Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. Haightons schienen gegen den halb vergessenen Graaf zu sprechen,während ihn freilich die genaueren Beobachtungen Cruikshanks von neuem unterstützten. So ruhete dieser wichtige Gegenstand ohne Entscheidung, bis Prevost und Dumas, zwei in jeder Bezie- hung ausgezeichnete Forscher Frankreichs, die Entwickelung der Wirbelthiere von Neuem vornahmen. Nachdem sie die Batrachier und Vögel in dieser Rücksicht behandelt hatten, suchten sie das schwierige Feld der ersten Evolution der Säugethiere aufzuhellen, und sprachen bei dieser Gelegenheit mit Bestimmtheit die Ver- muthung aus, dass der Folliculus hier ein Ovulum in sich ent- halte. Unbegreiflicher Weise entging ihnen aber die bestimmte Beobachtung desselben, wiewohl sie häufig genug Hunde unter suchten, deren Eichen schon mit blossem Auge in dem unver- letzten Folliculus wahrgenommen werden kann. Dieses Problem, durch Empirie die Existenz eines Eichens innerhalb des Follicu- lus nachzuweisen, löste von Bär, welcher seine Entdeckungen nebst sehr vielen anderen wichtigen und schätzbaren Beobachtungen in seinem Schreiben an eine Akademie bekannt machte, die den von Deutschland verkannten und verstossenen Caspar Friedrich Wolff aufgenommen hatte und Pander und Döllinger, so wie Bär selbst zu ihren Mitgliedern rechnet. Indem er aber das Eichen der Säuge- thiere mit dem Keimbläschen der Vögel indentificirte, brachte er neue Verwirrung in die so dunkele Lehre, und so musste erst in der neuesten Zeit eine zweite Entdeckung des wahren Keimbläs- chens der Säugethiere gemacht werden, um die Analogie mit dem Vogel deutlich und richtig darzustellen. Ausserdem wurden in den Jahren 1823 -- 28 eine Reihe von Vorarbeiten über die Ent- wickelungsgeschichte der Frucht selbst gemacht, welche in sich einen gemischten Charakter trugen. Denn indem die Einen mehr durch idealistische Principien geleitet ihre aus philosophischer Deduction folgenden Sätze durch Beobachtungen zu bestätigen oder zu erläutern sich bemüheten, kamen Andere, nur der sinn- lichen Erfahrung trauend, auf allgemeine Resultate, welche merk- würdiger Weise mit naturphilosophischen Ideen entweder zu- sammenfielen oder wenigstens in inniger Verbindung standen. Jeder weiss, welche Männer ich hier vorzugsweise nennen muss, wenn ich mich nur auf diejenigen beschränke, welche mit beson- derer Vorliebe und fast ausschliesslich die Entwickelungsgeschichte bearbeiteten. Es sind Karl Friedrich Burdach, Karl Ernst von Bär,
Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung. Haightons schienen gegen den halb vergessenen Graaf zu sprechen,während ihn freilich die genaueren Beobachtungen Cruikshanks von neuem unterstützten. So ruhete dieser wichtige Gegenstand ohne Entscheidung, bis Prevost und Dumas, zwei in jeder Bezie- hung ausgezeichnete Forscher Frankreichs, die Entwickelung der Wirbelthiere von Neuem vornahmen. Nachdem sie die Batrachier und Vögel in dieser Rücksicht behandelt hatten, suchten sie das schwierige Feld der ersten Evolution der Säugethiere aufzuhellen, und sprachen bei dieser Gelegenheit mit Bestimmtheit die Ver- muthung aus, daſs der Folliculus hier ein Ovulum in sich ent- halte. Unbegreiflicher Weise entging ihnen aber die bestimmte Beobachtung desselben, wiewohl sie häufig genug Hunde unter suchten, deren Eichen schon mit bloſsem Auge in dem unver- letzten Folliculus wahrgenommen werden kann. Dieses Problem, durch Empirie die Existenz eines Eichens innerhalb des Follicu- lus nachzuweisen, löste von Bär, welcher seine Entdeckungen nebst sehr vielen anderen wichtigen und schätzbaren Beobachtungen in seinem Schreiben an eine Akademie bekannt machte, die den von Deutschland verkannten und verstoſsenen Caspar Friedrich Wolff aufgenommen hatte und Pander und Döllinger, so wie Bär selbst zu ihren Mitgliedern rechnet. Indem er aber das Eichen der Säuge- thiere mit dem Keimbläschen der Vögel indentificirte, brachte er neue Verwirrung in die so dunkele Lehre, und so muſste erst in der neuesten Zeit eine zweite Entdeckung des wahren Keimbläs- chens der Säugethiere gemacht werden, um die Analogie mit dem Vogel deutlich und richtig darzustellen. Auſserdem wurden in den Jahren 1823 — 28 eine Reihe von Vorarbeiten über die Ent- wickelungsgeschichte der Frucht selbst gemacht, welche in sich einen gemischten Charakter trugen. Denn indem die Einen mehr durch idealistische Principien geleitet ihre aus philosophischer Deduction folgenden Sätze durch Beobachtungen zu bestätigen oder zu erläutern sich bemüheten, kamen Andere, nur der sinn- lichen Erfahrung trauend, auf allgemeine Resultate, welche merk- würdiger Weise mit naturphilosophischen Ideen entweder zu- sammenfielen oder wenigstens in inniger Verbindung standen. Jeder weiſs, welche Männer ich hier vorzugsweise nennen muſs, wenn ich mich nur auf diejenigen beschränke, welche mit beson- derer Vorliebe und fast ausschlieſslich die Entwickelungsgeschichte bearbeiteten. Es sind Karl Friedrich Burdach, Karl Ernst von Bär,
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0604" n="576"/><fw place="top" type="header">Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.</fw><lb/> Haightons schienen gegen den halb vergessenen Graaf zu sprechen,<lb/> während ihn freilich die genaueren Beobachtungen Cruikshanks<lb/> von neuem unterstützten. So ruhete dieser wichtige Gegenstand<lb/> ohne Entscheidung, bis Prevost und Dumas, zwei in jeder Bezie-<lb/> hung ausgezeichnete Forscher Frankreichs, die Entwickelung der<lb/> Wirbelthiere von Neuem vornahmen. Nachdem sie die Batrachier<lb/> und Vögel in dieser Rücksicht behandelt hatten, suchten sie das<lb/> schwierige Feld der ersten Evolution der Säugethiere aufzuhellen,<lb/> und sprachen bei dieser Gelegenheit mit Bestimmtheit die Ver-<lb/> muthung aus, daſs der Folliculus hier ein Ovulum in sich ent-<lb/> halte. Unbegreiflicher Weise entging ihnen aber die bestimmte<lb/> Beobachtung desselben, wiewohl sie häufig genug Hunde unter<lb/> suchten, deren Eichen schon mit bloſsem Auge in dem unver-<lb/> letzten Folliculus wahrgenommen werden kann. Dieses Problem,<lb/> durch Empirie die Existenz eines Eichens innerhalb des Follicu-<lb/> lus nachzuweisen, löste von Bär, welcher seine Entdeckungen<lb/> nebst sehr vielen anderen wichtigen und schätzbaren Beobachtungen<lb/> in seinem Schreiben an eine Akademie bekannt machte, die den von<lb/> Deutschland verkannten und verstoſsenen Caspar Friedrich Wolff<lb/> aufgenommen hatte und Pander und Döllinger, so wie Bär selbst zu<lb/> ihren Mitgliedern rechnet. Indem er aber das Eichen der Säuge-<lb/> thiere mit dem Keimbläschen der Vögel indentificirte, brachte er<lb/> neue Verwirrung in die so dunkele Lehre, und so muſste erst in<lb/> der neuesten Zeit eine zweite Entdeckung des wahren Keimbläs-<lb/> chens der Säugethiere gemacht werden, um die Analogie mit dem<lb/> Vogel deutlich und richtig darzustellen. Auſserdem wurden in<lb/> den Jahren 1823 — 28 eine Reihe von Vorarbeiten über die Ent-<lb/> wickelungsgeschichte der Frucht selbst gemacht, welche in sich<lb/> einen gemischten Charakter trugen. Denn indem die Einen mehr<lb/> durch idealistische Principien geleitet ihre aus philosophischer<lb/> Deduction folgenden Sätze durch Beobachtungen zu bestätigen<lb/> oder zu erläutern sich bemüheten, kamen Andere, nur der sinn-<lb/> lichen Erfahrung trauend, auf allgemeine Resultate, welche merk-<lb/> würdiger Weise mit naturphilosophischen Ideen entweder zu-<lb/> sammenfielen oder wenigstens in inniger Verbindung standen.<lb/> Jeder weiſs, welche Männer ich hier vorzugsweise nennen muſs,<lb/> wenn ich mich nur auf diejenigen beschränke, welche mit beson-<lb/> derer Vorliebe und fast ausschlieſslich die Entwickelungsgeschichte<lb/> bearbeiteten. Es sind Karl Friedrich Burdach, Karl Ernst von<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Bär,</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [576/0604]
Fragmente z. Gesetzlehre d. individuellen Entwickelung.
Haightons schienen gegen den halb vergessenen Graaf zu sprechen,
während ihn freilich die genaueren Beobachtungen Cruikshanks
von neuem unterstützten. So ruhete dieser wichtige Gegenstand
ohne Entscheidung, bis Prevost und Dumas, zwei in jeder Bezie-
hung ausgezeichnete Forscher Frankreichs, die Entwickelung der
Wirbelthiere von Neuem vornahmen. Nachdem sie die Batrachier
und Vögel in dieser Rücksicht behandelt hatten, suchten sie das
schwierige Feld der ersten Evolution der Säugethiere aufzuhellen,
und sprachen bei dieser Gelegenheit mit Bestimmtheit die Ver-
muthung aus, daſs der Folliculus hier ein Ovulum in sich ent-
halte. Unbegreiflicher Weise entging ihnen aber die bestimmte
Beobachtung desselben, wiewohl sie häufig genug Hunde unter
suchten, deren Eichen schon mit bloſsem Auge in dem unver-
letzten Folliculus wahrgenommen werden kann. Dieses Problem,
durch Empirie die Existenz eines Eichens innerhalb des Follicu-
lus nachzuweisen, löste von Bär, welcher seine Entdeckungen
nebst sehr vielen anderen wichtigen und schätzbaren Beobachtungen
in seinem Schreiben an eine Akademie bekannt machte, die den von
Deutschland verkannten und verstoſsenen Caspar Friedrich Wolff
aufgenommen hatte und Pander und Döllinger, so wie Bär selbst zu
ihren Mitgliedern rechnet. Indem er aber das Eichen der Säuge-
thiere mit dem Keimbläschen der Vögel indentificirte, brachte er
neue Verwirrung in die so dunkele Lehre, und so muſste erst in
der neuesten Zeit eine zweite Entdeckung des wahren Keimbläs-
chens der Säugethiere gemacht werden, um die Analogie mit dem
Vogel deutlich und richtig darzustellen. Auſserdem wurden in
den Jahren 1823 — 28 eine Reihe von Vorarbeiten über die Ent-
wickelungsgeschichte der Frucht selbst gemacht, welche in sich
einen gemischten Charakter trugen. Denn indem die Einen mehr
durch idealistische Principien geleitet ihre aus philosophischer
Deduction folgenden Sätze durch Beobachtungen zu bestätigen
oder zu erläutern sich bemüheten, kamen Andere, nur der sinn-
lichen Erfahrung trauend, auf allgemeine Resultate, welche merk-
würdiger Weise mit naturphilosophischen Ideen entweder zu-
sammenfielen oder wenigstens in inniger Verbindung standen.
Jeder weiſs, welche Männer ich hier vorzugsweise nennen muſs,
wenn ich mich nur auf diejenigen beschränke, welche mit beson-
derer Vorliebe und fast ausschlieſslich die Entwickelungsgeschichte
bearbeiteten. Es sind Karl Friedrich Burdach, Karl Ernst von
Bär,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |