Nordpole und die Einwirkung der Südpole muß überwiegen. Im Eisenstücke werden nun die vorher vollkommen durcheinanderliegenden und daher nach außen unwirksamen magnetischen Moleküle derart gerichtet, daß sie alle ihre Nordpole gegen den Magnet kehren, also der Nordmagnetismus überwiegen muß. Und nun haben wir einfach wieder die Anziehung zwischen Nord- und Südpol. Demnach ist auch das
kennen lernen, die uns einen Fingerzeig giebt, wie wir über die Conſtitution der Magnete zu denken haben.
Bricht man nämlich einen dünnen, langen Magnetſtab (etwa von der Form einer Stricknadel), der an einem Ende einen Südpol, an dem entgegengeſetzten Ende einen Nordpol beſitzt, in der Mitte, alſo in der Indifferenzzone, entzwei, ſo ent- hält nicht, wie man nach der Annahme zweier magnetiſcher Fluida erwarten müßte, die eine Hälfte des Stabes ausſchließlich Nordmagnetismus und die andere Hälfte Südmagnetismus, ſondern man bekommt zwei Magnete, deren jeder beiderlei Pole beſitzt. Die Vertheilung der letzteren in jedem Bruchſtücke iſt derart, daß die urſprünglichen Enden des Stabes ihre anfängliche Polarität behalten, an der Bruch- ſtelle, der urſprünglichen Indifferenzzone, hingegen neue Pole in der Weiſe ent- ſtehen, daß die Bruchflächen zu einander entgegengeſetzten Polen werden. Man kann nun jedes dieſer Bruchſtücke wieder entzweibrechen und erhält dann vier einzelne Magnete, überhaupt den Magnet in noch ſo viele und daher kleine Stücke zer- theilen, ſo wird doch jedes Stück immer wieder einen vollſtändigen Magnet bilden. Die Anordnung der Pole in dieſen kleinen Elementarmagneten iſt immer derart.
[Abbildung]
Fig. 21.
Conſtitution der Magnete.
daß ſämmtliche Nordpole gegen den Nordpol des urſprünglichen ungetheilten Magnetes, ſämmtliche Südpole nach dem Südpole des ungetheilten Magnetes gerichtet ſind. Fig. 21 veranſchaulicht dies. Wir erſehen daraus, daß ein Magnet thatſächlich aus lauter kleinen Theilchen oder Molekülen beſteht, deren jedes einen Nord- und einen Südpol beſitzt, und daß im Magnete alle ſeine magnetiſchen Moleküle derart gerichtet ſind, daß ſie ihre Nordpole nach der einen, ihre Südpole nach der entgegengeſetzten Richtung kehren.
Auf Grund dieſer Conſtitution der Magnete fällt es nicht ſchwer, die ver- ſchiedenen magnetiſchen Erſcheinungen zu erklären. Betrachten wir z. B. die An- ziehung. Nähert man etwa dem Südpole eines Magnetes ein Stück Eiſen, ſo kehren ſämmtliche magnetiſchen Moleküle des Magnetes ihre Südpole dem Eiſen- ſtücke zu; folglich ſind deren Südpole dem Eiſenſtücke näher, als ihre Nordpole und die Einwirkung der Südpole muß überwiegen. Im Eiſenſtücke werden nun die vorher vollkommen durcheinanderliegenden und daher nach außen unwirkſamen magnetiſchen Moleküle derart gerichtet, daß ſie alle ihre Nordpole gegen den Magnet kehren, alſo der Nordmagnetismus überwiegen muß. Und nun haben wir einfach wieder die Anziehung zwiſchen Nord- und Südpol. Demnach iſt auch das
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[45/0059]
kennen lernen, die uns einen Fingerzeig giebt, wie wir über die Conſtitution der
Magnete zu denken haben.
Bricht man nämlich einen dünnen, langen Magnetſtab (etwa von der Form
einer Stricknadel), der an einem Ende einen Südpol, an dem entgegengeſetzten Ende
einen Nordpol beſitzt, in der Mitte, alſo in der Indifferenzzone, entzwei, ſo ent-
hält nicht, wie man nach der Annahme zweier magnetiſcher Fluida erwarten müßte,
die eine Hälfte des Stabes ausſchließlich Nordmagnetismus und die andere Hälfte
Südmagnetismus, ſondern man bekommt zwei Magnete, deren jeder beiderlei Pole
beſitzt. Die Vertheilung der letzteren in jedem Bruchſtücke iſt derart, daß die
urſprünglichen Enden des Stabes ihre anfängliche Polarität behalten, an der Bruch-
ſtelle, der urſprünglichen Indifferenzzone, hingegen neue Pole in der Weiſe ent-
ſtehen, daß die Bruchflächen zu einander entgegengeſetzten Polen werden. Man kann
nun jedes dieſer Bruchſtücke wieder entzweibrechen und erhält dann vier einzelne
Magnete, überhaupt den Magnet in noch ſo viele und daher kleine Stücke zer-
theilen, ſo wird doch jedes Stück immer wieder einen vollſtändigen Magnet bilden.
Die Anordnung der Pole in dieſen kleinen Elementarmagneten iſt immer derart.
[Abbildung Fig. 21.
Conſtitution der Magnete.]
daß ſämmtliche Nordpole gegen den Nordpol des urſprünglichen ungetheilten
Magnetes, ſämmtliche Südpole nach dem Südpole des ungetheilten Magnetes
gerichtet ſind. Fig. 21 veranſchaulicht dies. Wir erſehen daraus, daß ein Magnet
thatſächlich aus lauter kleinen Theilchen oder Molekülen beſteht, deren jedes einen
Nord- und einen Südpol beſitzt, und daß im Magnete alle ſeine magnetiſchen
Moleküle derart gerichtet ſind, daß ſie ihre Nordpole nach der einen, ihre Südpole
nach der entgegengeſetzten Richtung kehren.
Auf Grund dieſer Conſtitution der Magnete fällt es nicht ſchwer, die ver-
ſchiedenen magnetiſchen Erſcheinungen zu erklären. Betrachten wir z. B. die An-
ziehung. Nähert man etwa dem Südpole eines Magnetes ein Stück Eiſen, ſo
kehren ſämmtliche magnetiſchen Moleküle des Magnetes ihre Südpole dem Eiſen-
ſtücke zu; folglich ſind deren Südpole dem Eiſenſtücke näher, als ihre Nordpole
und die Einwirkung der Südpole muß überwiegen. Im Eiſenſtücke werden nun die
vorher vollkommen durcheinanderliegenden und daher nach außen unwirkſamen
magnetiſchen Moleküle derart gerichtet, daß ſie alle ihre Nordpole gegen den
Magnet kehren, alſo der Nordmagnetismus überwiegen muß. Und nun haben wir
einfach wieder die Anziehung zwiſchen Nord- und Südpol. Demnach iſt auch das
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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/59>, abgerufen am 21.11.2024.
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