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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Gehirn und Rückenmark.
strickförmigen Körper früher, als Pyramiden- und Olivarstränge
entstehen, zu berichtigen. Diese Visceralstränge, wie man sie
bis zu ihrer völligen Trennung nennen könnte, gehen, wie man
wegen des Mangels der Brücke auf das deutlichste im dritten Mo-
nate verfolgen kann, zum Theil in die Hirnschenkel über, nachdem
vorher eine partielle Kreuzung derselben Statt gefunden (Tiede-
mann l. c. S. 95.). Diese ist im vierten Monate noch schöner
darzustellen und, wie es der Natur der histiologischen Ausbildung
gemäss ist, zu der Zeit nicht durch Fasern, sondern durch Faser-
bündel oder kleine Stränge bewirkt. Aber auch abgesehen hier-
von ist die Kreuzungsstelle verhältnissmässig breiter, als im Er-
wachsenen. Zuerst sondern sich mit Ausbildung des kleinen Ge-
hirnes die strickförmigen Körper von der Masse der Visceralstränge
durch einen leichten Einschnitt (Meck. Arch. I. S. 356.). Die
Pyramiden- und Olivarstränge werden nach Meckel im fünften
(Arch. I. S. 357.), nach Tiedemann (l. c. S. 96.) im sechsten
Monate deutlich geschieden. Jeder strickförmige Körper ist im
siebenmonatlichen Fötus nach Döllinger (l. c. S. 23.) in drei flache
Wülste getheilt, während die olivenförmigen ein mehr verlänger-
tes Ansehen, schärfere Trennung und überhaupt grössere Deut-
lichkeit, als bei dem Erwachsenen haben (l. c. S. 24.). -- Die
verschiedenartigen Fortsetzungen der einzelnen Visceralstränge
sind nur aus der Combination des Fötusgehirnes und des des Er-
wachsenen zu erkennen, und so gehen die Pyramidenstränge (nicht
vom ersten Anfang an, sondern sobald die histiologische Sonde-
rung in Faserbündel begonnen), wie Tiedemann (l. c. S. 100.)
schon bemerkt, in Seh-, Streifenhügel und grosse Hirnwulst, die
Olivarstränge dagegen in die Vierhügel über. Als Fortsetzung
der strickförmigen Körper ist aber endlich das kleine Gehirn an-
zusehen. Denn diese (oder genauer gesagt, die Stelle derselben,
d. h. die äussere Seite der Visceralstränge) verdicken sich im
zweiten Monate und proliferiren so zwei schmale Leistchen (Tie-
demann tab. 1. fig. 7. d. d.), welche, indem sie mehr nach oben
gehen, die vierte Hirnhöhle bedecken und das Rudiment des klei-
nen Gehirnes darstellen. Wahrscheinlich entstehen diese an dem
vorderen eingeschnürten Theile des verlängerten Markes. Doch
glückte es uns noch nicht, dies in der Natur vollständig zu ver-
folgen. Diesen frühesten Zustand des kleinen Gehirnes haben
v. Bär (über Entwgesch. S. 75. bei Burdach S. 306.) am Vogel,

Gehirn und Rückenmark.
strickförmigen Körper früher, als Pyramiden- und Olivarstränge
entstehen, zu berichtigen. Diese Visceralstränge, wie man sie
bis zu ihrer völligen Trennung nennen könnte, gehen, wie man
wegen des Mangels der Brücke auf das deutlichste im dritten Mo-
nate verfolgen kann, zum Theil in die Hirnschenkel über, nachdem
vorher eine partielle Kreuzung derselben Statt gefunden (Tiede-
mann l. c. S. 95.). Diese ist im vierten Monate noch schöner
darzustellen und, wie es der Natur der histiologischen Ausbildung
gemäſs ist, zu der Zeit nicht durch Fasern, sondern durch Faser-
bündel oder kleine Stränge bewirkt. Aber auch abgesehen hier-
von ist die Kreuzungsstelle verhältniſsmäſsig breiter, als im Er-
wachsenen. Zuerst sondern sich mit Ausbildung des kleinen Ge-
hirnes die strickförmigen Körper von der Masse der Visceralstränge
durch einen leichten Einschnitt (Meck. Arch. I. S. 356.). Die
Pyramiden- und Olivarstränge werden nach Meckel im fünften
(Arch. I. S. 357.), nach Tiedemann (l. c. S. 96.) im sechsten
Monate deutlich geschieden. Jeder strickförmige Körper ist im
siebenmonatlichen Fötus nach Döllinger (l. c. S. 23.) in drei flache
Wülste getheilt, während die olivenförmigen ein mehr verlänger-
tes Ansehen, schärfere Trennung und überhaupt gröſsere Deut-
lichkeit, als bei dem Erwachsenen haben (l. c. S. 24.). — Die
verschiedenartigen Fortsetzungen der einzelnen Visceralstränge
sind nur aus der Combination des Fötusgehirnes und des des Er-
wachsenen zu erkennen, und so gehen die Pyramidenstränge (nicht
vom ersten Anfang an, sondern sobald die histiologische Sonde-
rung in Faserbündel begonnen), wie Tiedemann (l. c. S. 100.)
schon bemerkt, in Seh-, Streifenhügel und groſse Hirnwulst, die
Olivarstränge dagegen in die Vierhügel über. Als Fortsetzung
der strickförmigen Körper ist aber endlich das kleine Gehirn an-
zusehen. Denn diese (oder genauer gesagt, die Stelle derselben,
d. h. die äuſsere Seite der Visceralstränge) verdicken sich im
zweiten Monate und proliferiren so zwei schmale Leistchen (Tie-
demann tab. 1. fig. 7. d. d.), welche, indem sie mehr nach oben
gehen, die vierte Hirnhöhle bedecken und das Rudiment des klei-
nen Gehirnes darstellen. Wahrscheinlich entstehen diese an dem
vorderen eingeschnürten Theile des verlängerten Markes. Doch
glückte es uns noch nicht, dies in der Natur vollständig zu ver-
folgen. Diesen frühesten Zustand des kleinen Gehirnes haben
v. Bär (über Entwgesch. S. 75. bei Burdach S. 306.) am Vogel,

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[173/0201] Gehirn und Rückenmark. strickförmigen Körper früher, als Pyramiden- und Olivarstränge entstehen, zu berichtigen. Diese Visceralstränge, wie man sie bis zu ihrer völligen Trennung nennen könnte, gehen, wie man wegen des Mangels der Brücke auf das deutlichste im dritten Mo- nate verfolgen kann, zum Theil in die Hirnschenkel über, nachdem vorher eine partielle Kreuzung derselben Statt gefunden (Tiede- mann l. c. S. 95.). Diese ist im vierten Monate noch schöner darzustellen und, wie es der Natur der histiologischen Ausbildung gemäſs ist, zu der Zeit nicht durch Fasern, sondern durch Faser- bündel oder kleine Stränge bewirkt. Aber auch abgesehen hier- von ist die Kreuzungsstelle verhältniſsmäſsig breiter, als im Er- wachsenen. Zuerst sondern sich mit Ausbildung des kleinen Ge- hirnes die strickförmigen Körper von der Masse der Visceralstränge durch einen leichten Einschnitt (Meck. Arch. I. S. 356.). Die Pyramiden- und Olivarstränge werden nach Meckel im fünften (Arch. I. S. 357.), nach Tiedemann (l. c. S. 96.) im sechsten Monate deutlich geschieden. Jeder strickförmige Körper ist im siebenmonatlichen Fötus nach Döllinger (l. c. S. 23.) in drei flache Wülste getheilt, während die olivenförmigen ein mehr verlänger- tes Ansehen, schärfere Trennung und überhaupt gröſsere Deut- lichkeit, als bei dem Erwachsenen haben (l. c. S. 24.). — Die verschiedenartigen Fortsetzungen der einzelnen Visceralstränge sind nur aus der Combination des Fötusgehirnes und des des Er- wachsenen zu erkennen, und so gehen die Pyramidenstränge (nicht vom ersten Anfang an, sondern sobald die histiologische Sonde- rung in Faserbündel begonnen), wie Tiedemann (l. c. S. 100.) schon bemerkt, in Seh-, Streifenhügel und groſse Hirnwulst, die Olivarstränge dagegen in die Vierhügel über. Als Fortsetzung der strickförmigen Körper ist aber endlich das kleine Gehirn an- zusehen. Denn diese (oder genauer gesagt, die Stelle derselben, d. h. die äuſsere Seite der Visceralstränge) verdicken sich im zweiten Monate und proliferiren so zwei schmale Leistchen (Tie- demann tab. 1. fig. 7. d. d.), welche, indem sie mehr nach oben gehen, die vierte Hirnhöhle bedecken und das Rudiment des klei- nen Gehirnes darstellen. Wahrscheinlich entstehen diese an dem vorderen eingeschnürten Theile des verlängerten Markes. Doch glückte es uns noch nicht, dies in der Natur vollständig zu ver- folgen. Diesen frühesten Zustand des kleinen Gehirnes haben v. Bär (über Entwgesch. S. 75. bei Burdach S. 306.) am Vogel,

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/201>, abgerufen am 18.05.2024.