Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.Briefe. Die auch ein Meineyd nicht erschreckt,Sobald sich ein Gewinn entdeckt: Die Heuchler, derer fromme Zungen Bald andachtvolle Lieder sungen, Und bald, o heiliges Bemühn! Den Gift vergällter Lästerungen Auf ihren bessern Nächsten spien: Der Harte, der sich nie erbarmet, Nie auf den Armen hülfreich blickt: Der Falsche, der den Freund umarmet, Und ihm den Dolch ins Herze drückt: Der giftigen Verläumdung Freunde, Die glänzender Verdienste Feinde, Verfolger aller Tugend sind; Und jene plaudernde Sibyllen, Die iedes Haus mit Zwist erfüllen, Wo ihr Geschwätz ein Ohr gewinnt; Verlebte müssige Matronen, Die Geisseln, ja die Pest der Strassen, wo sie wohnen. Kurz, aller Unflath des menschlichen Geschlechts fließet ich
Briefe. Die auch ein Meineyd nicht erſchreckt,Sobald ſich ein Gewinn entdeckt: Die Heuchler, derer fromme Zungen Bald andachtvolle Lieder ſungen, Und bald, o heiliges Bemuͤhn! Den Gift vergaͤllter Laͤſterungen Auf ihren beſſern Naͤchſten ſpien: Der Harte, der ſich nie erbarmet, Nie auf den Armen huͤlfreich blickt: Der Falſche, der den Freund umarmet, Und ihm den Dolch ins Herze druͤckt: Der giftigen Verlaͤumdung Freunde, Die glaͤnzender Verdienſte Feinde, Verfolger aller Tugend ſind; Und jene plaudernde Sibyllen, Die iedes Haus mit Zwiſt erfuͤllen, Wo ihr Geſchwaͤtz ein Ohr gewinnt; Verlebte muͤſſige Matronen, Die Geiſſeln, ja die Peſt der Straſſen, wo ſie wohnen. Kurz, aller Unflath des menſchlichen Geſchlechts fließet ich
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Briefe.
Die auch ein Meineyd nicht erſchreckt,
Sobald ſich ein Gewinn entdeckt:
Die Heuchler, derer fromme Zungen
Bald andachtvolle Lieder ſungen,
Und bald, o heiliges Bemuͤhn!
Den Gift vergaͤllter Laͤſterungen
Auf ihren beſſern Naͤchſten ſpien:
Der Harte, der ſich nie erbarmet,
Nie auf den Armen huͤlfreich blickt:
Der Falſche, der den Freund umarmet,
Und ihm den Dolch ins Herze druͤckt:
Der giftigen Verlaͤumdung Freunde,
Die glaͤnzender Verdienſte Feinde,
Verfolger aller Tugend ſind;
Und jene plaudernde Sibyllen,
Die iedes Haus mit Zwiſt erfuͤllen,
Wo ihr Geſchwaͤtz ein Ohr gewinnt;
Verlebte muͤſſige Matronen,
Die Geiſſeln, ja die Peſt der Straſſen, wo ſie wohnen.
Kurz, aller Unflath des menſchlichen Geſchlechts fließet
in dieſen traurigen Gruͤften zuſammen; ein ieder zu ſeiner
beſtimmten Strafe. Sind dir, ſetzte der Gnome mit
ſeiner gewoͤhnlichen poſſenhaften Art hinzu, dergleichen
Leute, die ich einſtens hier zu ſehen hoffen darf, an dem
Orte deines itzigen Aufenthaltes bekannt? Welche ſind es?
Luſtig! erzehle mir was! Biſt du denn gar nicht aufge-
weckt? nicht boshaft? Jch erwiederte verdruͤßlich, daß
ich
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Zitationshilfe: | Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/226>, abgerufen am 17.02.2025. |