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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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IV. Entwickelung des individuellen Thieres.
mehr in den Hintergrund treten, weil sie als concret Allgemeines
immer weniger deutlich ausgeprägt ist. Als Beleg möge das
Kiemengerüste dienen. So sollen die höheren Wirbelthiere, z. B.
die Säugethiere zu einer Periode ihrer individuellen Entwicke-
lung Fischkiemen haben. Allein in den Fischen ist das Gefässsy-
stem derselben vielfach verzweigt und zum Theil in gewissen,
eigenthümlich construirten Anhängen, den Kiemenblättchen, ent-
halten; bei den Säugethieren ist es eine einfach umbiegende Ge-
fässschlinge ohne alle weitere Verästelung (mit Ausn. d. ersten s.
o. S. 307). In den ausgebildeten Fischen findet offenbar wahre und
alleinige Athmungsfunction durch die Kiemen Statt; bei den Säu-
gethieren lässt sich die einzige Athmung durch die Kiemen mit
Bestimmtheit läugnen, da einestheils die Dotterrespiration durch
den Gefässkreis, anderntheils die Eischaalenrespiration durch
das Endochorion zu wichtigeren Athmungsprocessen eingehen u.
dgl. m. Die Kiemen der Säugethierembryonen sind also von
denen der ausgebildeten Fische durchaus verschieden. Allein in
den Embryonen aller vier Wirbelthierklassen findet sich zu be-
stimmten frühen Perioden ihrer Entwickelung eine analoge Kie-
menformation, nämlich eine Zahl von Kiemenbogen, nebst zwischen
ihnen befindlichen Spalten, welche aus dem animalen Theile des Lei-
bes (dem serösen Blatte) in den vegetativen desselben (das Schleim-
blatt) hineindringen und zwischen sich Gefässbogen, die von dem am-
biguen Gefässblatte kommen, enthalten. Wir schliessen daher, dass
durch die Uridee der Wirbelthiere überhaupt eine solche Durch-
gangsformation bedingt sey. Allein selbst in diesem Punkte treffen
wir noch Ungleichheiten an. Abgesehen von den minder auffallenden
kleineren Differenzen sehen wir, dass bei den Fischen und vielen Am-
phibien sich fünf Spalten bilden, während die fünfte Spalte in den hö-
heren Wirbelthieren nur durch einen Gefässbogen angedeutet wird,
dass diese fünf Spalten hier gleichzeitig, dort nach einander auf-
treten u. dgl. m. Ein gewisser Grundtypus liegt hier zwar au-
genscheinlich zu Grunde, aber wie die Realisirung desselben in
den speciellen Einzelwesen, so ist auch die weitere Fortbildung
verschieden. Bei den Fischen erzeugen sich knorpelig häutige
Anhänge, die Kiemenblätter, während in dem Kiemengerüste Kno-
chenbogen sich bilden; bei den Fröschen entstehen zwar auch
äussere Kiemen oder genauer Kiemenanhänge, diese schwinden
aber bald, während die Kiemenhöhle theilweise oder gänzlich zur

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IV. Entwickelung des individuellen Thieres.
mehr in den Hintergrund treten, weil sie als concret Allgemeines
immer weniger deutlich ausgeprägt ist. Als Beleg möge das
Kiemengerüste dienen. So sollen die höheren Wirbelthiere, z. B.
die Säugethiere zu einer Periode ihrer individuellen Entwicke-
lung Fischkiemen haben. Allein in den Fischen ist das Gefäſssy-
stem derselben vielfach verzweigt und zum Theil in gewissen,
eigenthümlich construirten Anhängen, den Kiemenblättchen, ent-
halten; bei den Säugethieren ist es eine einfach umbiegende Ge-
fäſsschlinge ohne alle weitere Verästelung (mit Ausn. d. ersten s.
o. S. 307). In den ausgebildeten Fischen findet offenbar wahre und
alleinige Athmungsfunction durch die Kiemen Statt; bei den Säu-
gethieren läſst sich die einzige Athmung durch die Kiemen mit
Bestimmtheit läugnen, da einestheils die Dotterrespiration durch
den Gefäſskreis, anderntheils die Eischaalenrespiration durch
das Endochorion zu wichtigeren Athmungsprocessen eingehen u.
dgl. m. Die Kiemen der Säugethierembryonen sind also von
denen der ausgebildeten Fische durchaus verschieden. Allein in
den Embryonen aller vier Wirbelthierklassen findet sich zu be-
stimmten frühen Perioden ihrer Entwickelung eine analoge Kie-
menformation, nämlich eine Zahl von Kiemenbogen, nebst zwischen
ihnen befindlichen Spalten, welche aus dem animalen Theile des Lei-
bes (dem serösen Blatte) in den vegetativen desselben (das Schleim-
blatt) hineindringen und zwischen sich Gefäſsbogen, die von dem am-
biguen Gefäſsblatte kommen, enthalten. Wir schlieſsen daher, daſs
durch die Uridee der Wirbelthiere überhaupt eine solche Durch-
gangsformation bedingt sey. Allein selbst in diesem Punkte treffen
wir noch Ungleichheiten an. Abgesehen von den minder auffallenden
kleineren Differenzen sehen wir, daſs bei den Fischen und vielen Am-
phibien sich fünf Spalten bilden, während die fünfte Spalte in den hö-
heren Wirbelthieren nur durch einen Gefäſsbogen angedeutet wird,
daſs diese fünf Spalten hier gleichzeitig, dort nach einander auf-
treten u. dgl. m. Ein gewisser Grundtypus liegt hier zwar au-
genscheinlich zu Grunde, aber wie die Realisirung desselben in
den speciellen Einzelwesen, so ist auch die weitere Fortbildung
verschieden. Bei den Fischen erzeugen sich knorpelig häutige
Anhänge, die Kiemenblätter, während in dem Kiemengerüste Kno-
chenbogen sich bilden; bei den Fröschen entstehen zwar auch
äuſsere Kiemen oder genauer Kiemenanhänge, diese schwinden
aber bald, während die Kiemenhöhle theilweise oder gänzlich zur

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[593/0621] IV. Entwickelung des individuellen Thieres. mehr in den Hintergrund treten, weil sie als concret Allgemeines immer weniger deutlich ausgeprägt ist. Als Beleg möge das Kiemengerüste dienen. So sollen die höheren Wirbelthiere, z. B. die Säugethiere zu einer Periode ihrer individuellen Entwicke- lung Fischkiemen haben. Allein in den Fischen ist das Gefäſssy- stem derselben vielfach verzweigt und zum Theil in gewissen, eigenthümlich construirten Anhängen, den Kiemenblättchen, ent- halten; bei den Säugethieren ist es eine einfach umbiegende Ge- fäſsschlinge ohne alle weitere Verästelung (mit Ausn. d. ersten s. o. S. 307). In den ausgebildeten Fischen findet offenbar wahre und alleinige Athmungsfunction durch die Kiemen Statt; bei den Säu- gethieren läſst sich die einzige Athmung durch die Kiemen mit Bestimmtheit läugnen, da einestheils die Dotterrespiration durch den Gefäſskreis, anderntheils die Eischaalenrespiration durch das Endochorion zu wichtigeren Athmungsprocessen eingehen u. dgl. m. Die Kiemen der Säugethierembryonen sind also von denen der ausgebildeten Fische durchaus verschieden. Allein in den Embryonen aller vier Wirbelthierklassen findet sich zu be- stimmten frühen Perioden ihrer Entwickelung eine analoge Kie- menformation, nämlich eine Zahl von Kiemenbogen, nebst zwischen ihnen befindlichen Spalten, welche aus dem animalen Theile des Lei- bes (dem serösen Blatte) in den vegetativen desselben (das Schleim- blatt) hineindringen und zwischen sich Gefäſsbogen, die von dem am- biguen Gefäſsblatte kommen, enthalten. Wir schlieſsen daher, daſs durch die Uridee der Wirbelthiere überhaupt eine solche Durch- gangsformation bedingt sey. Allein selbst in diesem Punkte treffen wir noch Ungleichheiten an. Abgesehen von den minder auffallenden kleineren Differenzen sehen wir, daſs bei den Fischen und vielen Am- phibien sich fünf Spalten bilden, während die fünfte Spalte in den hö- heren Wirbelthieren nur durch einen Gefäſsbogen angedeutet wird, daſs diese fünf Spalten hier gleichzeitig, dort nach einander auf- treten u. dgl. m. Ein gewisser Grundtypus liegt hier zwar au- genscheinlich zu Grunde, aber wie die Realisirung desselben in den speciellen Einzelwesen, so ist auch die weitere Fortbildung verschieden. Bei den Fischen erzeugen sich knorpelig häutige Anhänge, die Kiemenblätter, während in dem Kiemengerüste Kno- chenbogen sich bilden; bei den Fröschen entstehen zwar auch äuſsere Kiemen oder genauer Kiemenanhänge, diese schwinden aber bald, während die Kiemenhöhle theilweise oder gänzlich zur 38

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 593. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/621>, abgerufen am 22.11.2024.