Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Embryo.
Menschen auf die kürzeste Zeit von allen Thieren beschränkt sey.
Diese Bemerkung müssen wir durchaus festhalten, weil es sich nur
hieraus erklären lässt, wie es hier weder Joh. Müller, Rathke und
Jacobson, noch mir selbst trotz aller Mühe gelungen ist, das Se-
kret der Kanälchen der Wolff'schen Körper in den Ausführungs-
gang und in die Kloake zu befördern, also ihre wahre Se- und
Excretion durch Erfahrung nachzuweisen, welches bei den Vö-
geln, wie Johannes Müller zuerst bemerkt hat, so überaus leicht
geschehen kann. Ich vermuthe daher, dass ihre vorzüglichste
Sekretionsthätigkeit schon in Abnahme oder wenigstens bedeutend
alienirt ist, wenn sie sich ihrem Aeussern nach in einem sehr ho-
hen Grade der Ausbildung zu befinden scheinen. Bei Gelegen-
heit des Ausführungsganges werden wir auch auf diesen Gegen-
stand zurückkommen.

Bei den Wolff'schen Körpern sind drei Momente zu berück-
sichtigen, und zwar 1. die Hülle. Diese bildet das Bauchfell,
ein dem Schleimblatte angehörender Theil. Sein Verhältniss zu
den Wolff'schen Körpern ist in den verschiedenen Entwickelungs-
graden verschieden. In der allerfrühesten Zeit bedeckt es wahr-
scheinlich nur die obere Fläche der Wolffschen Körper. Indem
diese aber sich immer mehr heben und lösen, umhüllt es diesel-
ben immer mehr, so dass sie zuletzt gänzlich von ihm eingeschlos-
sen werden. Durch diese Einwickelung des Bauchfelles entste-
hen nun mehrere Falten, und zwar zuerst eine, welche über die
obere Fläche der Wolff'schen Körper verläuft und sich verschmä-
lernd an das Zwerchfell ansetzt. Nach hinten senkt sie sich in
die Tiefe und geht etwas schief von aussen und vorn nach unten
und hinten. Eine andere Falte entsteht etwas später. Auf sie
hat Joh. Müller zuerst aufmerksam gemacht und gezeigt, dass sie
mit dem Saamen- und Eileiter in innigster Verbindung ist. Bei
Schaafen liegt sie zuerst an der untern Oberfläche, dann aber nach
aussen, und gelangt so an den äussern Rand und von da an die
obere Fläche der Wolff'schen Körper, so dass sie die erstere Falte
zuletzt erreicht, ja sogar noch etwas von ihr nach innen rückt.
Wo sie bei Schweinen zuerst liege, vermag ich nicht anzugeben.
Bei den jüngsten Embryonen dieser Thiere, welche ich hierauf zu un-
tersuchen Gelegenheit hatte, nämlich bei solchen, deren Länge vom
Kopfe bis zur Schwanzspitze acht Linien betrug, lag diese zweite
Falte schon mit der ersteren verschmolzen an der oberen Fläche

Von dem Embryo.
Menschen auf die kürzeste Zeit von allen Thieren beschränkt sey.
Diese Bemerkung müssen wir durchaus festhalten, weil es sich nur
hieraus erklären läſst, wie es hier weder Joh. Müller, Rathke und
Jacobson, noch mir selbst trotz aller Mühe gelungen ist, das Se-
kret der Kanälchen der Wolff’schen Körper in den Ausführungs-
gang und in die Kloake zu befördern, also ihre wahre Se- und
Excretion durch Erfahrung nachzuweisen, welches bei den Vö-
geln, wie Johannes Müller zuerst bemerkt hat, so überaus leicht
geschehen kann. Ich vermuthe daher, daſs ihre vorzüglichste
Sekretionsthätigkeit schon in Abnahme oder wenigstens bedeutend
alienirt ist, wenn sie sich ihrem Aeuſsern nach in einem sehr ho-
hen Grade der Ausbildung zu befinden scheinen. Bei Gelegen-
heit des Ausführungsganges werden wir auch auf diesen Gegen-
stand zurückkommen.

Bei den Wolff’schen Körpern sind drei Momente zu berück-
sichtigen, und zwar 1. die Hülle. Diese bildet das Bauchfell,
ein dem Schleimblatte angehörender Theil. Sein Verhältniſs zu
den Wolff’schen Körpern ist in den verschiedenen Entwickelungs-
graden verschieden. In der allerfrühesten Zeit bedeckt es wahr-
scheinlich nur die obere Fläche der Wolffschen Körper. Indem
diese aber sich immer mehr heben und lösen, umhüllt es diesel-
ben immer mehr, so daſs sie zuletzt gänzlich von ihm eingeschlos-
sen werden. Durch diese Einwickelung des Bauchfelles entste-
hen nun mehrere Falten, und zwar zuerst eine, welche über die
obere Fläche der Wolff’schen Körper verläuft und sich verschmä-
lernd an das Zwerchfell ansetzt. Nach hinten senkt sie sich in
die Tiefe und geht etwas schief von auſsen und vorn nach unten
und hinten. Eine andere Falte entsteht etwas später. Auf sie
hat Joh. Müller zuerst aufmerksam gemacht und gezeigt, daſs sie
mit dem Saamen- und Eileiter in innigster Verbindung ist. Bei
Schaafen liegt sie zuerst an der untern Oberfläche, dann aber nach
auſsen, und gelangt so an den äuſsern Rand und von da an die
obere Fläche der Wolff’schen Körper, so daſs sie die erstere Falte
zuletzt erreicht, ja sogar noch etwas von ihr nach innen rückt.
Wo sie bei Schweinen zuerst liege, vermag ich nicht anzugeben.
Bei den jüngsten Embryonen dieser Thiere, welche ich hierauf zu un-
tersuchen Gelegenheit hatte, nämlich bei solchen, deren Länge vom
Kopfe bis zur Schwanzspitze acht Linien betrug, lag diese zweite
Falte schon mit der ersteren verschmolzen an der oberen Fläche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0408" n="380"/><fw place="top" type="header">Von dem Embryo.</fw><lb/>
Menschen auf die kürzeste Zeit von allen Thieren beschränkt sey.<lb/>
Diese Bemerkung müssen wir durchaus festhalten, weil es sich nur<lb/>
hieraus erklären lä&#x017F;st, wie es hier weder Joh. Müller, Rathke und<lb/>
Jacobson, noch mir selbst trotz aller Mühe gelungen ist, das Se-<lb/>
kret der Kanälchen der Wolff&#x2019;schen Körper in den Ausführungs-<lb/>
gang und in die Kloake zu befördern, also ihre wahre Se- und<lb/>
Excretion durch Erfahrung nachzuweisen, welches bei den Vö-<lb/>
geln, wie Johannes Müller zuerst bemerkt hat, so überaus leicht<lb/>
geschehen kann. Ich vermuthe daher, da&#x017F;s ihre vorzüglichste<lb/>
Sekretionsthätigkeit schon in Abnahme oder wenigstens bedeutend<lb/>
alienirt ist, wenn sie sich ihrem Aeu&#x017F;sern nach in einem sehr ho-<lb/>
hen Grade der Ausbildung zu befinden scheinen. Bei Gelegen-<lb/>
heit des Ausführungsganges werden wir auch auf diesen Gegen-<lb/>
stand zurückkommen.</p><lb/>
              <p>Bei den Wolff&#x2019;schen Körpern sind drei Momente zu berück-<lb/>
sichtigen, und zwar 1. die Hülle. Diese bildet das Bauchfell,<lb/>
ein dem Schleimblatte angehörender Theil. Sein Verhältni&#x017F;s zu<lb/>
den Wolff&#x2019;schen Körpern ist in den verschiedenen Entwickelungs-<lb/>
graden verschieden. In der allerfrühesten Zeit bedeckt es wahr-<lb/>
scheinlich nur die obere Fläche der Wolffschen Körper. Indem<lb/>
diese aber sich immer mehr heben und lösen, umhüllt es diesel-<lb/>
ben immer mehr, so da&#x017F;s sie zuletzt gänzlich von ihm eingeschlos-<lb/>
sen werden. Durch diese Einwickelung des Bauchfelles entste-<lb/>
hen nun mehrere Falten, und zwar zuerst eine, welche über die<lb/>
obere Fläche der Wolff&#x2019;schen Körper verläuft und sich verschmä-<lb/>
lernd an das Zwerchfell ansetzt. Nach hinten senkt sie sich in<lb/>
die Tiefe und geht etwas schief von au&#x017F;sen und vorn nach unten<lb/>
und hinten. Eine andere Falte entsteht etwas später. Auf sie<lb/>
hat Joh. Müller zuerst aufmerksam gemacht und gezeigt, da&#x017F;s sie<lb/>
mit dem Saamen- und Eileiter in innigster Verbindung ist. Bei<lb/>
Schaafen liegt sie zuerst an der untern Oberfläche, dann aber nach<lb/>
au&#x017F;sen, und gelangt so an den äu&#x017F;sern Rand und von da an die<lb/>
obere Fläche der Wolff&#x2019;schen Körper, so da&#x017F;s sie die erstere Falte<lb/>
zuletzt erreicht, ja sogar noch etwas von ihr nach innen rückt.<lb/>
Wo sie bei Schweinen zuerst liege, vermag ich nicht anzugeben.<lb/>
Bei den jüngsten Embryonen dieser Thiere, welche ich hierauf zu un-<lb/>
tersuchen Gelegenheit hatte, nämlich bei solchen, deren Länge vom<lb/>
Kopfe bis zur Schwanzspitze acht Linien betrug, lag diese zweite<lb/>
Falte schon mit der ersteren verschmolzen an der oberen Fläche<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0408] Von dem Embryo. Menschen auf die kürzeste Zeit von allen Thieren beschränkt sey. Diese Bemerkung müssen wir durchaus festhalten, weil es sich nur hieraus erklären läſst, wie es hier weder Joh. Müller, Rathke und Jacobson, noch mir selbst trotz aller Mühe gelungen ist, das Se- kret der Kanälchen der Wolff’schen Körper in den Ausführungs- gang und in die Kloake zu befördern, also ihre wahre Se- und Excretion durch Erfahrung nachzuweisen, welches bei den Vö- geln, wie Johannes Müller zuerst bemerkt hat, so überaus leicht geschehen kann. Ich vermuthe daher, daſs ihre vorzüglichste Sekretionsthätigkeit schon in Abnahme oder wenigstens bedeutend alienirt ist, wenn sie sich ihrem Aeuſsern nach in einem sehr ho- hen Grade der Ausbildung zu befinden scheinen. Bei Gelegen- heit des Ausführungsganges werden wir auch auf diesen Gegen- stand zurückkommen. Bei den Wolff’schen Körpern sind drei Momente zu berück- sichtigen, und zwar 1. die Hülle. Diese bildet das Bauchfell, ein dem Schleimblatte angehörender Theil. Sein Verhältniſs zu den Wolff’schen Körpern ist in den verschiedenen Entwickelungs- graden verschieden. In der allerfrühesten Zeit bedeckt es wahr- scheinlich nur die obere Fläche der Wolffschen Körper. Indem diese aber sich immer mehr heben und lösen, umhüllt es diesel- ben immer mehr, so daſs sie zuletzt gänzlich von ihm eingeschlos- sen werden. Durch diese Einwickelung des Bauchfelles entste- hen nun mehrere Falten, und zwar zuerst eine, welche über die obere Fläche der Wolff’schen Körper verläuft und sich verschmä- lernd an das Zwerchfell ansetzt. Nach hinten senkt sie sich in die Tiefe und geht etwas schief von auſsen und vorn nach unten und hinten. Eine andere Falte entsteht etwas später. Auf sie hat Joh. Müller zuerst aufmerksam gemacht und gezeigt, daſs sie mit dem Saamen- und Eileiter in innigster Verbindung ist. Bei Schaafen liegt sie zuerst an der untern Oberfläche, dann aber nach auſsen, und gelangt so an den äuſsern Rand und von da an die obere Fläche der Wolff’schen Körper, so daſs sie die erstere Falte zuletzt erreicht, ja sogar noch etwas von ihr nach innen rückt. Wo sie bei Schweinen zuerst liege, vermag ich nicht anzugeben. Bei den jüngsten Embryonen dieser Thiere, welche ich hierauf zu un- tersuchen Gelegenheit hatte, nämlich bei solchen, deren Länge vom Kopfe bis zur Schwanzspitze acht Linien betrug, lag diese zweite Falte schon mit der ersteren verschmolzen an der oberen Fläche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/408
Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/408>, abgerufen am 15.06.2024.