haben. Diese Art der Elektricitätserregung nennt man Erregung durch Influenz oder durch Vertheilung, und die auf dem Stabe erregte Elektricität dementsprechend Influenz- oder Vertheilungs-Elektricität.
Bei obigem Versuche beobachtet man aber auch, daß der Stab a b nicht an allen Stellen gleich stark elektrisch geworden ist, denn, indes die Pendel bei a und b eine starke Abstoßung zeigen, wird das Pendel nahe der Mitte des Stabes fast gar nicht abgestoßen. Bewegt man dieses Pendel dem Stab entlang, so kommt man zu einer Stelle, wo die Abstoßung wirklich gleich Null ist. Daraus folgt aber, daß der Stab an dieser Stelle unelektrisch ist, während die Elektricität an den beiden Enden bei a und b ihre größte Dichte besitzt. Untersucht man ferner nach einer der früher angegebenen Methoden die Art der Elektricität auf dem Stabe,
[Abbildung]
Fig. 41.
Vertheilungsapparat nach Rieß.
so findet man jene bei a der bei b entgegengesetzt und jene bei a entgegen- gesetzt jener auf der Kugel e.
Man theilt z. B. der Kugel e positive Elektricität mit und nähert nun der Hollundermarkkugel bei a eine ge- riebene Siegellackstange; diese wird die Hollundermarkkugel abstoßen, während eine geriebene Glasstange dieselbe an- zieht. Das Ende des Messingstabes bei a ist deshalb negativ elektrisch. Nähert man jedoch der Hollunder- markkugel bei b eine Siegellackstange, so zieht diese die Kugel an, während eine geriebene Glasstange sie abstößt; daher ist das obere Ende des Messing- stabes positiv elektrisch. Durch Ver- schieben der mittleren Hollundermark- kugel erreicht man, wie bereits erwähnt, eine Stelle des Messingcylinders, die sich ganz unelektrisch erweist und nahezu in der Mitte des Stabes, jedoch näher der Messingkugel e zu liegt. Man nennt diese Stelle Mittellinie oder Indifferenzzone.
Ladet man die Kugel e mit negativer Elektricität, so treten im Stabe a b ganz gleiche Erscheinungen auf, nur folgen sie in umgekehrter Ordnung: das Ende bei a wird positiv elektrisch, dann folgt wieder die Indifferenzzone, und das Ende bei b ist negativ elektrisch. Die Influenz-Elektricität tritt in jedem Körper auf, welcher der Kugel genähert wird, und zwar immer derart, daß an jener Stelle des Körpers, welche sich der Kugel am nächsten befindet, Elektricität entgegen- gesetzter Art, und an jener Stelle, welche von der Kugel am weitesten entfernt ist, Elektricität gleicher Art erscheint. Die Kugel kann hierbei auch durch irgend einen anderen elektrisirten Körper ersetzt werden.
Entfernt man den influenzirenden Körper von dem influenzirten oder entladet man den influenzirenden Körper, so wird jedoch in beiden Fällen der elektrische Zustand des influenzirten Körpers aufgehoben. Daraus ergiebt sich aber, daß die
haben. Dieſe Art der Elektricitätserregung nennt man Erregung durch Influenz oder durch Vertheilung, und die auf dem Stabe erregte Elektricität dementſprechend Influenz- oder Vertheilungs-Elektricität.
Bei obigem Verſuche beobachtet man aber auch, daß der Stab a b nicht an allen Stellen gleich ſtark elektriſch geworden iſt, denn, indes die Pendel bei a und b eine ſtarke Abſtoßung zeigen, wird das Pendel nahe der Mitte des Stabes faſt gar nicht abgeſtoßen. Bewegt man dieſes Pendel dem Stab entlang, ſo kommt man zu einer Stelle, wo die Abſtoßung wirklich gleich Null iſt. Daraus folgt aber, daß der Stab an dieſer Stelle unelektriſch iſt, während die Elektricität an den beiden Enden bei a und b ihre größte Dichte beſitzt. Unterſucht man ferner nach einer der früher angegebenen Methoden die Art der Elektricität auf dem Stabe,
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Fig. 41.
Vertheilungsapparat nach Rieß.
ſo findet man jene bei a der bei b entgegengeſetzt und jene bei a entgegen- geſetzt jener auf der Kugel e.
Man theilt z. B. der Kugel e poſitive Elektricität mit und nähert nun der Hollundermarkkugel bei a eine ge- riebene Siegellackſtange; dieſe wird die Hollundermarkkugel abſtoßen, während eine geriebene Glasſtange dieſelbe an- zieht. Das Ende des Meſſingſtabes bei a iſt deshalb negativ elektriſch. Nähert man jedoch der Hollunder- markkugel bei b eine Siegellackſtange, ſo zieht dieſe die Kugel an, während eine geriebene Glasſtange ſie abſtößt; daher iſt das obere Ende des Meſſing- ſtabes poſitiv elektriſch. Durch Ver- ſchieben der mittleren Hollundermark- kugel erreicht man, wie bereits erwähnt, eine Stelle des Meſſingcylinders, die ſich ganz unelektriſch erweiſt und nahezu in der Mitte des Stabes, jedoch näher der Meſſingkugel e zu liegt. Man nennt dieſe Stelle Mittellinie oder Indifferenzzone.
Ladet man die Kugel e mit negativer Elektricität, ſo treten im Stabe a b ganz gleiche Erſcheinungen auf, nur folgen ſie in umgekehrter Ordnung: das Ende bei a wird poſitiv elektriſch, dann folgt wieder die Indifferenzzone, und das Ende bei b iſt negativ elektriſch. Die Influenz-Elektricität tritt in jedem Körper auf, welcher der Kugel genähert wird, und zwar immer derart, daß an jener Stelle des Körpers, welche ſich der Kugel am nächſten befindet, Elektricität entgegen- geſetzter Art, und an jener Stelle, welche von der Kugel am weiteſten entfernt iſt, Elektricität gleicher Art erſcheint. Die Kugel kann hierbei auch durch irgend einen anderen elektriſirten Körper erſetzt werden.
Entfernt man den influenzirenden Körper von dem influenzirten oder entladet man den influenzirenden Körper, ſo wird jedoch in beiden Fällen der elektriſche Zuſtand des influenzirten Körpers aufgehoben. Daraus ergiebt ſich aber, daß die
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haben. Dieſe Art der Elektricitätserregung nennt man Erregung durch Influenz
oder durch Vertheilung, und die auf dem Stabe erregte Elektricität dementſprechend
Influenz- oder Vertheilungs-Elektricität.
Bei obigem Verſuche beobachtet man aber auch, daß der Stab a b nicht an allen
Stellen gleich ſtark elektriſch geworden iſt, denn, indes die Pendel bei a und b
eine ſtarke Abſtoßung zeigen, wird das Pendel nahe der Mitte des Stabes faſt
gar nicht abgeſtoßen. Bewegt man dieſes Pendel dem Stab entlang, ſo kommt
man zu einer Stelle, wo die Abſtoßung wirklich gleich Null iſt. Daraus folgt
aber, daß der Stab an dieſer Stelle unelektriſch iſt, während die Elektricität an
den beiden Enden bei a und b ihre größte Dichte beſitzt. Unterſucht man ferner
nach einer der früher angegebenen Methoden die Art der Elektricität auf dem Stabe,
[Abbildung Fig. 41.
Vertheilungsapparat nach Rieß.]
ſo findet man jene bei a der bei b
entgegengeſetzt und jene bei a entgegen-
geſetzt jener auf der Kugel e.
Man theilt z. B. der Kugel e
poſitive Elektricität mit und nähert nun
der Hollundermarkkugel bei a eine ge-
riebene Siegellackſtange; dieſe wird die
Hollundermarkkugel abſtoßen, während
eine geriebene Glasſtange dieſelbe an-
zieht. Das Ende des Meſſingſtabes
bei a iſt deshalb negativ elektriſch.
Nähert man jedoch der Hollunder-
markkugel bei b eine Siegellackſtange,
ſo zieht dieſe die Kugel an, während
eine geriebene Glasſtange ſie abſtößt;
daher iſt das obere Ende des Meſſing-
ſtabes poſitiv elektriſch. Durch Ver-
ſchieben der mittleren Hollundermark-
kugel erreicht man, wie bereits erwähnt,
eine Stelle des Meſſingcylinders, die
ſich ganz unelektriſch erweiſt und nahezu
in der Mitte des Stabes, jedoch näher
der Meſſingkugel e zu liegt. Man
nennt dieſe Stelle Mittellinie oder
Indifferenzzone.
Ladet man die Kugel e mit negativer Elektricität, ſo treten im Stabe a b
ganz gleiche Erſcheinungen auf, nur folgen ſie in umgekehrter Ordnung: das Ende
bei a wird poſitiv elektriſch, dann folgt wieder die Indifferenzzone, und das Ende
bei b iſt negativ elektriſch. Die Influenz-Elektricität tritt in jedem Körper auf,
welcher der Kugel genähert wird, und zwar immer derart, daß an jener Stelle
des Körpers, welche ſich der Kugel am nächſten befindet, Elektricität entgegen-
geſetzter Art, und an jener Stelle, welche von der Kugel am weiteſten entfernt iſt,
Elektricität gleicher Art erſcheint. Die Kugel kann hierbei auch durch irgend einen
anderen elektriſirten Körper erſetzt werden.
Entfernt man den influenzirenden Körper von dem influenzirten oder entladet
man den influenzirenden Körper, ſo wird jedoch in beiden Fällen der elektriſche
Zuſtand des influenzirten Körpers aufgehoben. Daraus ergiebt ſich aber, daß die
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Urbanitzky, Alfred von: Die Elektricität im Dienste der Menschheit. Wien; Leipzig, 1885, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/urbanitzky_electricitaet_1885/96>, abgerufen am 21.11.2024.
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