Anhang. I. Ueber Pockels Vesicula erythroides und dessen Theorie der frühesten Formation des mensch- lichen Eies und Embryo überhaupt.
Pockels wählte unter mehr, als 50 durch Abortus abgegan- genen Eiern vier aus, welche er für völlig normal hielt und aus denen er den allerfrühesten Zustand der Entwickelungsgeschichte des Menschen zu erkennen im Stande zu seyn glaubte (Isis 1825. S. 1342--1350.). Das Chorion liegt nach ihm in der decidua, ohne mit ihr durch Blutgefässe verbunden zu seyn, und enthält zunächst eine röthliche, mit Fäden durchzogene, eiweissartige Flüssigkeit. In dieser letzteren befindet sich in den ersten 14 Tagen das Amnionbläschen von meist birnförmiger, bisweilen ku- gelrunder Gestalt, mit seinem Stiele an einer Stelle des Chorion befestigt. Der Embryo ist kaum 1 Linie gross, weisslich gelb, in der Mitte platt und zusammengedrückt, an beiden Enden dik- ker und von gallertartiger Consistenz. Er liegt bis zu dem zwölf- ten Tage nach der Befruchtung ausserhalb der Amnionhöhle mit seinem Rücken in einer flachen Grube desselben durch Zellge- webe etwa seit dem achten Tage locker befestigt. Mit fernerem Wachsthume senkt sich der Embryo tiefer in das Amnion hinein und bildet auf diese Weise eine Scheide aus dem Amnion an seiner Bauchseite. Um diese Zeit stehen zwei wichtige Gebilde mit dem Embryo in Verbindung: 1. Die Vesicula erythroides, ein bisher unbekanntes Organ des Eies. Sie ist eine plattge- drückte, länglich birnförmige Blase, deren breiteres Ende auf dem Amnion über den Embryonalkörper hinaus liegt, deren schmäleres Ende in die Bauchseite desselben mündet. In Eiern von 8--12 Tagen ist sie ungefähr dreimal so lang, als der Embryo; in der vierten Woche dagegen nicht mehr sichtbar. Sie ist durchschei- nend, milchweiss. In ihren Wänden lassen sich im frischen Zu- stande eine Menge rother Kügelchen erkennen, welche sich in
Anhang zum ersten Abschnitt.
[Tabelle]
Anhang. I. Ueber Pockels Vesicula erythroides und dessen Theorie der frühesten Formation des mensch- lichen Eies und Embryo überhaupt.
Pockels wählte unter mehr, als 50 durch Abortus abgegan- genen Eiern vier aus, welche er für völlig normal hielt und aus denen er den allerfrühesten Zustand der Entwickelungsgeschichte des Menschen zu erkennen im Stande zu seyn glaubte (Isis 1825. S. 1342—1350.). Das Chorion liegt nach ihm in der decidua, ohne mit ihr durch Blutgefäſse verbunden zu seyn, und enthält zunächst eine röthliche, mit Fäden durchzogene, eiweiſsartige Flüssigkeit. In dieser letzteren befindet sich in den ersten 14 Tagen das Amnionbläschen von meist birnförmiger, bisweilen ku- gelrunder Gestalt, mit seinem Stiele an einer Stelle des Chorion befestigt. Der Embryo ist kaum 1 Linie groſs, weiſslich gelb, in der Mitte platt und zusammengedrückt, an beiden Enden dik- ker und von gallertartiger Consistenz. Er liegt bis zu dem zwölf- ten Tage nach der Befruchtung auſserhalb der Amnionhöhle mit seinem Rücken in einer flachen Grube desselben durch Zellge- webe etwa seit dem achten Tage locker befestigt. Mit fernerem Wachsthume senkt sich der Embryo tiefer in das Amnion hinein und bildet auf diese Weise eine Scheide aus dem Amnion an seiner Bauchseite. Um diese Zeit stehen zwei wichtige Gebilde mit dem Embryo in Verbindung: 1. Die Vesicula erythroides, ein bisher unbekanntes Organ des Eies. Sie ist eine plattge- drückte, länglich birnförmige Blase, deren breiteres Ende auf dem Amnion über den Embryonalkörper hinaus liegt, deren schmäleres Ende in die Bauchseite desselben mündet. In Eiern von 8—12 Tagen ist sie ungefähr dreimal so lang, als der Embryo; in der vierten Woche dagegen nicht mehr sichtbar. Sie ist durchschei- nend, milchweiſs. In ihren Wänden lassen sich im frischen Zu- stande eine Menge rother Kügelchen erkennen, welche sich in
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0162"n="134"/><fwplace="top"type="header">Anhang zum ersten Abschnitt.</fw><lb/><table><row><cell/></row></table></p></div></div></div><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="2"><head><hirendition="#g">Anhang</hi>.<lb/><hirendition="#i">I. Ueber Pockels Vesicula erythroides und dessen<lb/>
Theorie der frühesten Formation des mensch-<lb/>
lichen Eies und Embryo überhaupt</hi>.</head><lb/><p>Pockels wählte unter mehr, als 50 durch Abortus abgegan-<lb/>
genen Eiern vier aus, welche er für völlig normal hielt und aus<lb/>
denen er den allerfrühesten Zustand der Entwickelungsgeschichte<lb/>
des Menschen zu erkennen im Stande zu seyn glaubte (Isis 1825.<lb/>
S. 1342—1350.). Das Chorion liegt nach ihm in der <hirendition="#i">decidua</hi>,<lb/>
ohne mit ihr durch Blutgefäſse verbunden zu seyn, und enthält<lb/>
zunächst eine röthliche, mit Fäden durchzogene, eiweiſsartige<lb/>
Flüssigkeit. In dieser letzteren befindet sich in den ersten 14<lb/>
Tagen das Amnionbläschen von meist birnförmiger, bisweilen ku-<lb/>
gelrunder Gestalt, mit seinem Stiele an einer Stelle des Chorion<lb/>
befestigt. Der Embryo ist kaum 1 Linie groſs, weiſslich gelb,<lb/>
in der Mitte platt und zusammengedrückt, an beiden Enden dik-<lb/>
ker und von gallertartiger Consistenz. Er liegt bis zu dem zwölf-<lb/>
ten Tage nach der Befruchtung auſserhalb der Amnionhöhle mit<lb/>
seinem Rücken in einer flachen Grube desselben durch Zellge-<lb/>
webe etwa seit dem achten Tage locker befestigt. Mit fernerem<lb/>
Wachsthume senkt sich der Embryo tiefer in das Amnion hinein<lb/>
und bildet auf diese Weise eine Scheide aus dem Amnion an<lb/>
seiner Bauchseite. Um diese Zeit stehen zwei wichtige Gebilde<lb/>
mit dem Embryo in Verbindung: 1. Die <hirendition="#i">Vesicula erythroides</hi>,<lb/>
ein bisher unbekanntes Organ des Eies. Sie ist eine plattge-<lb/>
drückte, länglich birnförmige Blase, deren breiteres Ende auf dem<lb/>
Amnion über den Embryonalkörper hinaus liegt, deren schmäleres<lb/>
Ende in die Bauchseite desselben mündet. In Eiern von 8—12<lb/>
Tagen ist sie ungefähr dreimal so lang, als der Embryo; in der<lb/>
vierten Woche dagegen nicht mehr sichtbar. Sie ist durchschei-<lb/>
nend, milchweiſs. In ihren Wänden lassen sich im frischen Zu-<lb/>
stande eine Menge rother Kügelchen erkennen, welche sich in<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[134/0162]
Anhang zum ersten Abschnitt.
Anhang.
I. Ueber Pockels Vesicula erythroides und dessen
Theorie der frühesten Formation des mensch-
lichen Eies und Embryo überhaupt.
Pockels wählte unter mehr, als 50 durch Abortus abgegan-
genen Eiern vier aus, welche er für völlig normal hielt und aus
denen er den allerfrühesten Zustand der Entwickelungsgeschichte
des Menschen zu erkennen im Stande zu seyn glaubte (Isis 1825.
S. 1342—1350.). Das Chorion liegt nach ihm in der decidua,
ohne mit ihr durch Blutgefäſse verbunden zu seyn, und enthält
zunächst eine röthliche, mit Fäden durchzogene, eiweiſsartige
Flüssigkeit. In dieser letzteren befindet sich in den ersten 14
Tagen das Amnionbläschen von meist birnförmiger, bisweilen ku-
gelrunder Gestalt, mit seinem Stiele an einer Stelle des Chorion
befestigt. Der Embryo ist kaum 1 Linie groſs, weiſslich gelb,
in der Mitte platt und zusammengedrückt, an beiden Enden dik-
ker und von gallertartiger Consistenz. Er liegt bis zu dem zwölf-
ten Tage nach der Befruchtung auſserhalb der Amnionhöhle mit
seinem Rücken in einer flachen Grube desselben durch Zellge-
webe etwa seit dem achten Tage locker befestigt. Mit fernerem
Wachsthume senkt sich der Embryo tiefer in das Amnion hinein
und bildet auf diese Weise eine Scheide aus dem Amnion an
seiner Bauchseite. Um diese Zeit stehen zwei wichtige Gebilde
mit dem Embryo in Verbindung: 1. Die Vesicula erythroides,
ein bisher unbekanntes Organ des Eies. Sie ist eine plattge-
drückte, länglich birnförmige Blase, deren breiteres Ende auf dem
Amnion über den Embryonalkörper hinaus liegt, deren schmäleres
Ende in die Bauchseite desselben mündet. In Eiern von 8—12
Tagen ist sie ungefähr dreimal so lang, als der Embryo; in der
vierten Woche dagegen nicht mehr sichtbar. Sie ist durchschei-
nend, milchweiſs. In ihren Wänden lassen sich im frischen Zu-
stande eine Menge rother Kügelchen erkennen, welche sich in
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/162>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.