Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Entstehung des Blutes und der Blutgefässe. beobachtete, wegen der gesunkenen Temperatur des Wassers derKreislauf völlig still gestanden, so dass eine Minute und länger keine Spur von Bewegung irgend einer Art, weder im Herzen noch in den Gefässen wahrgenommen werden konnte, so gelang es sehr häufig durch hinzugetröpfeltes, sehr warmes Wasser, vor- züglich auf die Herzgegend, die Blutbewegung wieder herzustel- len. Hatte ich nun Herz und Gefässe der Area pellucida in dem Gesichtsfelde und unverwandt meinen Blick auf beide gerichtet, während ich einen Tropfen sehr warmen Wassers auf die Herz- region fallen liess, so strömte zuerst, ohne dass eine Zusammen- ziehung des Herzens von mir vorher bemerkt wurde, das Blut nach dem Herzen, dieses contrahirte sich, trieb das Blut wieder rückwärts, und so wiederholte sich dieser Process mehrere Male, ohne dass es zu einem Kreislaufe gekommen wäre. Setzte ich mehr warmen Wassers zu, so stellte sich dieser in der Regel wieder her. Doch will ich auf diese precäre Erfahrung in Bezug auf die oben erwähnte, wichtige Frage wenig bauen. Denn wie leicht konnte das Herz während der durch den Zusatz neuen Wassers erregten Undulation der Flüssigkeit sich zusammengezo- gen haben? Anderseits dagegen kann ich nicht verschweigen, dass bei Embryonen von Perca das Herz nach meinen Beobach- tungen früher in Thätigkeit zu gerathen scheint, als die Blutge- fässe in dem Körper oder auf dem Dottersacke sich ausbreiten, wie ich an einem anderen Orte auseinandersetzen werde. Doch muss uns die ungemeine Durchsichtigkeit der äusserst zarten Fisch- embryonen bei unserem Urtheile sehr vorsichtig machen, da die zarten dickeren Blutströmchen selbst nur bei gedämpftem Lichte beobachtet werden können. -- Nachdem wir nun so die Genese des Blutes und der Gefässe überhaupt betrachtet haben, gehen wir zu den einzelnen Theilen über und zwar a. Zur Blutflüssigkeit. -- Je jünger der Embryo ist, desto 19*
Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse. beobachtete, wegen der gesunkenen Temperatur des Wassers derKreislauf völlig still gestanden, so daſs eine Minute und länger keine Spur von Bewegung irgend einer Art, weder im Herzen noch in den Gefäſsen wahrgenommen werden konnte, so gelang es sehr häufig durch hinzugetröpfeltes, sehr warmes Wasser, vor- züglich auf die Herzgegend, die Blutbewegung wieder herzustel- len. Hatte ich nun Herz und Gefäſse der Area pellucida in dem Gesichtsfelde und unverwandt meinen Blick auf beide gerichtet, während ich einen Tropfen sehr warmen Wassers auf die Herz- region fallen lieſs, so strömte zuerst, ohne daſs eine Zusammen- ziehung des Herzens von mir vorher bemerkt wurde, das Blut nach dem Herzen, dieses contrahirte sich, trieb das Blut wieder rückwärts, und so wiederholte sich dieser Proceſs mehrere Male, ohne daſs es zu einem Kreislaufe gekommen wäre. Setzte ich mehr warmen Wassers zu, so stellte sich dieser in der Regel wieder her. Doch will ich auf diese precäre Erfahrung in Bezug auf die oben erwähnte, wichtige Frage wenig bauen. Denn wie leicht konnte das Herz während der durch den Zusatz neuen Wassers erregten Undulation der Flüssigkeit sich zusammengezo- gen haben? Anderseits dagegen kann ich nicht verschweigen, daſs bei Embryonen von Perca das Herz nach meinen Beobach- tungen früher in Thätigkeit zu gerathen scheint, als die Blutge- fäſse in dem Körper oder auf dem Dottersacke sich ausbreiten, wie ich an einem anderen Orte auseinandersetzen werde. Doch muſs uns die ungemeine Durchsichtigkeit der äuſserst zarten Fisch- embryonen bei unserem Urtheile sehr vorsichtig machen, da die zarten dickeren Blutströmchen selbst nur bei gedämpftem Lichte beobachtet werden können. — Nachdem wir nun so die Genese des Blutes und der Gefäſse überhaupt betrachtet haben, gehen wir zu den einzelnen Theilen über und zwar a. Zur Blutflüssigkeit. — Je jünger der Embryo ist, desto 19*
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Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse.
beobachtete, wegen der gesunkenen Temperatur des Wassers der
Kreislauf völlig still gestanden, so daſs eine Minute und länger
keine Spur von Bewegung irgend einer Art, weder im Herzen
noch in den Gefäſsen wahrgenommen werden konnte, so gelang
es sehr häufig durch hinzugetröpfeltes, sehr warmes Wasser, vor-
züglich auf die Herzgegend, die Blutbewegung wieder herzustel-
len. Hatte ich nun Herz und Gefäſse der Area pellucida in dem
Gesichtsfelde und unverwandt meinen Blick auf beide gerichtet,
während ich einen Tropfen sehr warmen Wassers auf die Herz-
region fallen lieſs, so strömte zuerst, ohne daſs eine Zusammen-
ziehung des Herzens von mir vorher bemerkt wurde, das Blut
nach dem Herzen, dieses contrahirte sich, trieb das Blut wieder
rückwärts, und so wiederholte sich dieser Proceſs mehrere Male,
ohne daſs es zu einem Kreislaufe gekommen wäre. Setzte ich
mehr warmen Wassers zu, so stellte sich dieser in der Regel
wieder her. Doch will ich auf diese precäre Erfahrung in Bezug auf
die oben erwähnte, wichtige Frage wenig bauen. Denn wie
leicht konnte das Herz während der durch den Zusatz neuen
Wassers erregten Undulation der Flüssigkeit sich zusammengezo-
gen haben? Anderseits dagegen kann ich nicht verschweigen,
daſs bei Embryonen von Perca das Herz nach meinen Beobach-
tungen früher in Thätigkeit zu gerathen scheint, als die Blutge-
fäſse in dem Körper oder auf dem Dottersacke sich ausbreiten,
wie ich an einem anderen Orte auseinandersetzen werde. Doch
muſs uns die ungemeine Durchsichtigkeit der äuſserst zarten Fisch-
embryonen bei unserem Urtheile sehr vorsichtig machen, da die
zarten dickeren Blutströmchen selbst nur bei gedämpftem Lichte
beobachtet werden können. — Nachdem wir nun so die Genese des
Blutes und der Gefäſse überhaupt betrachtet haben, gehen wir
zu den einzelnen Theilen über und zwar
a. Zur Blutflüssigkeit. — Je jünger der Embryo ist, desto
gröſser ist ihre relative und desto geringer ihre absolute Quanti-
tät. Denn immer bilden sich im Laufe der Entwickelung neue
Gefäſse aus und mit ihnen neue Blutflüssigkeit. Diese enthält
aber in einer frühen Periode nur weniger Blutkörperchen, macht
also zu der Zeit den etwas gröſseren Theil des Blutes aus. Bald
jedoch tritt das umgekehrte Verhältniſs ein, daſs die Blutkörper-
chen die Hauptmasse des Blutes constituiren. Denn dann sowohl,
als in dem Erwachsenen sind zwar die Blutkörperchen nicht ohne
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