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Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835.

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VII. Genese der Organe.
punkt erreicht. Der Halbirungspunkt einer geraden Linie aber
kann als das Centrum eines Kreises oder einer Kugel angesehen
werden, deren Radien die Hälften der Linien sind. Darauf be-
ruht die Bildung des Thieres überhaupt, die Genese der animali-
schen, sensoriellen Organe aber insbesondere. Wir wollen nun
diese einzelnen Momente durchgehen.

10. Das Urbild der vegetativen Organe in den Wirbelthie-
ren ist das Schleimblatt, welches sich zunächst dadurch individuali-
sirt, dass es sich über den Dotter wie die übrige Keimhaut erhebt und
für sich die Röhrenform annimmt. Diese Abschnürung gehet von
vorn sowohl als von hinten nach der Mitte zu fort, und so wird
die primäre Bildung des Schleimblattes als Darmkanal zu Stande
gebracht. Wiewohl diese thierischen Organe in ihren stereome-
trischen Begrenzungen die Röhrenform haben, so ist es doch das
Zweckmässigste, die Genese der Organe in und aus ihnen nach
ihren Dimensionen oder idealen Durchschnitten zu betrachten,
weil nur auf diese Weise die gegenseitige Lage der Theile sich
durch die einfachsten, mathematischen Formen darstellen lässt.
Diese Methode haben die Crystallographen zum Theil dadurch
nicht ohne Glück befolgt, dass sie die Axen der Crystalle mit
einander in Verhältniss brachten und die Durchschnittzeichnungen
der organischen Körper beruhen im Wesentlichen auf denselben
Grundsätzen und demselben Ziele. Es wird aber hier gut seyn,
zuvörderst die Breitendurchschnitte in Erwägung zu ziehen. Die
Axe des einfachen Darmrohres ist der Diameter seines Durch-
schnittkreises und viele secundären Bildungen entstehen hier da-
durch, dass dieser sich verlängert, und insofern eine neue Ansatz-
linie als das Product der weiteren Ausbildung an demselben ent-
steht. Diese Art von Bildungen haben wir oben mit dem Namen
der Ausstülpungsbildungen bezeichnet. Sie sind immer unterge-
ordnet der primären Bildung und doch nur ein Theil der sich
verbreiternden Queraxe der primären Bildung an einer bestimm-
ten Stelle. Die Längenaxe zerfällt später auf dieselbe Weise in
mehrere untergeordnete und ungleiche Abtheilungen, welche aber
einander mehr coordinirt sind. Und so kann man sich das ganze
Verhältniss des röhrigen Schleimblattes als Zeichnung so denken,
dass eine Perpendikulärlinie an allen ihren Punkten von Queraxen
durchschnitten wird, welche grösstentheils einander gleich, an be-
stimmten Punkten dagegen nach einer oder beiden Seiten verlän-

VII. Genese der Organe.
punkt erreicht. Der Halbirungspunkt einer geraden Linie aber
kann als das Centrum eines Kreises oder einer Kugel angesehen
werden, deren Radien die Hälften der Linien sind. Darauf be-
ruht die Bildung des Thieres überhaupt, die Genese der animali-
schen, sensoriellen Organe aber insbesondere. Wir wollen nun
diese einzelnen Momente durchgehen.

10. Das Urbild der vegetativen Organe in den Wirbelthie-
ren ist das Schleimblatt, welches sich zunächst dadurch individuali-
sirt, daſs es sich über den Dotter wie die übrige Keimhaut erhebt und
für sich die Röhrenform annimmt. Diese Abschnürung gehet von
vorn sowohl als von hinten nach der Mitte zu fort, und so wird
die primäre Bildung des Schleimblattes als Darmkanal zu Stande
gebracht. Wiewohl diese thierischen Organe in ihren stereome-
trischen Begrenzungen die Röhrenform haben, so ist es doch das
Zweckmäſsigste, die Genese der Organe in und aus ihnen nach
ihren Dimensionen oder idealen Durchschnitten zu betrachten,
weil nur auf diese Weise die gegenseitige Lage der Theile sich
durch die einfachsten, mathematischen Formen darstellen läſst.
Diese Methode haben die Crystallographen zum Theil dadurch
nicht ohne Glück befolgt, daſs sie die Axen der Crystalle mit
einander in Verhältniſs brachten und die Durchschnittzeichnungen
der organischen Körper beruhen im Wesentlichen auf denselben
Grundsätzen und demselben Ziele. Es wird aber hier gut seyn,
zuvörderst die Breitendurchschnitte in Erwägung zu ziehen. Die
Axe des einfachen Darmrohres ist der Diameter seines Durch-
schnittkreises und viele secundären Bildungen entstehen hier da-
durch, daſs dieser sich verlängert, und insofern eine neue Ansatz-
linie als das Product der weiteren Ausbildung an demselben ent-
steht. Diese Art von Bildungen haben wir oben mit dem Namen
der Ausstülpungsbildungen bezeichnet. Sie sind immer unterge-
ordnet der primären Bildung und doch nur ein Theil der sich
verbreiternden Queraxe der primären Bildung an einer bestimm-
ten Stelle. Die Längenaxe zerfällt später auf dieselbe Weise in
mehrere untergeordnete und ungleiche Abtheilungen, welche aber
einander mehr coordinirt sind. Und so kann man sich das ganze
Verhältniſs des röhrigen Schleimblattes als Zeichnung so denken,
daſs eine Perpendikulärlinie an allen ihren Punkten von Queraxen
durchschnitten wird, welche gröſstentheils einander gleich, an be-
stimmten Punkten dagegen nach einer oder beiden Seiten verlän-

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[617/0645] VII. Genese der Organe. punkt erreicht. Der Halbirungspunkt einer geraden Linie aber kann als das Centrum eines Kreises oder einer Kugel angesehen werden, deren Radien die Hälften der Linien sind. Darauf be- ruht die Bildung des Thieres überhaupt, die Genese der animali- schen, sensoriellen Organe aber insbesondere. Wir wollen nun diese einzelnen Momente durchgehen. 10. Das Urbild der vegetativen Organe in den Wirbelthie- ren ist das Schleimblatt, welches sich zunächst dadurch individuali- sirt, daſs es sich über den Dotter wie die übrige Keimhaut erhebt und für sich die Röhrenform annimmt. Diese Abschnürung gehet von vorn sowohl als von hinten nach der Mitte zu fort, und so wird die primäre Bildung des Schleimblattes als Darmkanal zu Stande gebracht. Wiewohl diese thierischen Organe in ihren stereome- trischen Begrenzungen die Röhrenform haben, so ist es doch das Zweckmäſsigste, die Genese der Organe in und aus ihnen nach ihren Dimensionen oder idealen Durchschnitten zu betrachten, weil nur auf diese Weise die gegenseitige Lage der Theile sich durch die einfachsten, mathematischen Formen darstellen läſst. Diese Methode haben die Crystallographen zum Theil dadurch nicht ohne Glück befolgt, daſs sie die Axen der Crystalle mit einander in Verhältniſs brachten und die Durchschnittzeichnungen der organischen Körper beruhen im Wesentlichen auf denselben Grundsätzen und demselben Ziele. Es wird aber hier gut seyn, zuvörderst die Breitendurchschnitte in Erwägung zu ziehen. Die Axe des einfachen Darmrohres ist der Diameter seines Durch- schnittkreises und viele secundären Bildungen entstehen hier da- durch, daſs dieser sich verlängert, und insofern eine neue Ansatz- linie als das Product der weiteren Ausbildung an demselben ent- steht. Diese Art von Bildungen haben wir oben mit dem Namen der Ausstülpungsbildungen bezeichnet. Sie sind immer unterge- ordnet der primären Bildung und doch nur ein Theil der sich verbreiternden Queraxe der primären Bildung an einer bestimm- ten Stelle. Die Längenaxe zerfällt später auf dieselbe Weise in mehrere untergeordnete und ungleiche Abtheilungen, welche aber einander mehr coordinirt sind. Und so kann man sich das ganze Verhältniſs des röhrigen Schleimblattes als Zeichnung so denken, daſs eine Perpendikulärlinie an allen ihren Punkten von Queraxen durchschnitten wird, welche gröſstentheils einander gleich, an be- stimmten Punkten dagegen nach einer oder beiden Seiten verlän-

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Zitationshilfe: Valentin, Gabriel Gustav: Handbuch der Entwicklungsgeschichte des Menschen mit vergleichender Rücksicht der Entwicklung der Säugetiere und Vögel. Berlin, 1835, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/valentin_entwicklungsgeschichte_1835/645>, abgerufen am 22.11.2024.