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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Von dem Embryo.
hen, das Blut rein objectiv zu betrachten, jede Thatsache und
keine Meinungsauctorität zu berücksichtigen
und Schritt
für Schritt zu einer allgemeinen Ansicht vorzudringen." -- Die-
ses soll uns auch immer vorschweben, wenn wir die ersten Me-
tamorphosen des Gefässsystemes darzustellen uns bemühen, und
wir waren seiner stets eingedenk, als wir die Entstehung des
Blutes in der Natur selbst aufzufinden und ihr nachzuspüren such-
ten. Denn je mehr wir die Untersuchung dieses Herganges ver-
folgten, desto mehr überzeugten wir uns, wie schwierig er zu
beobachten sey und sahen bald ein, dass man hier nur mit den
besten Instrumenten ausgerüstet und nur durch grosse Vorsicht und
vielfache Wiederholung der Beobachtungen zu sicheren und wahren
Resultaten kommen kann. Die hohe Bedeutung des Gegenstandes
mag es entschuldigen, wenn wir hier die nothwendige Kürze weni-
ger beobachten. -- Zuerst von der Methode der Untersuchung, wel-
che hier von der höchsten Wichtigkeit ist. Ich öffne die Eier, wel-
che den Augenblick vorher aus der Blutmaschine genommen sind,
unter Wasser, welches eine Temperatur von 32° R. hat und eine
mässige Menge Kochsalz aufgelöst enthält. Denn zu wenig thut
gar Nichts und zu viel schadet mehr, als blosses Wasser. Das
Ei wird nun unter dieser Auflösung geöffnet, die Keimhaut auf
die gewohnte Weise gelöst und in einem Tuschglase unter Salz-
wasser, dem man immer heisseres Wasser zusetzt, um die Tempe-
ratur gleichmässig 32° R. zu unterhalten, unter dem Microscope
betrachtet. Allein hier genügt es nicht, eine Vergrösserung an-
zuwenden, sondern man muss von der schwächsten anfangen, um
den ganzen Gefässhof oder einen grossen Theil desselben zu über-
blicken und dann zu immer stärkeren Vergrösserungen übergehen,
bis man jedes einzelne Blutkörperchen, wenn solche schon exi-
stiren, genau sehen und messen zu können im Stande ist. Allein
eben so unerlässlich ist es, ausser den gewöhnlichen in die Tiefe
schauenden Ocularen auch Applanativoculare anzuwenden, um so
ein bestimmtes Urtheil über die oberste, mittlere, untere und un-
terste Schicht des Keimblattes zu erhalten und die Charaktere
jeder dieser Abtheilungen genau kennen zu lernen. Die Keim-
haut selbst darf weder verletzt, noch vor mehreren Stunden aus
dem Eie schon genommen seyn. Erst, nachdem ich auf diesem
beschwerlichen Wege meine Untersuchungen wiederholt und
bestätigt hatte, wagte ich ein bestimmtes Urtheil über Blutge-

Von dem Embryo.
hen, das Blut rein objectiv zu betrachten, jede Thatsache und
keine Meinungsauctorität zu berücksichtigen
und Schritt
für Schritt zu einer allgemeinen Ansicht vorzudringen.“ — Die-
ses soll uns auch immer vorschweben, wenn wir die ersten Me-
tamorphosen des Gefäſssystemes darzustellen uns bemühen, und
wir waren seiner stets eingedenk, als wir die Entstehung des
Blutes in der Natur selbst aufzufinden und ihr nachzuspüren such-
ten. Denn je mehr wir die Untersuchung dieses Herganges ver-
folgten, desto mehr überzeugten wir uns, wie schwierig er zu
beobachten sey und sahen bald ein, daſs man hier nur mit den
besten Instrumenten ausgerüstet und nur durch groſse Vorsicht und
vielfache Wiederholung der Beobachtungen zu sicheren und wahren
Resultaten kommen kann. Die hohe Bedeutung des Gegenstandes
mag es entschuldigen, wenn wir hier die nothwendige Kürze weni-
ger beobachten. — Zuerst von der Methode der Untersuchung, wel-
che hier von der höchsten Wichtigkeit ist. Ich öffne die Eier, wel-
che den Augenblick vorher aus der Blutmaschine genommen sind,
unter Wasser, welches eine Temperatur von 32° R. hat und eine
mäſsige Menge Kochsalz aufgelöst enthält. Denn zu wenig thut
gar Nichts und zu viel schadet mehr, als bloſses Wasser. Das
Ei wird nun unter dieser Auflösung geöffnet, die Keimhaut auf
die gewohnte Weise gelöst und in einem Tuschglase unter Salz-
wasser, dem man immer heiſseres Wasser zusetzt, um die Tempe-
ratur gleichmäſsig 32° R. zu unterhalten, unter dem Microscope
betrachtet. Allein hier genügt es nicht, eine Vergröſserung an-
zuwenden, sondern man muſs von der schwächsten anfangen, um
den ganzen Gefäſshof oder einen groſsen Theil desselben zu über-
blicken und dann zu immer stärkeren Vergröſserungen übergehen,
bis man jedes einzelne Blutkörperchen, wenn solche schon exi-
stiren, genau sehen und messen zu können im Stande ist. Allein
eben so unerläſslich ist es, auſser den gewöhnlichen in die Tiefe
schauenden Ocularen auch Applanativoculare anzuwenden, um so
ein bestimmtes Urtheil über die oberste, mittlere, untere und un-
terste Schicht des Keimblattes zu erhalten und die Charaktere
jeder dieser Abtheilungen genau kennen zu lernen. Die Keim-
haut selbst darf weder verletzt, noch vor mehreren Stunden aus
dem Eie schon genommen seyn. Erst, nachdem ich auf diesem
beschwerlichen Wege meine Untersuchungen wiederholt und
bestätigt hatte, wagte ich ein bestimmtes Urtheil über Blutge-

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[286/0314] Von dem Embryo. hen, das Blut rein objectiv zu betrachten, jede Thatsache und keine Meinungsauctorität zu berücksichtigen und Schritt für Schritt zu einer allgemeinen Ansicht vorzudringen.“ — Die- ses soll uns auch immer vorschweben, wenn wir die ersten Me- tamorphosen des Gefäſssystemes darzustellen uns bemühen, und wir waren seiner stets eingedenk, als wir die Entstehung des Blutes in der Natur selbst aufzufinden und ihr nachzuspüren such- ten. Denn je mehr wir die Untersuchung dieses Herganges ver- folgten, desto mehr überzeugten wir uns, wie schwierig er zu beobachten sey und sahen bald ein, daſs man hier nur mit den besten Instrumenten ausgerüstet und nur durch groſse Vorsicht und vielfache Wiederholung der Beobachtungen zu sicheren und wahren Resultaten kommen kann. Die hohe Bedeutung des Gegenstandes mag es entschuldigen, wenn wir hier die nothwendige Kürze weni- ger beobachten. — Zuerst von der Methode der Untersuchung, wel- che hier von der höchsten Wichtigkeit ist. Ich öffne die Eier, wel- che den Augenblick vorher aus der Blutmaschine genommen sind, unter Wasser, welches eine Temperatur von 32° R. hat und eine mäſsige Menge Kochsalz aufgelöst enthält. Denn zu wenig thut gar Nichts und zu viel schadet mehr, als bloſses Wasser. Das Ei wird nun unter dieser Auflösung geöffnet, die Keimhaut auf die gewohnte Weise gelöst und in einem Tuschglase unter Salz- wasser, dem man immer heiſseres Wasser zusetzt, um die Tempe- ratur gleichmäſsig 32° R. zu unterhalten, unter dem Microscope betrachtet. Allein hier genügt es nicht, eine Vergröſserung an- zuwenden, sondern man muſs von der schwächsten anfangen, um den ganzen Gefäſshof oder einen groſsen Theil desselben zu über- blicken und dann zu immer stärkeren Vergröſserungen übergehen, bis man jedes einzelne Blutkörperchen, wenn solche schon exi- stiren, genau sehen und messen zu können im Stande ist. Allein eben so unerläſslich ist es, auſser den gewöhnlichen in die Tiefe schauenden Ocularen auch Applanativoculare anzuwenden, um so ein bestimmtes Urtheil über die oberste, mittlere, untere und un- terste Schicht des Keimblattes zu erhalten und die Charaktere jeder dieser Abtheilungen genau kennen zu lernen. Die Keim- haut selbst darf weder verletzt, noch vor mehreren Stunden aus dem Eie schon genommen seyn. Erst, nachdem ich auf diesem beschwerlichen Wege meine Untersuchungen wiederholt und bestätigt hatte, wagte ich ein bestimmtes Urtheil über Blutge-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/314>, abgerufen am 22.11.2024.