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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Entstehung des Blutes und der Blutgefässe.
Reihe von genauen Beobachtungen noch nicht nachgewiesen, wie
diese Chorionflocken (Fruchtkuchen) zum Mutterkuchen in den
verschiedensten Bildungsstadien sich verhalten -- ein Umstand,
den nur eine vollständige Reihe guter Injectionspräparate aufhel-
len könnte. Wir ziehen es daher vor zuerst über den Bau der
ausgebildeten Placenta zu sprechen und zuletzt einiges Historische
und Vermuthungen über die Art und Weise der Entstehung der-
selben anzuführen. Nach E. H. Weber (l. c. S. 495. 96.) besteht
die ausgebildete Placenta des Menschen ebenfalls aus dem Mut-
terkuchen (pars uterina placentae) und dem Fruchtkuchen
(pars foetalis placentae). Der Mutterkuchen ist der an dem
Fruchtkuchen liegende Theil der decidua vera nebst den von
dem Uterus aus sich hineinbildenden Gefässen des Fruchthälters;
der Fruchtkuchen besteht aus den baumförmigen Flocken des
Exochorion nebst den Blutgefässen des Endochorion, welche sich
in dieses hineinbilden. Die Gefässe der placenta uterina haben
nur die innere Gefässhaut. Die Venen bilden vielfach mit ein-
ander communicirende Netze und werden um so weiter, je tiefer
sie in die placenta foetalis eindringen. Diese besteht aus vie-
len einzelnen Lappen (Cotyledonen), welche von dem Mutterku-
chen überzogen werden. Die Flocken derselben ragen in die
Zwischenräume der Mutterkuchennetze hinein, wodurch die da-
zwischen liegende decidua vera durchbohrt wird. So sind zwar
Mutter- und Fruchtkuchen auf das Innigste mit einander in Ver-
bindung. Sie treten aber genauer ausgedrückt nur in die dich-
teste Berührung, gehen jedoch durchaus an keiner Stelle in einander
über. Der Blutkreislauf von Mutter und Frucht sind gänzlich
von einander geschieden und jeder unmittelbare Zusammenhang
zwischen beiden findet nirgends Statt. Zwar streiten die grössten
Auctoritäten gegen diesen Satz und Haller, als der Centralpunkt
der Physiologie des vergangenen Jahrhunderts, ist an der Spitze
der Gegner, wiewohl anderseits auch ein Theil seiner Erfahrun-
gen wider die unmittelbare Communication beider Blutarten
spricht. Allein betrachtet man seine Darstellung genauer, so sieht
man, dass er zwei durchaus verschiedene Dinge confundirt hat,
nämlich: 1. den Stoffwechsel zwischen mütterlichem und kindli-
chem Körper und 2. den unmittelharen Gefässzusammenhang der
Mutter und der Frucht. Das Erstere wird in allgemeinem Sinne
Keiner bestreiten, wohl aber Jeder in dem Sinne, in welchem es

Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse.
Reihe von genauen Beobachtungen noch nicht nachgewiesen, wie
diese Chorionflocken (Fruchtkuchen) zum Mutterkuchen in den
verschiedensten Bildungsstadien sich verhalten — ein Umstand,
den nur eine vollständige Reihe guter Injectionspräparate aufhel-
len könnte. Wir ziehen es daher vor zuerst über den Bau der
ausgebildeten Placenta zu sprechen und zuletzt einiges Historische
und Vermuthungen über die Art und Weise der Entstehung der-
selben anzuführen. Nach E. H. Weber (l. c. S. 495. 96.) besteht
die ausgebildete Placenta des Menschen ebenfalls aus dem Mut-
terkuchen (pars uterina placentae) und dem Fruchtkuchen
(pars foetalis placentae). Der Mutterkuchen ist der an dem
Fruchtkuchen liegende Theil der decidua vera nebst den von
dem Uterus aus sich hineinbildenden Gefäſsen des Fruchthälters;
der Fruchtkuchen besteht aus den baumförmigen Flocken des
Exochorion nebst den Blutgefäſsen des Endochorion, welche sich
in dieses hineinbilden. Die Gefäſse der placenta uterina haben
nur die innere Gefäſshaut. Die Venen bilden vielfach mit ein-
ander communicirende Netze und werden um so weiter, je tiefer
sie in die placenta foetalis eindringen. Diese besteht aus vie-
len einzelnen Lappen (Cotyledonen), welche von dem Mutterku-
chen überzogen werden. Die Flocken derselben ragen in die
Zwischenräume der Mutterkuchennetze hinein, wodurch die da-
zwischen liegende decidua vera durchbohrt wird. So sind zwar
Mutter- und Fruchtkuchen auf das Innigste mit einander in Ver-
bindung. Sie treten aber genauer ausgedrückt nur in die dich-
teste Berührung, gehen jedoch durchaus an keiner Stelle in einander
über. Der Blutkreislauf von Mutter und Frucht sind gänzlich
von einander geschieden und jeder unmittelbare Zusammenhang
zwischen beiden findet nirgends Statt. Zwar streiten die gröſsten
Auctoritäten gegen diesen Satz und Haller, als der Centralpunkt
der Physiologie des vergangenen Jahrhunderts, ist an der Spitze
der Gegner, wiewohl anderseits auch ein Theil seiner Erfahrun-
gen wider die unmittelbare Communication beider Blutarten
spricht. Allein betrachtet man seine Darstellung genauer, so sieht
man, daſs er zwei durchaus verschiedene Dinge confundirt hat,
nämlich: 1. den Stoffwechsel zwischen mütterlichem und kindli-
chem Körper und 2. den unmittelharen Gefäſszusammenhang der
Mutter und der Frucht. Das Erstere wird in allgemeinem Sinne
Keiner bestreiten, wohl aber Jeder in dem Sinne, in welchem es

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[327/0355] Entstehung des Blutes und der Blutgefäſse. Reihe von genauen Beobachtungen noch nicht nachgewiesen, wie diese Chorionflocken (Fruchtkuchen) zum Mutterkuchen in den verschiedensten Bildungsstadien sich verhalten — ein Umstand, den nur eine vollständige Reihe guter Injectionspräparate aufhel- len könnte. Wir ziehen es daher vor zuerst über den Bau der ausgebildeten Placenta zu sprechen und zuletzt einiges Historische und Vermuthungen über die Art und Weise der Entstehung der- selben anzuführen. Nach E. H. Weber (l. c. S. 495. 96.) besteht die ausgebildete Placenta des Menschen ebenfalls aus dem Mut- terkuchen (pars uterina placentae) und dem Fruchtkuchen (pars foetalis placentae). Der Mutterkuchen ist der an dem Fruchtkuchen liegende Theil der decidua vera nebst den von dem Uterus aus sich hineinbildenden Gefäſsen des Fruchthälters; der Fruchtkuchen besteht aus den baumförmigen Flocken des Exochorion nebst den Blutgefäſsen des Endochorion, welche sich in dieses hineinbilden. Die Gefäſse der placenta uterina haben nur die innere Gefäſshaut. Die Venen bilden vielfach mit ein- ander communicirende Netze und werden um so weiter, je tiefer sie in die placenta foetalis eindringen. Diese besteht aus vie- len einzelnen Lappen (Cotyledonen), welche von dem Mutterku- chen überzogen werden. Die Flocken derselben ragen in die Zwischenräume der Mutterkuchennetze hinein, wodurch die da- zwischen liegende decidua vera durchbohrt wird. So sind zwar Mutter- und Fruchtkuchen auf das Innigste mit einander in Ver- bindung. Sie treten aber genauer ausgedrückt nur in die dich- teste Berührung, gehen jedoch durchaus an keiner Stelle in einander über. Der Blutkreislauf von Mutter und Frucht sind gänzlich von einander geschieden und jeder unmittelbare Zusammenhang zwischen beiden findet nirgends Statt. Zwar streiten die gröſsten Auctoritäten gegen diesen Satz und Haller, als der Centralpunkt der Physiologie des vergangenen Jahrhunderts, ist an der Spitze der Gegner, wiewohl anderseits auch ein Theil seiner Erfahrun- gen wider die unmittelbare Communication beider Blutarten spricht. Allein betrachtet man seine Darstellung genauer, so sieht man, daſs er zwei durchaus verschiedene Dinge confundirt hat, nämlich: 1. den Stoffwechsel zwischen mütterlichem und kindli- chem Körper und 2. den unmittelharen Gefäſszusammenhang der Mutter und der Frucht. Das Erstere wird in allgemeinem Sinne Keiner bestreiten, wohl aber Jeder in dem Sinne, in welchem es

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/355>, abgerufen am 22.11.2024.