Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
Lyrische Gedichte


Der Weise auf dem Lande.
O Wald! o Schatten grüner Gänge!
Geliebte Flur voll Frühlings Pracht!
Mich hat vom städtischen Gedränge
Mein günstig Glück zu euch gebracht:
Wo ich, nach unruhvollen Stunden,
Die Ruhe, die dem Weisen lacht,
Jm Schoose der Natur gefunden.
Jch fühle mich wie neugebohren,
Und fang erst nun zu leben an,
Seit, fern vom Trotze reicher Thoren,
Jch hier in Freyheit athmen kann.
Es krieche wer nach Ehre flieget!
Jch werde nie ein grosser Mann,
Weil ich mich knechtisch nicht geschmieget.
Es mögen andre höher trachten:
Sie mögen, hungrig nach Gewinn,
Jm Joche der Geschäfte schmachten,
Da ich der Knechtschaft müde bin!
Sie drängen sich durch List und Gaben
An ihre Ruderbänke hin;
Dieweil sie Sklavenseelen haben.
Du
Lyriſche Gedichte


Der Weiſe auf dem Lande.
O Wald! o Schatten gruͤner Gaͤnge!
Geliebte Flur voll Fruͤhlings Pracht!
Mich hat vom ſtaͤdtiſchen Gedraͤnge
Mein guͤnſtig Gluͤck zu euch gebracht:
Wo ich, nach unruhvollen Stunden,
Die Ruhe, die dem Weiſen lacht,
Jm Schooſe der Natur gefunden.
Jch fuͤhle mich wie neugebohren,
Und fang erſt nun zu leben an,
Seit, fern vom Trotze reicher Thoren,
Jch hier in Freyheit athmen kann.
Es krieche wer nach Ehre flieget!
Jch werde nie ein groſſer Mann,
Weil ich mich knechtiſch nicht geſchmieget.
Es moͤgen andre hoͤher trachten:
Sie moͤgen, hungrig nach Gewinn,
Jm Joche der Geſchaͤfte ſchmachten,
Da ich der Knechtſchaft muͤde bin!
Sie draͤngen ſich durch Liſt und Gaben
An ihre Ruderbaͤnke hin;
Dieweil ſie Sklavenſeelen haben.
Du
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0070" n="56"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Lyri&#x017F;che Gedichte</hi> </fw><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg type="poem">
            <head> <hi rendition="#b">Der Wei&#x017F;e auf dem Lande.</hi> </head><lb/>
            <lg n="1">
              <l><hi rendition="#in">O</hi> Wald! o Schatten gru&#x0364;ner Ga&#x0364;nge!</l><lb/>
              <l>Geliebte Flur voll Fru&#x0364;hlings Pracht!</l><lb/>
              <l>Mich hat vom &#x017F;ta&#x0364;dti&#x017F;chen Gedra&#x0364;nge</l><lb/>
              <l>Mein gu&#x0364;n&#x017F;tig Glu&#x0364;ck zu euch gebracht:</l><lb/>
              <l>Wo ich, nach unruhvollen Stunden,</l><lb/>
              <l>Die Ruhe, die dem Wei&#x017F;en lacht,</l><lb/>
              <l>Jm Schoo&#x017F;e der Natur gefunden.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l><hi rendition="#in">J</hi>ch fu&#x0364;hle mich wie neugebohren,</l><lb/>
              <l>Und fang er&#x017F;t nun zu leben an,</l><lb/>
              <l>Seit, fern vom Trotze reicher Thoren,</l><lb/>
              <l>Jch hier in Freyheit athmen kann.</l><lb/>
              <l>Es krieche wer nach Ehre flieget!</l><lb/>
              <l>Jch werde nie ein gro&#x017F;&#x017F;er Mann,</l><lb/>
              <l>Weil ich mich knechti&#x017F;ch nicht ge&#x017F;chmieget.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l><hi rendition="#in">E</hi>s mo&#x0364;gen andre ho&#x0364;her trachten:</l><lb/>
              <l>Sie mo&#x0364;gen, hungrig nach Gewinn,</l><lb/>
              <l>Jm Joche der Ge&#x017F;cha&#x0364;fte &#x017F;chmachten,</l><lb/>
              <l>Da ich der Knecht&#x017F;chaft mu&#x0364;de bin!</l><lb/>
              <l>Sie dra&#x0364;ngen &#x017F;ich durch Li&#x017F;t und Gaben</l><lb/>
              <l>An ihre Ruderba&#x0364;nke hin;</l><lb/>
              <l>Dieweil &#x017F;ie Sklaven&#x017F;eelen haben.</l>
            </lg><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Du</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[56/0070] Lyriſche Gedichte Der Weiſe auf dem Lande. O Wald! o Schatten gruͤner Gaͤnge! Geliebte Flur voll Fruͤhlings Pracht! Mich hat vom ſtaͤdtiſchen Gedraͤnge Mein guͤnſtig Gluͤck zu euch gebracht: Wo ich, nach unruhvollen Stunden, Die Ruhe, die dem Weiſen lacht, Jm Schooſe der Natur gefunden. Jch fuͤhle mich wie neugebohren, Und fang erſt nun zu leben an, Seit, fern vom Trotze reicher Thoren, Jch hier in Freyheit athmen kann. Es krieche wer nach Ehre flieget! Jch werde nie ein groſſer Mann, Weil ich mich knechtiſch nicht geſchmieget. Es moͤgen andre hoͤher trachten: Sie moͤgen, hungrig nach Gewinn, Jm Joche der Geſchaͤfte ſchmachten, Da ich der Knechtſchaft muͤde bin! Sie draͤngen ſich durch Liſt und Gaben An ihre Ruderbaͤnke hin; Dieweil ſie Sklavenſeelen haben. Du

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die Erstausgabe der vorliegenden Gedichtsammlung … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/70
Zitationshilfe: Uz, Johann Peter: Lyrische und andere Gedichte. 2. Aufl. Ansbach, 1755, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/uz_gedichte_1755/70>, abgerufen am 19.05.2024.