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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Extremitätengürtel. Knochengewebe.
gewisse lineare Stellung erscheint undeutlich hin und wieder,
wenn man zarte Schnitte zwischen zwei Glasplatten zerdrückt,
was aber auch in anderen Geweben, z. B. des Hirnes, des Rük-
kenmarkes, der serösen Häute, in frühester Zeit der Fall ist.
Dieser Zustand dauert so lange, bis der erste Anfang zu einem
höheren Grade von Solidescenz gemacht wird, nicht etwa bis
das erste punctum ossificationis mit blossem Auge gesehen wer-
den kann, sondern um Vieles früher, wenn dem äusseren Anscheine
nach die ganze Masse nur noch von knorpeliger Consistenz ist.
Man hat nämlich die Verknöcherung aus einem schiefen Gesichts-
punkte angeschen. Man glaubte, dass zu der Knorpelmasse phos-
phorsauere Kalkerde hinzutrete, oder, wie es sich Einige sogar
ganz mechanisch dachten, in gewissen Höhlen oder Zwischenräu-
men abgelagert werde, während die erstere Parthei die Knorpel-
substanz entweder dieselbe bleiben oder während dieses Actes
aufgesogen werden und an ihre Stelle Knochenmaterie treten liess.
Allein die Metamorphose geht hier eben so ununterbrochen fort,
als in jedem anderen Organe. Ja sie wird sogar rascher und
auffallender ihre Bildungsstufen durchlaufen müssen, weil sie grö-
ssere Extreme zu erreichen hat. Das Nähere, wie sich dieser
Stoffwechsel durch chemische Zusammensetzung verändere, wird
erst bei weiterer Vervollkommnung der microchemischen Analyse
sich ergeben können. -- Die Gestaltveränderungen dagegen sind
folgende: An die Stelle der körnerreichen Masse tritt eine glas-
artig durchsichtige Substanz, welche in Verhältniss zu dem un-
mittelbar vorhergehenden Zustande weniger, an und für sich aber
noch viele Körnchen enthält. Mit diesem Acte hat aber eine neue
Bildungsperiode angefangen, und er kann mit Recht als der Wende-
und Uebergangspunkt zur Formation des eigenthümlichen Kno-
chengewebes angesehen werden. Es entstehen nämlich 1. die
Knochenkanäle. Diese machen, wie Purkinje und ich bald zeigen
werden, in jedem Knochen ein eigenes, bestimmtes und charakteri-
stisches System aus, welches dem ersteren einen besonderen Charak-
ter aufdrückt und, wie die feinsten Blutgefässnetze, in jedem Theile
von eigenthümlicher Conformation ist. Auch die Entstehung der
Knochenkanäle stimmt mit der der Blutgefässe auffallend überein.
Denn es bilden sich zuerst in der früher ganz soliden Masse ein-
zelne rundliche Höhlen, anfangs von durchaus kugliger Form, ge-
gen die Mitte der Masse zu, jedoch der äusseren Oberfläche etwas

Extremitätengürtel. Knochengewebe.
gewisse lineare Stellung erscheint undeutlich hin und wieder,
wenn man zarte Schnitte zwischen zwei Glasplatten zerdrückt,
was aber auch in anderen Geweben, z. B. des Hirnes, des Rük-
kenmarkes, der serösen Häute, in frühester Zeit der Fall ist.
Dieser Zustand dauert so lange, bis der erste Anfang zu einem
höheren Grade von Solidescenz gemacht wird, nicht etwa bis
das erste punctum ossificationis mit bloſsem Auge gesehen wer-
den kann, sondern um Vieles früher, wenn dem äuſseren Anscheine
nach die ganze Masse nur noch von knorpeliger Consistenz ist.
Man hat nämlich die Verknöcherung aus einem schiefen Gesichts-
punkte angeschen. Man glaubte, daſs zu der Knorpelmasse phos-
phorsauere Kalkerde hinzutrete, oder, wie es sich Einige sogar
ganz mechanisch dachten, in gewissen Höhlen oder Zwischenräu-
men abgelagert werde, während die erstere Parthei die Knorpel-
substanz entweder dieselbe bleiben oder während dieses Actes
aufgesogen werden und an ihre Stelle Knochenmaterie treten lieſs.
Allein die Metamorphose geht hier eben so ununterbrochen fort,
als in jedem anderen Organe. Ja sie wird sogar rascher und
auffallender ihre Bildungsstufen durchlaufen müssen, weil sie grö-
ſsere Extreme zu erreichen hat. Das Nähere, wie sich dieser
Stoffwechsel durch chemische Zusammensetzung verändere, wird
erst bei weiterer Vervollkommnung der microchemischen Analyse
sich ergeben können. — Die Gestaltveränderungen dagegen sind
folgende: An die Stelle der körnerreichen Masse tritt eine glas-
artig durchsichtige Substanz, welche in Verhältniſs zu dem un-
mittelbar vorhergehenden Zustande weniger, an und für sich aber
noch viele Körnchen enthält. Mit diesem Acte hat aber eine neue
Bildungsperiode angefangen, und er kann mit Recht als der Wende-
und Uebergangspunkt zur Formation des eigenthümlichen Kno-
chengewebes angesehen werden. Es entstehen nämlich 1. die
Knochenkanäle. Diese machen, wie Purkinje und ich bald zeigen
werden, in jedem Knochen ein eigenes, bestimmtes und charakteri-
stisches System aus, welches dem ersteren einen besonderen Charak-
ter aufdrückt und, wie die feinsten Blutgefäſsnetze, in jedem Theile
von eigenthümlicher Conformation ist. Auch die Entstehung der
Knochenkanäle stimmt mit der der Blutgefäſse auffallend überein.
Denn es bilden sich zuerst in der früher ganz soliden Masse ein-
zelne rundliche Höhlen, anfangs von durchaus kugliger Form, ge-
gen die Mitte der Masse zu, jedoch der äuſseren Oberfläche etwas

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[261/0289] Extremitätengürtel. Knochengewebe. gewisse lineare Stellung erscheint undeutlich hin und wieder, wenn man zarte Schnitte zwischen zwei Glasplatten zerdrückt, was aber auch in anderen Geweben, z. B. des Hirnes, des Rük- kenmarkes, der serösen Häute, in frühester Zeit der Fall ist. Dieser Zustand dauert so lange, bis der erste Anfang zu einem höheren Grade von Solidescenz gemacht wird, nicht etwa bis das erste punctum ossificationis mit bloſsem Auge gesehen wer- den kann, sondern um Vieles früher, wenn dem äuſseren Anscheine nach die ganze Masse nur noch von knorpeliger Consistenz ist. Man hat nämlich die Verknöcherung aus einem schiefen Gesichts- punkte angeschen. Man glaubte, daſs zu der Knorpelmasse phos- phorsauere Kalkerde hinzutrete, oder, wie es sich Einige sogar ganz mechanisch dachten, in gewissen Höhlen oder Zwischenräu- men abgelagert werde, während die erstere Parthei die Knorpel- substanz entweder dieselbe bleiben oder während dieses Actes aufgesogen werden und an ihre Stelle Knochenmaterie treten lieſs. Allein die Metamorphose geht hier eben so ununterbrochen fort, als in jedem anderen Organe. Ja sie wird sogar rascher und auffallender ihre Bildungsstufen durchlaufen müssen, weil sie grö- ſsere Extreme zu erreichen hat. Das Nähere, wie sich dieser Stoffwechsel durch chemische Zusammensetzung verändere, wird erst bei weiterer Vervollkommnung der microchemischen Analyse sich ergeben können. — Die Gestaltveränderungen dagegen sind folgende: An die Stelle der körnerreichen Masse tritt eine glas- artig durchsichtige Substanz, welche in Verhältniſs zu dem un- mittelbar vorhergehenden Zustande weniger, an und für sich aber noch viele Körnchen enthält. Mit diesem Acte hat aber eine neue Bildungsperiode angefangen, und er kann mit Recht als der Wende- und Uebergangspunkt zur Formation des eigenthümlichen Kno- chengewebes angesehen werden. Es entstehen nämlich 1. die Knochenkanäle. Diese machen, wie Purkinje und ich bald zeigen werden, in jedem Knochen ein eigenes, bestimmtes und charakteri- stisches System aus, welches dem ersteren einen besonderen Charak- ter aufdrückt und, wie die feinsten Blutgefäſsnetze, in jedem Theile von eigenthümlicher Conformation ist. Auch die Entstehung der Knochenkanäle stimmt mit der der Blutgefäſse auffallend überein. Denn es bilden sich zuerst in der früher ganz soliden Masse ein- zelne rundliche Höhlen, anfangs von durchaus kugliger Form, ge- gen die Mitte der Masse zu, jedoch der äuſseren Oberfläche etwas

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/289>, abgerufen am 22.11.2024.