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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung.
Vieles erklärt, die Einsicht des bis jetzt Unerklärten mit einem
gewissen Rechte von der Zukunft erwartet und am Ende nur
ein Räthsel ungelöst lässt, nämlich den höchsten Begriff selbst.
Allein mit ihr ist auch der Knoten eher zerhauen, als gelöst, und
die schwierigsten, aber auch fruchtbarsten Gebiete der höheren
Forschung sind gänzlich abgewiesen, sobald man die Natur als ein
aus der Hand des Schöpfers gekommenes, abgeschlossenes und
fertiges Product ansieht, die einzelnen Realitäten dagegen als Ob-
jecte der höchsten individuellen Weisheit mit dem höchsten
Grade äusserer Zweckmässigkeit begabt seyn lässt. -- Dringt je-
doch der Geist tiefer und mit unbefangenerem Blicke in die Ge-
heimnisse der Natur ein, so genügt ihm jene bloss oberflächliche
und einseitige Betrachtung derselben keinesweges mehr. Die
nächste Folge des eingesehenen Irrthumes und der neu verfolgten
Bahn der Forschung, ist die immer lebhafter aufsteigende Erkennt-
niss, dass es nicht bloss jene äussere Zweckmässigkeit sey, welche
der Natur inhärire, dass vielmehr ein innerer, weit höherer Zu-
sammenhang, eine Verbindung, die ihr ganzes Wesen, Inneres und
Aeusseres, durchdringet und einet, zwischen ihren Objecten Statt
finde. So sinkt nun vor den Augen des Menschen jenes rein te-
leologische Princip in seine untergeordnete, zum Theil unwahre
Stellung hinab. Freilich waren für die verlassene Ansicht der
anzuführenden Beispiele oder Scheinbeweise Viele zu finden, nicht
aber deshalb, weil die Sache an sich so klar gewesen und sich
unmittelbar von selbst ergeben, sondern weil das Aeusserliche
von dem sinnlichen Menschen immer leichter aufgegriffen wird,
weil es selbst minder Begabten und Einsichtsvollen deutlicher
und zugänglicher ist und aus diesen Gründen auf den Beifall der
Menge mit Gewissheit rechnen kann. Was aber auf den ersten
Blick sich kund giebt, ist deshalb nicht immer das Richtige und
eine Idee nicht aus dem Grunde wahr, weil sie leicht, sondern
weil sie sich aus dem Wesen der Objecte nothwendig und, so-
bald die Totalität derselben vollständig erkannt ist, von selbst
ergiebt. Mit der Resignation auf eine bloss teleologische Erkennt-
niss der Natur wird die Idee eines höheren inneren Zusammen-
hanges nothwendig gegeben und deren Enthüllung als das höchste
und wichtigste Postulat der Naturwissenschaften gesetzt. Jene
frühere anthropomorphische Vorstellung der Beziehung zu dem
höchsten Begriffe aber räumt nun einer höheren, ideelleren oder

Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung.
Vieles erklärt, die Einsicht des bis jetzt Unerklärten mit einem
gewissen Rechte von der Zukunft erwartet und am Ende nur
ein Räthsel ungelöst läſst, nämlich den höchsten Begriff selbst.
Allein mit ihr ist auch der Knoten eher zerhauen, als gelöst, und
die schwierigsten, aber auch fruchtbarsten Gebiete der höheren
Forschung sind gänzlich abgewiesen, sobald man die Natur als ein
aus der Hand des Schöpfers gekommenes, abgeschlossenes und
fertiges Product ansieht, die einzelnen Realitäten dagegen als Ob-
jecte der höchsten individuellen Weisheit mit dem höchsten
Grade äuſserer Zweckmäſsigkeit begabt seyn läſst. — Dringt je-
doch der Geist tiefer und mit unbefangenerem Blicke in die Ge-
heimnisse der Natur ein, so genügt ihm jene bloſs oberflächliche
und einseitige Betrachtung derselben keinesweges mehr. Die
nächste Folge des eingesehenen Irrthumes und der neu verfolgten
Bahn der Forschung, ist die immer lebhafter aufsteigende Erkennt-
niſs, daſs es nicht bloſs jene äuſsere Zweckmäſsigkeit sey, welche
der Natur inhärire, daſs vielmehr ein innerer, weit höherer Zu-
sammenhang, eine Verbindung, die ihr ganzes Wesen, Inneres und
Aeuſseres, durchdringet und einet, zwischen ihren Objecten Statt
finde. So sinkt nun vor den Augen des Menschen jenes rein te-
leologische Princip in seine untergeordnete, zum Theil unwahre
Stellung hinab. Freilich waren für die verlassene Ansicht der
anzuführenden Beispiele oder Scheinbeweise Viele zu finden, nicht
aber deshalb, weil die Sache an sich so klar gewesen und sich
unmittelbar von selbst ergeben, sondern weil das Aeuſserliche
von dem sinnlichen Menschen immer leichter aufgegriffen wird,
weil es selbst minder Begabten und Einsichtsvollen deutlicher
und zugänglicher ist und aus diesen Gründen auf den Beifall der
Menge mit Gewiſsheit rechnen kann. Was aber auf den ersten
Blick sich kund giebt, ist deshalb nicht immer das Richtige und
eine Idee nicht aus dem Grunde wahr, weil sie leicht, sondern
weil sie sich aus dem Wesen der Objecte nothwendig und, so-
bald die Totalität derselben vollständig erkannt ist, von selbst
ergiebt. Mit der Resignation auf eine bloſs teleologische Erkennt-
niſs der Natur wird die Idee eines höheren inneren Zusammen-
hanges nothwendig gegeben und deren Enthüllung als das höchste
und wichtigste Postulat der Naturwissenschaften gesetzt. Jene
frühere anthropomorphische Vorstellung der Beziehung zu dem
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[584/0612] Fragmente z. Gesetzlehre der individuellen Entwickelung. Vieles erklärt, die Einsicht des bis jetzt Unerklärten mit einem gewissen Rechte von der Zukunft erwartet und am Ende nur ein Räthsel ungelöst läſst, nämlich den höchsten Begriff selbst. Allein mit ihr ist auch der Knoten eher zerhauen, als gelöst, und die schwierigsten, aber auch fruchtbarsten Gebiete der höheren Forschung sind gänzlich abgewiesen, sobald man die Natur als ein aus der Hand des Schöpfers gekommenes, abgeschlossenes und fertiges Product ansieht, die einzelnen Realitäten dagegen als Ob- jecte der höchsten individuellen Weisheit mit dem höchsten Grade äuſserer Zweckmäſsigkeit begabt seyn läſst. — Dringt je- doch der Geist tiefer und mit unbefangenerem Blicke in die Ge- heimnisse der Natur ein, so genügt ihm jene bloſs oberflächliche und einseitige Betrachtung derselben keinesweges mehr. Die nächste Folge des eingesehenen Irrthumes und der neu verfolgten Bahn der Forschung, ist die immer lebhafter aufsteigende Erkennt- niſs, daſs es nicht bloſs jene äuſsere Zweckmäſsigkeit sey, welche der Natur inhärire, daſs vielmehr ein innerer, weit höherer Zu- sammenhang, eine Verbindung, die ihr ganzes Wesen, Inneres und Aeuſseres, durchdringet und einet, zwischen ihren Objecten Statt finde. So sinkt nun vor den Augen des Menschen jenes rein te- leologische Princip in seine untergeordnete, zum Theil unwahre Stellung hinab. Freilich waren für die verlassene Ansicht der anzuführenden Beispiele oder Scheinbeweise Viele zu finden, nicht aber deshalb, weil die Sache an sich so klar gewesen und sich unmittelbar von selbst ergeben, sondern weil das Aeuſserliche von dem sinnlichen Menschen immer leichter aufgegriffen wird, weil es selbst minder Begabten und Einsichtsvollen deutlicher und zugänglicher ist und aus diesen Gründen auf den Beifall der Menge mit Gewiſsheit rechnen kann. Was aber auf den ersten Blick sich kund giebt, ist deshalb nicht immer das Richtige und eine Idee nicht aus dem Grunde wahr, weil sie leicht, sondern weil sie sich aus dem Wesen der Objecte nothwendig und, so- bald die Totalität derselben vollständig erkannt ist, von selbst ergiebt. Mit der Resignation auf eine bloſs teleologische Erkennt- niſs der Natur wird die Idee eines höheren inneren Zusammen- hanges nothwendig gegeben und deren Enthüllung als das höchste und wichtigste Postulat der Naturwissenschaften gesetzt. Jene frühere anthropomorphische Vorstellung der Beziehung zu dem höchsten Begriffe aber räumt nun einer höheren, ideelleren oder

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 584. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/612>, abgerufen am 22.11.2024.