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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Einfurchungsbildungen. Kiemenspalten u. Kiemenbogen.
Kiemenbogen individualisiren sich nicht auf einmal aus den Vis-
ceralplatten, sondern zuerst der erste nach vorn, d. h. dadurch,
dass sich die Continuität der Bauchplatten des Rumpfes im Ge-
gensatze zu den schon existirenden des Kopfes hervorbildet.
Allein seine vollkommene Individualität erlangt er erst durch die
Bildung der ersten Kiemenspalte. Der zweite Kiemenbogen son-
dert sich gleichzeitig mit oder bald nach dem ersten und nach-
dem dieses geschehen, individualisirt sich auch bald darauf der
dritte. Dadurch entstehen drei Bogen am Halse, welche bei Vö-
geln sowohl, als bei den Säugethieren gefunden werden. Der
vierte Kiemenbogen ist dann noch mit den Bauchplatten ver-
schmolzen. Die Sonderung und Individualisirung dieses Letzteren
erfolgt nun, wie schon v. Bär beobachtet hat (Meck. Arch. 1828.
S. 146.), bei Säugethieren, wenn die drei vorderen Kiemenbogen
sich noch auf der höchsten Stufe ihrer Ausbildung befinden. In
den Vögeln dagegen findet jene gleichzeitige Entwickelung nicht
Statt, sondern diese ist vielmehr eine successive. -- Die Kiemen-
spalten selbst sind transversal, zur Zeit ihrer höchsten Ausbildung
von ungleicher Form, nach der Wirbelsäule hin breiter, nach der
entgegengesetzten Seite hin schmäler und durchdringen die ganze
Wandung des sogenannten Halses. Durch sie wird also nicht
bloss die Continuität des serösen Blattes, sondern auch die des
Schleimblattes unterbrochen. Das Gefässblatt existirt hier aber
als die sogenannten Kiemengefässbogen, welche man auch schlecht-
weg Kiembogen nennt, von den rippenartigen Fortsätzen aber,
den wahren Kiemenbogen unterscheiden muss. Diese Letzteren
sind (wenigstens die ersten ohne allen Zweifel und wahrscheinlich
auch die zweiten, vielleicht aber auch die folgenden) in der Mit-
tellinie anfangs getrennt und schliessen sich erst hier in der
Folge. Die Schlusslinie ist dann als eine verhältnissmässig dicke
Leiste wahrzunehmen. -- Die Kiemenbogen umschliessen nun eine
von vorn nach hinten sich verengende Höhlung und es ist für
die Entwickelungsgeschichte überhaupt von höchstem Interesse,
diese Cavität genau zu kennen. Nach vorn öffnet sie sich hinter
dem Kopfe und scheint auf diese Weise als Mundhöhle auszuge-
hen. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Vielmehr ist ihr
wahrer Ausgang Rachenhöhlenanfang, denn die Mundhöhle fehlt
noch ganz, oder ist nur in ihrer vorderen (bei aufrechter Stel-
lung oberen) Hälfte angedeutet. Dieses beweist die ursprüngliche

Einfurchungsbildungen. Kiemenspalten u. Kiemenbogen.
Kiemenbogen individualisiren sich nicht auf einmal aus den Vis-
ceralplatten, sondern zuerst der erste nach vorn, d. h. dadurch,
daſs sich die Continuität der Bauchplatten des Rumpfes im Ge-
gensatze zu den schon existirenden des Kopfes hervorbildet.
Allein seine vollkommene Individualität erlangt er erst durch die
Bildung der ersten Kiemenspalte. Der zweite Kiemenbogen son-
dert sich gleichzeitig mit oder bald nach dem ersten und nach-
dem dieses geschehen, individualisirt sich auch bald darauf der
dritte. Dadurch entstehen drei Bogen am Halse, welche bei Vö-
geln sowohl, als bei den Säugethieren gefunden werden. Der
vierte Kiemenbogen ist dann noch mit den Bauchplatten ver-
schmolzen. Die Sonderung und Individualisirung dieses Letzteren
erfolgt nun, wie schon v. Bär beobachtet hat (Meck. Arch. 1828.
S. 146.), bei Säugethieren, wenn die drei vorderen Kiemenbogen
sich noch auf der höchsten Stufe ihrer Ausbildung befinden. In
den Vögeln dagegen findet jene gleichzeitige Entwickelung nicht
Statt, sondern diese ist vielmehr eine successive. — Die Kiemen-
spalten selbst sind transversal, zur Zeit ihrer höchsten Ausbildung
von ungleicher Form, nach der Wirbelsäule hin breiter, nach der
entgegengesetzten Seite hin schmäler und durchdringen die ganze
Wandung des sogenannten Halses. Durch sie wird also nicht
bloſs die Continuität des serösen Blattes, sondern auch die des
Schleimblattes unterbrochen. Das Gefäſsblatt existirt hier aber
als die sogenannten Kiemengefäſsbogen, welche man auch schlecht-
weg Kiembogen nennt, von den rippenartigen Fortsätzen aber,
den wahren Kiemenbogen unterscheiden muſs. Diese Letzteren
sind (wenigstens die ersten ohne allen Zweifel und wahrscheinlich
auch die zweiten, vielleicht aber auch die folgenden) in der Mit-
tellinie anfangs getrennt und schlieſsen sich erst hier in der
Folge. Die Schluſslinie ist dann als eine verhältniſsmäſsig dicke
Leiste wahrzunehmen. — Die Kiemenbogen umschlieſsen nun eine
von vorn nach hinten sich verengende Höhlung und es ist für
die Entwickelungsgeschichte überhaupt von höchstem Interesse,
diese Cavität genau zu kennen. Nach vorn öffnet sie sich hinter
dem Kopfe und scheint auf diese Weise als Mundhöhle auszuge-
hen. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Vielmehr ist ihr
wahrer Ausgang Rachenhöhlenanfang, denn die Mundhöhle fehlt
noch ganz, oder ist nur in ihrer vorderen (bei aufrechter Stel-
lung oberen) Hälfte angedeutet. Dieses beweist die ursprüngliche

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[491/0519] Einfurchungsbildungen. Kiemenspalten u. Kiemenbogen. Kiemenbogen individualisiren sich nicht auf einmal aus den Vis- ceralplatten, sondern zuerst der erste nach vorn, d. h. dadurch, daſs sich die Continuität der Bauchplatten des Rumpfes im Ge- gensatze zu den schon existirenden des Kopfes hervorbildet. Allein seine vollkommene Individualität erlangt er erst durch die Bildung der ersten Kiemenspalte. Der zweite Kiemenbogen son- dert sich gleichzeitig mit oder bald nach dem ersten und nach- dem dieses geschehen, individualisirt sich auch bald darauf der dritte. Dadurch entstehen drei Bogen am Halse, welche bei Vö- geln sowohl, als bei den Säugethieren gefunden werden. Der vierte Kiemenbogen ist dann noch mit den Bauchplatten ver- schmolzen. Die Sonderung und Individualisirung dieses Letzteren erfolgt nun, wie schon v. Bär beobachtet hat (Meck. Arch. 1828. S. 146.), bei Säugethieren, wenn die drei vorderen Kiemenbogen sich noch auf der höchsten Stufe ihrer Ausbildung befinden. In den Vögeln dagegen findet jene gleichzeitige Entwickelung nicht Statt, sondern diese ist vielmehr eine successive. — Die Kiemen- spalten selbst sind transversal, zur Zeit ihrer höchsten Ausbildung von ungleicher Form, nach der Wirbelsäule hin breiter, nach der entgegengesetzten Seite hin schmäler und durchdringen die ganze Wandung des sogenannten Halses. Durch sie wird also nicht bloſs die Continuität des serösen Blattes, sondern auch die des Schleimblattes unterbrochen. Das Gefäſsblatt existirt hier aber als die sogenannten Kiemengefäſsbogen, welche man auch schlecht- weg Kiembogen nennt, von den rippenartigen Fortsätzen aber, den wahren Kiemenbogen unterscheiden muſs. Diese Letzteren sind (wenigstens die ersten ohne allen Zweifel und wahrscheinlich auch die zweiten, vielleicht aber auch die folgenden) in der Mit- tellinie anfangs getrennt und schlieſsen sich erst hier in der Folge. Die Schluſslinie ist dann als eine verhältniſsmäſsig dicke Leiste wahrzunehmen. — Die Kiemenbogen umschlieſsen nun eine von vorn nach hinten sich verengende Höhlung und es ist für die Entwickelungsgeschichte überhaupt von höchstem Interesse, diese Cavität genau zu kennen. Nach vorn öffnet sie sich hinter dem Kopfe und scheint auf diese Weise als Mundhöhle auszuge- hen. Dies ist aber durchaus nicht der Fall. Vielmehr ist ihr wahrer Ausgang Rachenhöhlenanfang, denn die Mundhöhle fehlt noch ganz, oder ist nur in ihrer vorderen (bei aufrechter Stel- lung oberen) Hälfte angedeutet. Dieses beweist die ursprüngliche

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 491. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/519>, abgerufen am 22.11.2024.