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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
und als Grosshirn-, Augen und Kleinhirnblase gedeutet hatte (de
generatione animal. Exerc
. LVI. Ed. Amstelod. 1651. 12. p.
356.), sagt bei Beschreibung der zarten Embryonen des Damm-
hirsches aus der Mitte des Novembers (l. c. exerc. LXIX. p.
447.): "Caput ex tribus vesiculis sive globulis parvis imper-
fecte compositum cernitur.
" In neuerer Zeit beobachtete sie
Meckel am Kaninchen (l. c. tab. 1. fig. 1--3.), dem Schaafe (l.
c. tab. 1. fig. 22--26.) und dem Menschen (l. c. tab. 2. fig. 1.
2.), Tiedemann (l. c. tab. 1. fig. 2.) und E. H. Weber (l. c. tab.
3. fig. 5.) dem Menschen, Joh. Müller (Bildungsgeschichte der
Genitalien. 1830. 4. tab. 3. fig. 1.) bei der Maus und bei dem
Menschen (de ovo hum. atque embryone obs. anat. 1830. 4. p. 4.
Meckels Arch. 1830. S. 431.) und wir selbst am Kaninchen, der
Ratte, dem Schweine, dem Schaafe, dem Maulwurfe und zum
Theil dem Menschen. Eben so setzt sich hier wie im Vogelhirne,
die Masse von unten nach oben an. An der Basis erfolgt der erste
Körnchenniederschlag und späterhin die erste Spur von Faserung.
Hierauf beruht auch die von Meckel, Tiedemann und Weber an-
gegebene frühe Entstehung der Hirnschenkel, da diese Männer
den dichteren Stoff an der unteren Fläche zwischen Vierhügel-
und Grosshirnblase mit diesem Namen belegen. Doch sey mir
die Bemerkung hier erlaubt, dass man bei der Deutung der Urru-
dimente keines Theiles vorsichtiger seyn müsse, als der des Hirnes.
Denn hier existiren offenbar schon früher die einzelnen Gebilde
als äusserst feine Nüancen der halbflüssigen Masse, bevor sie durch
grössere Stoffanhäufung leichter der Beobachtung zugänglich sind.
Dies zeigt vorzüglich die Bildung der einzelnen Hirntheile als
Fortsetzungen der Visceralstränge, wie später noch bemerkt wer-
den soll. Das centrale Nervensystem überhaupt sondert sich ohne
Zweifel auch früher morphologisch, als histiologisch. Daher ist
auch die Idee, als entstehe das Hirn- und Rückenmark aus dem
Umschlagen gewisser Blätter (der Visceralstränge) durchaus man-
gelhaft und unrichtig.

Die weitere Ausbildung der einzelnen Hirnblasen hängt, wie
schon Meckel und Tiedemann, vorzüglich aber Burdach (Physiol.
II. S. 424.) bemerkt haben, mit der Krümmung des Embryo über-
haupt zusammen. Wie nämlich die Neigung der vordersten Hirn-
blase gegen die Visceralwand hin abnimmt und die spitzwinkli-
gere Einknickung des Kopfes mehr zu kreisförmigen Begrenzun-

Von dem Embryo.
und als Groſshirn-, Augen und Kleinhirnblase gedeutet hatte (de
generatione animal. Exerc
. LVI. Ed. Amstelod. 1651. 12. p.
356.), sagt bei Beschreibung der zarten Embryonen des Damm-
hirsches aus der Mitte des Novembers (l. c. exerc. LXIX. p.
447.): „Caput ex tribus vesiculis sive globulis parvis imper-
fecte compositum cernitur.
“ In neuerer Zeit beobachtete sie
Meckel am Kaninchen (l. c. tab. 1. fig. 1—3.), dem Schaafe (l.
c. tab. 1. fig. 22—26.) und dem Menschen (l. c. tab. 2. fig. 1.
2.), Tiedemann (l. c. tab. 1. fig. 2.) und E. H. Weber (l. c. tab.
3. fig. 5.) dem Menschen, Joh. Müller (Bildungsgeschichte der
Genitalien. 1830. 4. tab. 3. fig. 1.) bei der Maus und bei dem
Menschen (de ovo hum. atque embryone obs. anat. 1830. 4. p. 4.
Meckels Arch. 1830. S. 431.) und wir selbst am Kaninchen, der
Ratte, dem Schweine, dem Schaafe, dem Maulwurfe und zum
Theil dem Menschen. Eben so setzt sich hier wie im Vogelhirne,
die Masse von unten nach oben an. An der Basis erfolgt der erste
Körnchenniederschlag und späterhin die erste Spur von Faserung.
Hierauf beruht auch die von Meckel, Tiedemann und Weber an-
gegebene frühe Entstehung der Hirnschenkel, da diese Männer
den dichteren Stoff an der unteren Fläche zwischen Vierhügel-
und Groſshirnblase mit diesem Namen belegen. Doch sey mir
die Bemerkung hier erlaubt, daſs man bei der Deutung der Urru-
dimente keines Theiles vorsichtiger seyn müsse, als der des Hirnes.
Denn hier existiren offenbar schon früher die einzelnen Gebilde
als äuſserst feine Nüancen der halbflüssigen Masse, bevor sie durch
gröſsere Stoffanhäufung leichter der Beobachtung zugänglich sind.
Dies zeigt vorzüglich die Bildung der einzelnen Hirntheile als
Fortsetzungen der Visceralstränge, wie später noch bemerkt wer-
den soll. Das centrale Nervensystem überhaupt sondert sich ohne
Zweifel auch früher morphologisch, als histiologisch. Daher ist
auch die Idee, als entstehe das Hirn- und Rückenmark aus dem
Umschlagen gewisser Blätter (der Visceralstränge) durchaus man-
gelhaft und unrichtig.

Die weitere Ausbildung der einzelnen Hirnblasen hängt, wie
schon Meckel und Tiedemann, vorzüglich aber Burdach (Physiol.
II. S. 424.) bemerkt haben, mit der Krümmung des Embryo über-
haupt zusammen. Wie nämlich die Neigung der vordersten Hirn-
blase gegen die Visceralwand hin abnimmt und die spitzwinkli-
gere Einknickung des Kopfes mehr zu kreisförmigen Begrenzun-

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[164/0192] Von dem Embryo. und als Groſshirn-, Augen und Kleinhirnblase gedeutet hatte (de generatione animal. Exerc. LVI. Ed. Amstelod. 1651. 12. p. 356.), sagt bei Beschreibung der zarten Embryonen des Damm- hirsches aus der Mitte des Novembers (l. c. exerc. LXIX. p. 447.): „Caput ex tribus vesiculis sive globulis parvis imper- fecte compositum cernitur.“ In neuerer Zeit beobachtete sie Meckel am Kaninchen (l. c. tab. 1. fig. 1—3.), dem Schaafe (l. c. tab. 1. fig. 22—26.) und dem Menschen (l. c. tab. 2. fig. 1. 2.), Tiedemann (l. c. tab. 1. fig. 2.) und E. H. Weber (l. c. tab. 3. fig. 5.) dem Menschen, Joh. Müller (Bildungsgeschichte der Genitalien. 1830. 4. tab. 3. fig. 1.) bei der Maus und bei dem Menschen (de ovo hum. atque embryone obs. anat. 1830. 4. p. 4. Meckels Arch. 1830. S. 431.) und wir selbst am Kaninchen, der Ratte, dem Schweine, dem Schaafe, dem Maulwurfe und zum Theil dem Menschen. Eben so setzt sich hier wie im Vogelhirne, die Masse von unten nach oben an. An der Basis erfolgt der erste Körnchenniederschlag und späterhin die erste Spur von Faserung. Hierauf beruht auch die von Meckel, Tiedemann und Weber an- gegebene frühe Entstehung der Hirnschenkel, da diese Männer den dichteren Stoff an der unteren Fläche zwischen Vierhügel- und Groſshirnblase mit diesem Namen belegen. Doch sey mir die Bemerkung hier erlaubt, daſs man bei der Deutung der Urru- dimente keines Theiles vorsichtiger seyn müsse, als der des Hirnes. Denn hier existiren offenbar schon früher die einzelnen Gebilde als äuſserst feine Nüancen der halbflüssigen Masse, bevor sie durch gröſsere Stoffanhäufung leichter der Beobachtung zugänglich sind. Dies zeigt vorzüglich die Bildung der einzelnen Hirntheile als Fortsetzungen der Visceralstränge, wie später noch bemerkt wer- den soll. Das centrale Nervensystem überhaupt sondert sich ohne Zweifel auch früher morphologisch, als histiologisch. Daher ist auch die Idee, als entstehe das Hirn- und Rückenmark aus dem Umschlagen gewisser Blätter (der Visceralstränge) durchaus man- gelhaft und unrichtig. Die weitere Ausbildung der einzelnen Hirnblasen hängt, wie schon Meckel und Tiedemann, vorzüglich aber Burdach (Physiol. II. S. 424.) bemerkt haben, mit der Krümmung des Embryo über- haupt zusammen. Wie nämlich die Neigung der vordersten Hirn- blase gegen die Visceralwand hin abnimmt und die spitzwinkli- gere Einknickung des Kopfes mehr zu kreisförmigen Begrenzun-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/192>, abgerufen am 18.05.2024.