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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
entgegengesetzte um. Als Wendepunkt desselben kann bei dem Men-
schen der fünfte Monat angesehen werden. -- Im ersten Zustande ist
die Urbildung des ganzen centralen Nervensystemes ein gleich brei-
tes und dickes Rohr, welches sich bald von oben nach unten gleich-
mässig zuspitzt. Dieser früheste Zustand ist zwar bei dem Menschen
noch nicht gesehen worden. Man kann ihn aber leicht bei dem Vogel
beobachten, wo ihn auch schon Wolff, Nicolai, Pander, Prevost und
Dumas, Bär u. A. dargestellt haben. Bei Säugethieren haben ihn
Prevost und Dumas am besten aus dem Kaninchen (Annales des
sc. nat. Tom. III. pl.
5--7. Frorieps Notiz. Jan. 1825. No.
188. fig. 12.) und dem Hunde (ebds. fig. 5. a.) gezeichnet. Allein
diese Bildung dauert nur sehr kurze Zeit und der Verdickung
am Kopfende folgt bald eine ähnliche am Schwanzende, kurz
nachdem die ersten Wirbelrudimente sich gezeigt haben. Die
Anschwellung am hinteren Ende ist in frühester Zeit so gross, ja
bei dem Vogel oft grösser, als die vordere und stellt eine mehr
oder minder rhombische oder rhomboidische Begrenzung dar.
Mit ihr wird auch das früher mehr in die Fruchtanlage verflie-
ssende Ende des Rückenmarkes und der Wirbelsäule schärfer ge-
sondert und deutlicher marquirt. Der übrige, zwischen Kopf-
und Endanschwellung gelegene Theil des Rückenmarkes bleibt
sich durchaus gleich und wird eher, wie wir in der Folge noch
sehen werden, durch die neben ihm sich bildenden Wirbelrudi-
mente, als in sich selbst, bezeichnet. Erst nach der Bildung und
Entwickelung der Extremitäten entstehen auch die Anschwellun-
gen für die aus denselben heraustretenden Nerven. Die Nacken-
anschwellung wird so im dritten Monate deutlicher und scheint
durch grösseren Massenansatz von aussen her bedingt zu seyn.
Dass aber die rhomboidische Anschwellung nicht in dieser Be-
deutung bloss auftreten könne, erhellt sowohl aus ihrer Umbil-
dung in den sinus rhomboidalis bei vielen Thieren, als aus der
um die Zeit der Entwickelung der unteren Extremitäten sich um
ein Bedeutendes vermehrenden Massenanhäufung an den äusseren
Seitenflächen, endlich noch daraus, dass zur mittleren Zeit des
Fötuslebens sie bisweilen sogar kleiner ist, als die obere An-
schwellung. Doch lässt sich anderseits ein gewisser Zusammen-
hang mit dem sinus nicht verkennen. -- Das untere Ende des
Rückenmarkes hängt dagegen mit der Ausbildung der Nerven der
unteren Extremitäten zusammen. Im dritten Monate füllt das

Von dem Embryo.
entgegengesetzte um. Als Wendepunkt desselben kann bei dem Men-
schen der fünfte Monat angesehen werden. — Im ersten Zustande ist
die Urbildung des ganzen centralen Nervensystemes ein gleich brei-
tes und dickes Rohr, welches sich bald von oben nach unten gleich-
mäſsig zuspitzt. Dieser früheste Zustand ist zwar bei dem Menschen
noch nicht gesehen worden. Man kann ihn aber leicht bei dem Vogel
beobachten, wo ihn auch schon Wolff, Nicolai, Pander, Prevost und
Dumas, Bär u. A. dargestellt haben. Bei Säugethieren haben ihn
Prevost und Dumas am besten aus dem Kaninchen (Annales des
sc. nat. Tom. III. pl.
5—7. Frorieps Notiz. Jan. 1825. No.
188. fig. 12.) und dem Hunde (ebds. fig. 5. a.) gezeichnet. Allein
diese Bildung dauert nur sehr kurze Zeit und der Verdickung
am Kopfende folgt bald eine ähnliche am Schwanzende, kurz
nachdem die ersten Wirbelrudimente sich gezeigt haben. Die
Anschwellung am hinteren Ende ist in frühester Zeit so groſs, ja
bei dem Vogel oft gröſser, als die vordere und stellt eine mehr
oder minder rhombische oder rhomboidische Begrenzung dar.
Mit ihr wird auch das früher mehr in die Fruchtanlage verflie-
ſsende Ende des Rückenmarkes und der Wirbelsäule schärfer ge-
sondert und deutlicher marquirt. Der übrige, zwischen Kopf-
und Endanschwellung gelegene Theil des Rückenmarkes bleibt
sich durchaus gleich und wird eher, wie wir in der Folge noch
sehen werden, durch die neben ihm sich bildenden Wirbelrudi-
mente, als in sich selbst, bezeichnet. Erst nach der Bildung und
Entwickelung der Extremitäten entstehen auch die Anschwellun-
gen für die aus denselben heraustretenden Nerven. Die Nacken-
anschwellung wird so im dritten Monate deutlicher und scheint
durch gröſseren Massenansatz von auſsen her bedingt zu seyn.
Daſs aber die rhomboidische Anschwellung nicht in dieser Be-
deutung bloſs auftreten könne, erhellt sowohl aus ihrer Umbil-
dung in den sinus rhomboidalis bei vielen Thieren, als aus der
um die Zeit der Entwickelung der unteren Extremitäten sich um
ein Bedeutendes vermehrenden Massenanhäufung an den äuſseren
Seitenflächen, endlich noch daraus, daſs zur mittleren Zeit des
Fötuslebens sie bisweilen sogar kleiner ist, als die obere An-
schwellung. Doch läſst sich anderseits ein gewisser Zusammen-
hang mit dem sinus nicht verkennen. — Das untere Ende des
Rückenmarkes hängt dagegen mit der Ausbildung der Nerven der
unteren Extremitäten zusammen. Im dritten Monate füllt das

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[178/0206] Von dem Embryo. entgegengesetzte um. Als Wendepunkt desselben kann bei dem Men- schen der fünfte Monat angesehen werden. — Im ersten Zustande ist die Urbildung des ganzen centralen Nervensystemes ein gleich brei- tes und dickes Rohr, welches sich bald von oben nach unten gleich- mäſsig zuspitzt. Dieser früheste Zustand ist zwar bei dem Menschen noch nicht gesehen worden. Man kann ihn aber leicht bei dem Vogel beobachten, wo ihn auch schon Wolff, Nicolai, Pander, Prevost und Dumas, Bär u. A. dargestellt haben. Bei Säugethieren haben ihn Prevost und Dumas am besten aus dem Kaninchen (Annales des sc. nat. Tom. III. pl. 5—7. Frorieps Notiz. Jan. 1825. No. 188. fig. 12.) und dem Hunde (ebds. fig. 5. a.) gezeichnet. Allein diese Bildung dauert nur sehr kurze Zeit und der Verdickung am Kopfende folgt bald eine ähnliche am Schwanzende, kurz nachdem die ersten Wirbelrudimente sich gezeigt haben. Die Anschwellung am hinteren Ende ist in frühester Zeit so groſs, ja bei dem Vogel oft gröſser, als die vordere und stellt eine mehr oder minder rhombische oder rhomboidische Begrenzung dar. Mit ihr wird auch das früher mehr in die Fruchtanlage verflie- ſsende Ende des Rückenmarkes und der Wirbelsäule schärfer ge- sondert und deutlicher marquirt. Der übrige, zwischen Kopf- und Endanschwellung gelegene Theil des Rückenmarkes bleibt sich durchaus gleich und wird eher, wie wir in der Folge noch sehen werden, durch die neben ihm sich bildenden Wirbelrudi- mente, als in sich selbst, bezeichnet. Erst nach der Bildung und Entwickelung der Extremitäten entstehen auch die Anschwellun- gen für die aus denselben heraustretenden Nerven. Die Nacken- anschwellung wird so im dritten Monate deutlicher und scheint durch gröſseren Massenansatz von auſsen her bedingt zu seyn. Daſs aber die rhomboidische Anschwellung nicht in dieser Be- deutung bloſs auftreten könne, erhellt sowohl aus ihrer Umbil- dung in den sinus rhomboidalis bei vielen Thieren, als aus der um die Zeit der Entwickelung der unteren Extremitäten sich um ein Bedeutendes vermehrenden Massenanhäufung an den äuſseren Seitenflächen, endlich noch daraus, daſs zur mittleren Zeit des Fötuslebens sie bisweilen sogar kleiner ist, als die obere An- schwellung. Doch läſst sich anderseits ein gewisser Zusammen- hang mit dem sinus nicht verkennen. — Das untere Ende des Rückenmarkes hängt dagegen mit der Ausbildung der Nerven der unteren Extremitäten zusammen. Im dritten Monate füllt das

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/206>, abgerufen am 18.05.2024.